Von Sponti keine Spur: Joschka wird 70
Linker Aktivist, Turnschuhträger, erster grüner Außenminister Deutschlands: Joschka Fischer hat viele Gesichter. Jetzt wird der einstige Schrecken aller Konservativen 70 Jahre alt.
Der revolutionäre Fischer
Joschka Fischer, eigentlich Joseph Martin Fischer, wurde 1948 als drittes Kind eines Metzgers geboren. Als junger Mann engagierte er sich in der Studentenbewegung und in der daraus hervorgegangenen linksmilitanten Gruppe "Revolutionärer Kampf". Fischer beteiligte sich an mehreren Straßenschlachten mit der Polizei. Er ist einer der beiden am Boden liegenden Demonstranten auf dem Bild.
"Mit Verlaub, Sie sind ein Arschloch"
Fischer trat den Grünen 1982 bei und wurde zum führenden Kopf, nachdem der Partei ein Jahr später der Einzug in den Bundestag gelang. Zum historischen Inventar gehört sein Zwischenruf 1984 an Bundestagspräsident Richard Stücklen: "Herr Präsident, mit Verlaub, Sie sind ein Arschloch." Dieser hatte zuvor den Abgeordneten Jürgen Reents ausgeschlossen. Das Foto zeigt Fischer kurz nach der Aktion.
Vereidigung in Turnschuhen
In Hessen wurde Fischer 1985 als erster grüner Umwelt- und Energieminister in der Bundesrepublik vereidigt. Sein Sponti-Auftritt in Jeans und Turnschuhen sorgte für Aufsehen und prägte den Begriff "Turnschuh-Minister". Sein Amt behielt Fischer jedoch nur zwei Jahre, weil die rot-grüne Regierungskoalition wegen des Streits um die Atomfabrik Nukem zerbrach.
Durch dick und dünn
Hämische Kommentare wegen seiner Figur musste Fischer immer wieder über sich ergehen lassen, denn dick und dünn wechselten sich bei ihm konsequent ab. Es blieb dabei nicht nur beim Abnehmen. Wenn schon, dann musste auch eine Marathon-Teilnahme herausspringen - garniert mit dem Buch "Mein langer Lauf zu mir selbst" von 1999. Im Moment ist Fischer wieder recht gut beieinander.
Umstrittene Einstellung zum Kosovo-Krieg
"Nie wieder Krieg, nie wieder Auschwitz, nie wieder Völkermord, nie wieder Faschismus." Nachdem er ein Jahr zuvor Außenminister geworden war, unterstützte Fischer mit dieser Begründung 1999 den NATO-Einsatz im Kosovo-Krieg. Dadurch waren erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg deutsche Soldaten an einem Krieg beteiligt. Seine Haltung brachte ihm bis hin zum Bewurf mit einem Farbbeutel viel Kritik ein.
Langjährige Weggefährten
Von 1998 bis 2005 war Joschka Fischer Außenminister und Vizekanzler in einer rot-grünen Koalition. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) kannte er schon lange vorher. Im Schulterschluss mit ihm zeigte Fischer den Amerikanern 2003 die kalte Schulter und lehnte eine Teilnahme Deutschlands am Feldzug gegen Iraks Diktator Saddam Hussein ab.
Private Koalitionen
Auch Fischers Privatleben verlief durchaus turbulent: Er ist bereits zum fünften Mal verheiratet. Edeltraud Fischer, Inge Peusquens, Claudia Bohm und Nicola Leske heißen seine Verflossenen. Die Ehe mit Filmproduzentin Minu Barati-Fischer (im Bild) hält seit 2005. Aus seiner zweiten Ehe hat Fischer zwei Kinder.
Den Absprung geschafft
Ein knappes Jahr nach der Niederlage von Rot-Grün 2005 legte der einstige Grünen-Frontmann sein Bundestagsmandat nieder und beendete so seine politische Karriere. Möglicherweise wollte er nicht so enden wie manche Vorgänger, über die er 1985 ätzte: "Es gibt doch eine ganze Latte politischer Halbleichen bis Leichen, die hier auf Kabinettsposten herummodern."
Aktiv im Alter
Auch nach dem Ausscheiden aus der Politik hielt Fischer die Füße nicht still. 2006 übernahm er unter anderem eine einjährige Gastprofessur für internationale Wirtschaftspolitik an der amerikanischen Princeton University. Außerdem ging er ins Beratergeschäft, hielt Vorträge und schrieb mehrere Bücher, wie hier im Bild sein jüngstes Werk "Der Abstieg des Westens".