Vorbild Thailand für Myanmars Generäle
26. Februar 2021Auf den Straßen Myanmars gehen die Proteste gegen die Machtübernahme durch die Armee unvermindert weiter, auch wenn die Sicherheitskräfte inzwischen neben Blendgranaten und Gummigeschossen auch scharfe Munition gegen die Demonstranten einsetzen. Rund 20 Tote und hunderte Verletzte zählen die Vereinten Nationen inzwischen.
Doch das Militär scheint offenbar fest entschlossen, den Plan umzusetzen, den Armeechef General Min Aung Hlaing in seiner ersten und bislang einzigen Ansprache unmittelbar nach dem Putsch vorgestellt hatte. "Wir werden eine echte und disziplinierte Mehrparteien-Demokratie errichten", so umriss der 64-jährige Befehlshaber seinen Fahrplan zur Rückkehr zu einer Zivilregierung. Nach einem Jahr des Ausnahmezustands solle es Neuwahlen geben.
Projekt Neuwahlen
Um das Vorhaben juristisch zu unterfüttern, erklärte der von der Militärjunta eingesetzte neue Chef der Wahlkommission jetzt das Ergebnis der Parlamentswahl vom November für ungültig. Damals hatte die "Union Solidarity and Development Party" (USDP), das politische Vehikel der Militärs, lediglich sieben Prozent der Sitze erhalten, während Aung San Suu Kyi's "Nationale Liga für Demokratie" (NLD) erdrutschartige 83 Prozent gewann. Ein Viertel der Parlamentssitze sind dem Militär per Verfassung sowieso garantiert. Somit müsste die Junta-Partei USDP lediglich 25 Prozent der Sitze für den "demokratischen" Machterhalt bei neuerlichen Wahlen erkämpfen. Bei einer Koalition mit Kleinparteien reichen noch weniger aus.
Was dem Militär diesen Weg erleichtern könnte, umriss vor kurzem der ehemalige australische Botschafter in Myanmar, Nicholas Coppel: Er rechne nicht mit einer neuerlichen Wahlteilnahme der angeklagten NLD-Führungsriege um Aung San Suu Kyi. "Die kompromittierten Gerichte werden sie für schuldig erklären, was sie daran hindern wird, bei künftigen Wahlen anzutreten." Außerdem würde Suu Kyi Neuwahlen mit hoher Wahrscheinlichkeit boykottieren, glaubt Coppel: "Mit Recht wird sie argumentieren, dass die NLD die rechtmäßig gewählte Regierung ist und weiter amtieren darf", schreibt Coppel in einem Meinungsstück für die japanische Wirtschaftszeitung "Nikkei".
Zwei kompatible Offiziere
Bei seinen Planungen steht Myanmars Militär gutes Anschauungsmaterial aus dem benachbarten Thailand zur Verfügung. Dort hat sich die Militärjunta nach dem Staatsstreich von 2014 mit Verfassungs- und Regeländerungen einen Anstrich demokratischer Legitimität verpasst und stellt seit 2019 die Zivilregierung.
Myanmars Machthaber Min Aung Hlaing und Thailands Premierminister und Armeechef a.D. Prayut Chan-o-cha haben vieles gemein. Beide haben dieselbe politische Leitfigur zum Vorbild, den thailändischen General und Ministerpräsidenten der 80er Jahre, Prem Tinsulanonda. Der hatte seinen Bewunderer Min Aung Hlaing sogar als Patensohn "adoptiert". Beide wurden vor rund einem Jahrzehnt zum Armeechef ernannt. Und beide erreichten das Spitzenamt durch die Unterdrückung politischer Gegner. Min Aung Hlaing machte sich 2009 einen Namen als Rebellenjäger, nachdem er eine brutale Offensive gegen die Aufstandsgruppe "Myanmar National Democratic Alliance Army” im nördlichen Shan-Staat befohlen hatte. 37.000 ethnische Kokang mussten darauf in die chinesische Grenzregion Yunnan flüchten.
Im selben Jahr festigte in Thailand der frisch gekürte Vize-Armeechef Prayut Chan-o-cha seinen Ruf als Hardliner im Zuge der politischen Unruhen 2009/10. Viele sahen den aufbrausenden General als treibende Kraft hinter dem harten Vorgehen der Staatsmacht gegen die oppositionellen Rothemden, die sich gegen Thailands royalistische Elite auflehnten. Prayut beendete das dunkle Kapitel mit einer Beförderung zum Armeechef und stürzte drei Jahre später die gewählte Regierung von Yingluk Shinawatra. Unter den ersten Gratulanten war auch Min Aung Hlaing: "Sie haben das Richtige getan", schwärmte der birmanische Armeechef.
In Thailand erprobte Methoden
Gegenwärtig auf der Suche nach Verbündeten klopft Min Aung Hlaing wenig überraschend als erstes bei seinen "Brüdern" im Nachbarland an. Sechs Seiten lang war der persönliche Brief an den thailändischen Premierminister, in dem er Prayut Chan-o-cha Mitte Februar um "physische und geistige" Unterstützung bat in seinem Vorhaben zur Zementierung seines "demokratischen Prozesses" in Myanmar. Ganz nach traditioneller "Bunkhun"-Manier, der im thailändischen Militär verankerten Dankbarkeitspflicht, versichert Chan-o-cha den "demokratischen Prozess" seines Pendants zu unterstützen.
Genau wie jetzt die Tatmadaw, so der offizielle Name des Militärs in Myanmar, versprachen Thailands Putschisten nach ihrer Machtübernahme 2014 rasche Neuwahlen. Und ebenso wie die Generäle in Myanmar strebten auch sie Gerichtsverfahren gegen Aktivisten und Armeekritiker an. Und genau wie die Junta in Myanmar vergangene Woche verschärfte die thailändische Militärregierung das Computerkriminalitätsgesetz, um Regimekritiker zu orten und unter Strafe zu stellen.
Modus Operandi zur Scheindemokratie
Den entscheidenden Schlüssel zur späteren Scheindemokratie fanden die thailändischen Generäle aber in der handverlesenen Wahlkommission, die etliche Oppositionspolitiker vor Gericht zerrte und den Wahlausgang 2019 durch eine komplizierte Berechnungsformel beeinflusste. Die angewandte Sitzverteilung, die notabene erst nach der Wahl gerichtlich bestätigt wurde, entzog Großparteien "überschüssige" Parlamentssitze und verteilte sie an Kleinstparteien. Infolgedessen war es im Mai 2019 die militärnahe Partei "Phalang Pracharat", die durch eine 19-Parteien-Koalition eine hauchdünne Regierungsmehrheit für die Militärs sicherstellte. In seiner Rede nach dem Militärputsch kündigte Min Aung Hlaing an, für den geplanten Urnengang eine "reformierte Wahlbehörde" einzusetzen.