Von der Leyen überprüft Militäreinsatz im Irak
9. Februar 2018Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen ist zu einem Besuch in der irakischen Hauptstadt Bagdad eingetroffen. Die Ministerin will mit der irakischen Führung über den weiteren Kampf gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) sprechen. Für diesen Samstag sind unter anderem Treffen der CDU-Politikerin mit Präsident Fuad Massum und Premierminister Haider al-Abadi vorgesehen.
Die Bundeswehr lieferte über lange Zeit Waffen an die Kurden im Nordirak und bildet sie seit Januar 2015 auch im Kampf gegen den IS aus. 150 deutsche Soldaten sind noch in der kurdischen Provinzmetropole Erbil stationiert, um kurdische Peschmerga zu trainieren. Im Kampf gegen die Terrormiliz unterstützt Deutschland zudem von Jordanien aus Luftangriffe gegen IS-Stellungen in Syrien und im Irak mit Aufklärungsflugzeugen vom Typ Tornado. Die Mandate der Bundeswehr-Einsätze in Syrien und im Irak laufen jedoch in einigen Wochen aus. Die Zukunft der Einsätze ist unklar. Nach jahrelangen schweren Kämpfen hatte die irakische Regierung im Dezember den Sieg über den IS verkündet. Die Islamisten sind in der Fläche geschlagen, verüben aber weiterhin Anschläge.
Union und SPD werten die Ausbildungsmission als Erfolg und haben im Koalitionsvertrag vereinbart, das Mandat Ende April in seiner jetzigen Form auslaufen zu lassen. Zugleich soll die Anti-IS-Mission verändert und in einen Einsatz zur langfristigen Stabilisierung für den Irak umgebaut werden. Die Bundeswehr will aber weiterhin einen Beitrag zur Stabilisierung des Irak leisten. Wie das weitere militärische Engagement im Irak aussehen soll, ist unklar. Im Koalitionsvertrag ist von "Capacity Building" die Rede. Der englische Begriff steht gewöhnlich für die Befähigung einheimischer Sicherheitskräfte durch Ausbildung, Beratung, finanzielle und materielle Unterstützung. Bereits auf ihrer letzten Einsatzreise nach Jordanien hatte von der Leyen die Truppe auf einen langen Kampf gegen den Islamismus und auf eine dauerhafte Präsenz im Nahen Osten eingeschworen.
USA machen Druck
Die USA drängen die NATO-Partner seit einiger Zeit, sich an einem langfristigen Ausbildungs- und Beratungseinsatz im Irak zu beteiligen. US-Verteidigungsminister Jim Mattis forderte die Verbündeten in einem Schreiben im Januar nach Angaben aus Diplomatenkreisen auf, eine solche Mission einzurichten. Bisher hat die NATO weniger als 20 Ausbilder im Irak im Einsatz. Das Thema wird auch beim Nato-Verteidigungsministertreffen nächste Woche in Brüssel eine Rolle spielen, an dem auch von der Leyen teilnimmt.
Mattis ging in seinem Schreiben nicht ins Detail, wie er sich einen Nato-Einsatz im Irak vorstellt. Er schlug aber nach Angaben von Diplomaten die Einrichtung von Militärschulen vor. Außerdem habe er sich dafür eingesetzt, die irakischen Sicherheitskräfte im Entschärfen von Bomben, der Wartung von Fahrzeugen und in Sanitätskenntnissen auszubilden. "Den USA geht es nicht um einen Kampfeinsatz im Irak, sondern um ein langfristiges Engagement", sagte ein Diplomat. "Das schaut verdächtig nach einem weiteren Afghanistan aus. Wenige Verbündete haben darauf Appetit." Der irakische Ministerpräsident al-Abadi befürwortet nach Angaben aus Diplomatenkreisen eine NATO-Mission. Die USA haben momentan noch mehr als 5000 Soldaten im Irak.
Schwere Vorwürfe gegen Peschmerga
Nur Stunden vor der Ankunft von der Leyens in Bagdad erhob die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) schwere Vorwürfe gegen die kurdischen Sicherheitskräfte im Nordirak. Konkret geht es um außergerichtliche Hinrichtungen hunderter Kämpfer der Dschihadistenmiliz IS. Die kurdischen Polizeikräfte Assajesch hätten im Juli und August 2017 "eine Woche lang jede Nacht" nahe der Ortschaft Sumar gefangene IS-Mitglieder getötet, erklärte die stellvertretende HRW-Direktorin für den Nahen Osten, Lama Fakih.
Womöglich seien so mehrere hundert männliche Gefangene erschossen worden, erklärte sie. Demnach wurden die Leichen in einem Massengrab verscharrt. HRW stützt sich auf die Aussagen eines früheren Mitglieds der kurdischen Sicherheitskräfte und von sechs Anwohnern. Die Organisation forderte umgehend "transparente Ermittlungen".
Ein Vertreter der kurdischen Autonomieregion widersprach dieser Darstellung. Dindar Sebari sagte gegenüber HRW, Peschmerga und Assajesch hätten in der Region gegen eine IS-Gruppe gekämpft, die nach Syrien zu entkommen versuchte. Vermutlich seien die dabei getöteten IS-Aktivisten an einen Ort gebracht und dort begraben worden, sagte der Koordinator der Autonomieregierung für Außenbeziehungen. Allerdings liegt das Massengrab laut HRW 40 Kilometer vom Ort der Gefechte entfernt. Zudem sei damit nicht erklärt, warum die Leichen laut den Augenzeugen alle mit einer Kugel im Kopf gefunden wurden.
kle/ust (rtr, afp, dpa)