Vom Wahlrecht bis #MeToo: Die lange Geschichte der Frauenbewegung
Seit gut 180 Jahren kämpfen Frauen in Deutschland für ihre Rechte. Anfangs ging es um Bildung und Wahlrecht, später um sexuelle Selbstbestimmtheit. Heute zeigen Frauen mit #MeToo, dass ihr Kampf noch nicht zu Ende ist.
Die "Lerche des Völkerfrühlings"
Louise Otto-Peters (1819 - 1895) gilt als die Pionierin der deutschen Frauenbewegung. Mit knapp 24 Jahren trat sie an die Öffentlichkeit und forderte Mitbestimmung. Zusammen mit weiteren Frauen gründete sie den ADF, den Allgemeinen Deutschen Frauenverein. Vor dem Hintergrund der 1848er Revolution in Deutschland war dies möglich - denn alle Zeichen standen auf gesellschaftliche Veränderung.
Helene Lange kämpfte für Chancengleichheit
Mädchen und Schulbildung - das war Ende des 19. Jahrhunderts nicht vorgesehen. Eher bestand die Funktion der Frau darin, ihrem Gatten Freude zu bereiten, ihn zu erheitern und natürlich ihn zu betüddeln und zu bekochen. Die bürgerliche Frauenbewegung der späten 1890er Jahre wollte damit aufräumen und forderte vor allem bessere Schulbildung für Mädchen. An ihrer Spitze stand damals Helene Lange.
Mutter der "proletarischen" Frauenbewegung
Es ging den Frauenrechtlerinnen jener Zeit nicht nur um Bildung, das war eher ein bürgerliches Thema. Auch die Fabrikarbeiterinnen brauchten ein Sprachrohr. Clara Zetkin setzte sich für die gewerkschaftliche Organisierung für Frauen ein. Zudem kämpfte sie für das Frauenwahlrecht und (schon damals) für die Abschaffung des Abtreibungsparagraphen 218. Und sie initiierte den Internationalen Frauentag.
Anita Augspurg und ihre Frauengruppe
Es gab noch radikalere Frauenrechtlerinnen. Anita Augspurg (links) und ihre Kämpferinnen scherten sich nicht um Konventionen. Augspurg lebte mit ihrer Freundin zusammen, sie trugen Herrenkleidung und kurze Haare. Sie war Juristin und engagierte sich für das Frauenstimmrecht und schließlich auch für Prostituierte. Sie und ihre Mitstreiterinnen pflegten enge Kontakte zu ausländischen Frauengruppen.
Überregionale Zusammenarbeit
In London hat sich die Suffragettenbewegung längt in das Gesellschaftsbild eingegraben. 1909 trafen sich Frauenrechtlerinnen aus ganz Europa in London zu einem Kongress, unter ihnen auch Anita Augspurg (unten rechts). Der beharrlichen Arbeit dieser Frauen und weiteren Kämpferinnen ist es zu verdanken, dass immer mehr Länder das Frauenwahlrecht einführten. 1918 schließlich auch Deutschland.
Gleichschaltung im Nationalsozialismus
Die Nationalsozialisten mochten keine emanzipatorischen Bestrebungen. Frauen gehörten auch nicht in Führungspositionen. Sie sollten zurück zu Herd und Familie. Die NSDAP propagierte ein Frauenbild, das in den Jahrzehnten vor ihrer Machtergreifung mühsam weggekämpft wurde. Frauengruppen waren aber in den Augen der Nazis jüdische und kommunistische Erfindungen, die es zu unterbinden galt.
Vom Hausmütterchen zur Kriegshelferin
Viele Jahre schien der einzige Existenzgrund der Frau darin zu liegen, als sorgende und liebevolle Mutter die zukünftige Generation der deutschen, "arischen" Rasse zu gebären und nach nationalsozialistischer Gesinnung aufzuziehen. Zur Belohnung gab es das "Mutterkreuz". In den Kriegsjahren jedoch war damit Schluss. Plötzlich waren die Frauen als Arbeiterinnen - auch in Männerjobs - sehr gefragt.
Neuaufbau
1945 endete der Zweite Weltkrieg und damit der Nationalsozialismus mit all seinen Weltanschauungen und Institutionen. Von Anfang an mischten Frauen im Wiederaufbau Deutschlands mit - nicht nur in den Trümmern zerstörter Städte sondern auch in der Politik. Neue Frauenausschüsse nahmen die Arbeit von vor 1933 wieder auf. Ihr Ziel: Gleichberechtigung der Frauen als selbstverständliches Menschenrecht.
Die Pille: ein neues Stück Freiheit
Hormone, die eine Schwangerschaft verhindern - einfach in Form einer winzigen Tablette schlucken. 1961 kam die "Pille" nach Deutschland und wurde von Moralisten argwöhnisch beäugt. Zunächst wurde sie nur verheirateten Frauen verschrieben, offiziell "gegen Menstruationsbeschwerden". Aufzuhalten war sie aber nicht mehr und feuerte die sexuelle Emanzipation der Frauen in den späteren 68ern an.
