Josef Stoffels' heile Welt der Steinkohle
22. Januar 2018Die "schönste Zeche des Ruhrgebiets" wird die Zeche Zollverein in Essen genannt, die seit 2001 zum Weltkulturerbe gehört. Mit einer Förderleistung von 23.000 Tonnen Rohkohle täglich war sie einst die leistungsstärkste Zeche der Welt. Heute kommen rund 1,5 Millionen Besucher jährlich, um die alte Industrieanlage zu besichtigen. Ein Vorzeigebeispiel für gelungenen Strukturwandel von der Bergbausiedlung zum Kulturzentrum mit Tagungsräumen, Künstlerateliers und Museen, darunter auch das Ruhr Museum, das wechselnde Ausstellungen zur Geschichte des Bergbaus zeigt.
Die "blühenden Kohlelandschaften"
Nicht alle Steinkohlezechen, die im Laufe der Jahre geschlossen wurden, blieben als Kulturdenkmäler erhalten. Wo die Zechen standen, wie die Industrieanlagen damals aussahen und wie die Menschen dort lebten, das hat der Industrie- und Dokumentar-Fotograf Josef Stoffels in Bildern festgehalten. Begeistert von der gigantischen monumentalen Architektur der Fördertürme und Maschinenhallen, hat er zwischen 1952 und 1959 nahezu alle 150 Steinkohlezechen im Ruhrgebiet fotografiert.
"Er wollte die Stärke der Stahl- und Kohleindustrie hervorheben und den technischen Fortschritt zeigen, den Reichtum, der durch die Kohle erreicht wurde", sagt Stefanie Grebe, Kuratorin und Leiterin des Fotoarchivs im Ruhr Museum Essen. Sie hat mit ihrem Team 400 Aufnahmen für die Ausstellung "Josef Stoffels. Steinkohlenzechen" zusammengestellt, die ab dem 22. Januar in der Kohlenwäscherei der Zeche Zollverein zu sehen ist.
Vom Hobbyfotografen zum Profi
1893 wurde Josef Stoffels in Essen geboren. Der leidenschaftliche Hobbyfotograf war eigentlich Polsterer. Während des Zweiten Weltkriegs arbeitete er als Fotograf beim Stahlriesen Krupp. Nach dem Krieg absolvierte er seine Meisterprüfung. Den gesamten Nachlass von 40.000 Bildern, darunter Abzüge, Negative und Diapositive, hat das Ruhr Museum in Essen nach seinem Tod 1981 erworben.
In der Hochphase der Kohleindustrie schwebte Stoffels eine große Dokumentation in Form eines Bildbandes vor. "Er hat sich überlegt, alles über und unter Tage zu fotografieren und das in Farbe. Die Zechen, das Leben und die Arbeit der Bergleute", erzählt Stefanie Grebe. Farbfotos für Dokumentationszwecke zu verwenden war in den 1950er Jahren unüblich. Stoffels wollte durch die Farben die Modernität und Leistungskraft der Anlagen hervorheben. Die Industrieunternehmen fanden zunächst Gefallen an dieser Idee und kamen ihm bei seinem Vorhaben entgegen.
Stoffels fotografierte grasende Kühe vor Industrieanlagen, durfte Maschinen und Gebäudeteile ablichten und holte strahlende Bergarbeiter mit rußverschmierten Gesichtern vor die Kamera. Die Wirtschaft boomte Anfang der 50er Jahre, nicht zuletzt dank der Kohle- und Stahlindustrie. Doch Farbfotos waren damals noch teuer und letztendlich scheiterte Stoffels' großes Vorhaben am Geld.
Der Anfang vom Ende der Kohleindustrie
Immerhin konnte Josef Stoffels 1959 den Schwarz-Weiß Fotoband "Steinkohlezechen" veröffentlichen, der ihn als Zechenfotografen bekannt machte. Darin ging es allerdings allein um die Anlagen über Tage. Eine Publikation für die Bergbauindustrie in einer Zeit, als die Kohleindustrie bereits zu bröckeln begann. "Selbst als sich die Kohlekrise 1957/58 anbahnte, hat er noch Hoffnung geschöpft und mit guten Gefühlen an seinem Buch gearbeitet", erläutert Stefanie Grebe im Gespräch mit der DW. "Im Vorwort seines Buches ist noch die Rede vom ungebrochenen Leistungswillen der Arbeiter und Unternehmer."
