Hehlerware, Trophykunst und Diebe mit der Axt
26. November 2019Vielleicht brauchten die Diebe von Dresden noch ein extravagantes Weihnachtsgeschenk. Oder sie zogen los im Auftrag eines Gentlemans, der zu Weihnachten noch jemanden so richtig beeindrucken wollte? Oder ging es um die einzelnen glitzernden Steine? Oder um eine großangelegte Erpressungsaktion?
Alles das gab es schon einmal, auf dem weiten Feld des Kunstraubs. "Aber die Vorstellung vom Connaisseur, der sich am Objekt erfreuen will, das gibt es doch eher im Hollywood-Film", sagt Diandra Donecker vom Auktionshaus Grisebach in Berlin. Mit dem Bild vom Gentleman-Dieb hätten die Räuber von Dresden, die mit Axt in der Hand zugange waren, ja ganz offenbar nicht so viel gemein. "Diese Gruppe, das sind wahrscheinlich eher Kriminelle, die sonst mit Geldwäsche und Waffenhandel zu tun haben", sagte Donecker der DW.
"Man kann sich eigentlich nur wünschen, dass die Direktorin des Museums einen Anruf bekommt und die Diebe ihr das wieder anbieten, was sie gestohlen haben." Kunst wird zur Geisel, und es geht dann um eine Art Lösegeld. "Das wäre noch der beste Ausgang für diese furchtbare Geschichte", so Donecker.
2500 Kunstwerke
Diese Art von "Kunst-Markt" jedenfalls, wenn man ihn so nennen will, ist gigantisch. Allein in Deutschland, Österreich und der Schweiz werden pro Jahr 2500 Kunstwerke gestohlen, weiß der Versicherungsmakler Nikolaus Barta zu berichten. Er ist auf Kunstversicherungen spezialisiert und sagte der Süddeutschen Zeitung: "Wir schätzen, dass die jährliche Schadenssumme sechs bis acht Milliarden Euro weltweit beträgt."
Nun ist "Schadenssumme" nicht gleich Wert, den ein Dieb einlösen könnte. Wertvoll ist Kunst ja erst dann wirklich, wenn sie auch bekannt ist. Und bekannte Kunst kann man nicht einfach verkaufen.
Auch der Wert der jetzt in Dresden verschwundenen Preziosen lässt sich kaum realistisch abschätzen. Ein Werk mag einzigartig sein und alt und wunderschön - dafür könnte man auf einer Kunstauktion, so denn alles legal abliefe, vielleicht 100 Millionen Euro einlösen. Der reine Materialwert, und da geht es naturgemäß nur um Goldschmuck und Juwelen und nicht etwa um Ölbilder, der liegt hingegen im Hehlermilieu für solch ein Werk vielleicht bei zehn Millionen oder weniger.
"Das Schlimmste, was passieren kann..."
"Das ist auch für den Dresdener Fall das Schlimmste, was passieren kann: Das Gold wird eingeschmolzen, die Edelsteine werden rausgenommen", so Kunstmarkt-Expertin Donecker, "und wir alle sehen das Werk nie mehr wieder."
Aber auch an die Einnahmen aus solcherart von Verwertung muss der Dieb erst einmal kommen. Handelt es sich um Edelsteine, wird der Wert gemindert, wenn sie umgeschliffen werden, um dank des speziellen Schliffs früherer Zeiten nicht mehr erkennbar zu sein. Und auch dafür braucht es Spezialisten. Die sitzen in Europa vor allem in Holland. Hehler dürften sich allerdings auf dem weltweit wichtigsten Antwerpener Markt auch nicht sicher fühlen: Die Händler haben einen direkten Draht zur belgischen Polizei, das Diamantenviertel wird mit 2000 Kameras beobachtet, heißt es.
Einfacher ist es bei Stücken aus Gold - das kann man verhältnismäßig einfach einschmelzen. Dann aber ist das einzigartige Kunstwerk ein für alle Mal weg. So geschehen bei dem spektakulären Raub der zwei Zentner schweren Goldmünze "Big Maple Leaf" im Berliner Bodemuseum vor zwei Jahren. Als die Täter gefasst wurden, gab's die Münze bereits nicht mehr - eingeschmolzen.
Trophy-Kunst
"In der Organisierten Kriminalität", weiß das Handelsblatt über Alternativen zum worst case zu berichten, "ist Trophy-Kunst als Sicherheit oder Tauschmittel populär". Vielleicht so ähnlich wie sündhafte teure Flaschen mit Bordeaux-Wein aus alten Jahrgängen, die im Safe landen und nicht auf dem Tisch, und dann als "Währung" von Safe zu Safe wandern.
Ein Ausweg für den vorschnellen Kunstdieb: die Versicherungen: "Sobald die Diebe merken, dass sie keinen Käufer finden, suchen sie nach Alternativen", berichtet der Kunstdetektiv Arthur Brand: "Sie erpressen dann zum Beispiel die Versicherung." Die seien, so Brand im Spiegel, dann aber verhältnismäßig einfach zu erwischen.
Allerdings kommen Versicherungen im Dresdener Fall womöglich gar nicht in Frage. Staatliche Museen schließen in der Regel keine Versicherungen für ihre Exponate ab; sie bauen auf die sogenannte Staatshaftung: Im Schadensfall muss die öffentliche Hand einspringen. Das Kunstwerk allerdings ist dann aber meist unwiederbringlich verloren.