Kampf gegen Autoritäten
Die Studentenbewegung der 1968er kämpfte nicht nur für Hochschulreformen, sondern auch für sexuelle Freiheit, gegen autoritäre Strukturen. Eigentlich hätte alles im Sinne der weiblichen Mitstreiter sein können. Doch die Studentinnen stellten fest, dass ihre Kommilitonen nach außen hin zwar Antiautorität forderten, aber im Inneren noch nicht aus ihren autoritären Verhaltensmustern herauskamen.
Geschlechterkampf unter den Studenten
Frauen sahen darin ein Spiegelbild der patriarchalischen Gesellschaft. Der frisch gegründete "Aktionsrat zur Befreiung der Frau" forderte auf einer Veranstaltung des Sozialistischen Studentenbundes, dass das "Ausbeutungsverhältnis, unter dem die Frauen stehen" aufgehoben wird. Die Männer hörten nicht zu - und so flogen schließlich Tomaten. Die Initialzündung für die spätere "Neue Frauenbewegung".
1971: "Wir haben abgetrieben!"
Mit der sexuellen Revolution der 68er Bewegung kam die Forderung, den uralten Paragrafen 218 aus dem Jahr 1871 abzuschaffen, nach dem ein Schwangerschaftsabbruch strafbar ist. Höhepunkt der damaligen Debatte: Die Abtreibungs-"Beichte" von 374 teils prominenten Frauen im "Stern". Sie war extrem mutig und trieb die Frauen auf die Straße. Die "Neue Frauenbewegung" war nicht mehr zu stoppen.
Ein langer Kampf in Etappen
1976 schließlich reagierten die Gerichte. Der §218 wurde modifiziert: Frauen durften innerhalb der ersten drei Schwangerschaftsmonate abtreiben. Inzwischen wurde der Paragraf mehrmals erweitert und verändert, so dürfen Frauen heute unter anderem aus gesundheitlichen und sozialen Gründen ihre Schwangerschaft abbrechen. Straffrei ist eine Abtreibung jedoch bis heute nicht.
Nicht ohne die Erlaubnis des Gatten
Heute ist es kaum mehr vorstellbar, dass eine verheiratete Frau in Deutschland erst ab 1969 als geschäftsfähig galt. Zudem war es Frauen in Deutschland nicht gestattet, ohne die Erlaubnis ihres Ehemannes arbeiten zu gehen. Der Mann hatte das Recht, den Arbeitsvertrag seiner Frau ohne ihre Einwilligung zu kündigen. Erst 1977 wurden diese Regelungen abgeschafft.
Freiheit in lila Latzhose
Die Neue Frauenbewegung bekam Mitte der 70er ihr Erkennungszeichen. Ein unweiblicheres Kleidungsstück gibt es wohl kaum: Die Arbeitskleidung von Männern, vornehmlich Handwerkern. Eine unförmige Latzhose, die die Figur versteckt. Ein Statement in Lila. Böse Zungen sagten: "Lila schützt vor Schwangerschaft". Doch gerade diese Unweiblichkeit war ein Zeichen der Befreiung.
Alice Schwarzer: wortgewaltig, kämpferisch
1977 gründete Alice Schwarzer die erste feministische Frauenzeitschrift. Die EMMA war komplett glamourfrei und bot frauenpolitische Themen. Zur Empfängnisverhütung sollten sich Männer sterilisieren lassen und Frauen lernen, wie man verstopfte Abflüsse freimachte. Die erste Auflage von 200.000 war sofort vergriffen. Schwarzer ist bis heute eine höchst streitbare und auch umstrittene Person.
Unbeschreiblich weiblich!
Als Punk-Lady Nina Hagen 1978 ihr Debütalbum auf Deutschland losließ, überschlugen sich Kritik und Begeisterung gleichermaßen. Eine Frau an der Spitze einer Rockband? Gesellschaftskritische Texte, vulgäre Sprache? Eine, die in einer TV-Talkshow vor den Kameras masturbiert? Nina verkörperte die weibliche Freiheit und Freizügigkeit wie keine andere in Deutschland. Und wurde schnell zur Ikone.
#MeToo: eine neue Dimension
Die Frauenbewegung hat viel erreicht - dennoch ist die Geschlechtergleichheit noch nicht hergestellt. Immer noch verdienen Männer mehr Geld für die gleiche Arbeit. Immer noch nutzen Männer ihre Positionen zur Machtausübung. Im Oktober 2017 startete die #MeToo-Bewegung gegen Sexismus und Missbrauch. Frauen packen aus - und sind noch lange nicht fertig damit.