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Vom Leben und Filmen in Afghanistan

Stefanie Zobl11. Februar 2004

Auf der Berlinale kommen längst nicht nur Stars zu Wort: Mit Unterstützung von DW-TV konnten auch drei afghanische Filmmacherinnen von ihrer Heimat und ihrer Arbeit erzählen.

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"Entschleiertes Afghanistan": drei junge Afghanninen stelllen sich bei der Berlinale vorBild: DW

Sechs Wochen lang dauerte allein das Ringen mit Behörden um Visa und Ausreiseerlaubnis: Es war ganz schön schwierig für die drei afghanischen Filmmacherinnen Gul Makai Ranjbar, Halima Hussiani und Shakeba Adil zum Berlinale Talent Campus zu kommen. Trotz der Unterstützung des Deutschen Auslandsfernsehens DW-TV und selbst des Bundesaußenministeriums war zwischenzeitlich immer wieder fraglich, ob ihre Reise stattfinden kann. Zu guter Letzt machte dann das Wetter in Afghanistan fast einen Strich durch die Rechnung. Die Bundeswehrmaschine, die die drei jungen Frauen sicher nach Deutschland bringen sollte, musste einen Tag früher starten als geplant.

Lässig in Jeans und Pulli

So kommen Gul Makai, Halima und Shakeba am 8. Februar direkt vom Flughafen zu der Veranstaltung "Afghanistan: Film, Freedom, Future" im Haus der Kulturen der Welt. Dort erzählen sie dem jungen Publikum des Talent Campus der Berlinale von ihrer Arbeit und ihrem Leben in einem der ärmsten und krisengeplagtesten Länder der Welt. Auch Ausschnitte aus zwei ihrer Filme präsentieren sie. Völlig unaufgeregt sitzen die drei auf dem Podium - in Jeans, Pullis und Lederjacken, nur ihre Köpfe sind traditionell bedeckt mit Tüchern oder Schals - und stehen der iranischen Schriftstellerin, Dokumentarfilmerin und Afghanistan-Expertin Siba Shakib, die das Gespräch moderiert und dolmetscht, Rede und Antwort.

In einer Einführung stellt Siba Shakib das Medienzentrum AÏNA vor. AÏNA ist ein regierungsunabhängiges, afghanisch-französisches Projekt, das seit zwei Jahren existiert und in Afghanistan ein Netzwerk unabhängiger Journalisten und Medien aufbaut. Gul Makai, Halima und Shakeba erhielten durch AÏNA ihre Ausbildung, jetzt produzieren sie ihre Filme mit Hilfe der Organisation.

Leben unter den Taliban

Gul Makai erzählt, dass sie mit ihren 22 Jahren kein Leben ohne Krieg kenne. Ihr Vater und ihre Brüder sind tot, sie selbst hat ein verletztes Bein und musste als Jugendliche trotzdem arbeiten, um die Familie zu ernähren. Ein schweres Schicksal – in Afghanistan ist das Alltag. Mehr noch als der langjährige Krieg gegen die Russen steht die Schreckensherrschaft der radikal-islamischen Taliban im Mittelpunkt der Schilderungen der drei Filmemacherinnen. Denn die sechs Jahre ihrer Diktatur waren bekanntlich besonders grausam für die weibliche Bevölkerung Afghanistans.

Für den Dokumentarfilm "Afghanistan Unveiled" (Entschleiertes Afghanistan) reisten die Filmemacherinnen in die afghanische Provinz, um die Frauen dort zu ihrem Leben und ihren Erfahrungen unter den Taliban zu befragen. Ob Nomadin, die mit Maschinengewehr im Zelt lebt, oder Höhlenbewohnerin im Bamian-Tal, wo die Taliban die berühmten Buddha-Statuen zerstörten - ihre Geschichten ähneln sich sehr: Sie handeln von Mord, Vergewaltigung und Zerstörung, von umfassbarer Gewalt und Menschen-, insbesondere Frauenverachtung.

Weit weg von Normalität

Ein weiteres, wichtiges Thema ist die Zeit seit Ende der Taliban-Herrschaft. Denn das Leben in Afghanistan ist immer noch weit von jeglicher Normalität entfernt. Ein kritisches Bild von der Situation entwirft der zweite vorgestellte Film "Shadows", die Fortsetzung von "Afghanistan Unveiled": Die Uni in Kabul bevorzugt Studenten mit genügend Geld und den richtigen Kontakten, in der Provinz werden Frauen und Mädchen immer noch verschleppt und vergewaltigt und um die Meinungs- und Pressefreiheit ist es immer noch nicht gut gestellt.

Und doch, so Gul Makai, Halima und Shakeba, vieles habe sich schon zum Guten gewandelt. Was die Menschen in Afghanistan nach der langen Zeit des destruktiven Chaos für eine gesellschaftliche Veränderung bräuchten, sei vor allem viel Zeit. Die Anwesenheit der Internationale Schutztruppe ISAF und der Amerikaner sei gegenwärtig für die relative Ruhe im Land notwendig. Längerfristig möchten die Afghanen ihre zukünftige Identität aber ohne den Einfluss von außen entwickeln.

Patenschaft der Deutschen Welle

Am Ende der Diskussion hat Günter Knabe, Afghanistan-Experte der Deutschen Welle, als Vertreter des Auslandssenders und Veranstalters von "Afghanistan: Film, Freedom, Future" das Wort. Er stellt den Zuschauern das afghanische Programm des Senders, dass täglich in Dari und Paschtu sendet, und die Spendenaktion "100 Klassenzimmer für Afghanistan" der Hilfsorganisation Cap Anamur und der Deutschen Welle vor. Für den Aufenthalt der Afghaninnen in Berlin hat die Kulturredaktion von DW-TV die Patenschaft übernommen.