Bereits im Juni 1956 war die Preisbindung für Kohle aufgehoben worden, das öffnete den Markt für billigere Kohle aus dem Ausland. 1958 gab es keine Einfuhrzölle mehr, die Globalisierung schritt voran. Erdgas, Öl und Atomstrom machten der Kohle Konkurrenz, Zechen wurden zusammengelegt oder geschlossen. 1958 wurde die erste "Feierschicht verfahren", das hieß für die Bergleute Kurzarbeit. Knapp zwanzig Jahre später war die Zahl der Zechen bereits von über 100 auf 28 gesunken.
Die letzten Steinkohlezechen werden geschlossen
In diesem Jahr, im Dezember 2018, ist sprichwörtlich "Schicht im Schacht". Dann werden die letzten beiden deutschen Steinkohlezechen Prosper-Haniel in Bottrop und Ibbenbüren im Münsterland geschlossen. Aus Anlass des Ausstiegs aus der Steinkohle hat Stefanie Grebe mit ihrem Team den gesamten Nachlass von Josef Stoffels noch einmal gesichtet. Das Ruhr Museum macht den Auftakt zu einer ganzen Reihe geplanter Ausstellungen zum Thema Kohleausstieg.
Grebe hat im Archiv noch viele Schätze gehoben, die erstmals zu sehen sind. "Gerade bei den ganzen Farbdias, die Stoffels gemacht hat, da war vieles noch unberührt in den Kartons", erzählt sie. Bei der Auswahl der Bilder ging es ihr nicht nur um die Dokumentation der Zechenanlagen. "Wir wiederholen nicht das Buch, sondern orientieren uns an dem großen ursprünglichen Projekt Anfang der 50er Jahre, wo der gesamte Bergbau über und unter Tage zu sehen ist."
Darunter sind Bilder aus den Wohnsiedlungen der Arbeiter, aber auch aus den Fürsorgeeinrichtungen der Industrie wie Kindergärten und Wohnheime für Bergleute. Darüber hinaus gibt es Landschaftsaufnahmen der 30er Jahre, die Stoffels im Auftrag der NS-Regierung für ein Heimatmuseum machte. Auch die Kriegszerstörungen seiner Heimatstadt Essen hat er dokumentiert. Nach dem Krieg arbeitete er eine Zeit lang für die britische Regierung. "Da gibt es Bilder aus informellen Veranstaltungen, da war er richtig Partyfotograf für die Alliierten, die dort stationiert waren", weiß Grebe.
Fotos einer heilen Kohlewelt
Wer die Bergbaufotos sieht, merkt schnell: Negative Eindrücke hat Josef Stoffels nicht abgebildet. "Er war sehr begeistert von der Industrieanlage. Er hatte eher den Blick der Besitzer und der Auftragsgeber", sagt Stefanie Grebe. "Er hat auch keine Grubenunglücke fotografiert wie andere. Er wollte die Stärke der Stahl- und Kohleindustrie hervorheben."
Auch den Niedergang der Kohle hat er nicht mehr dokumentiert, obwohl er ihn bis zu seinem Tod 1981 durchaus miterlebte. 1978 hat er noch einmal Neuabzüge seiner alten Zechenbilder in Schwarz-Weiß gemacht und ausgestellt. Damals wie heute waren seine Fotos aus einem anderen Grund sehenswert: "Er hat etwas dokumentiert, was es gar nicht mehr gibt und was dadurch wieder interessant wird", erklärt Kuratorin Stefanie Grebe.
Was von der Kohle bleibt
Löchrige Böden aufgrund maroder Stollen unter Tage, die Häuser und Garagen auch heute noch zum Einsturz bringen, Schädigung der Atemwege durch den ständigen giftigen Kohlestaub, Umweltverschmutzung und Raubbau an der Natur, Arbeitslosigkeit und Armut - all das hat Stoffels weder dokumentiert noch in Briefen oder Schriften erwähnt.
Tiefere Einblicke in die 200-jährige Geschichte des Bergbaus mit all seinen positiven und negativen Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft zeigt die Zeche Zollverein dann ab dem 27. April in ihrer großen Ausstellung "Das Zeitalter der Kohle. Eine europäische Geschichte".