VW schmiedet wieder Zukunftspläne
14. September 2016Der kriselnde Volkswagen-Konzern will seinen Zukunftspakt für die grundlegende Neuaufstellung der renditeschwachen Kernmarke VW bis Ende Oktober über einen neuen Tarifvertrag regeln. Das kündigte VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh am Mittwoch bei einer nicht öffentlichen Betriebsversammlung im Stammwerk in Wolfsburg an. Damit ist erstmals klar, dass die Regelung eine Rechtssicherheit mit tarifvertraglichem Status haben soll.
Einen Sanierungstarifvertrag gab es zuletzt 2006. Mit ihm erhielten die Mitarbeiter damals im Gegenzug für Einbußen Jobsicherheit. Beim anstehenden Zukunftspakt geht es dagegen diesmal nicht um Einschnitte beim Einkommen oder um Mehrarbeit, allerdings durchaus auch um Hebel für eine Reduzierung der Belegschaftsgröße. Osterloh sagte laut einer Mitteilung: "Die Jobs der Stammbelegschaft bleiben sicher. In den nächsten vier bis sechs Wochen werden wir auf die Zielgerade kommen, um einen Zukunftstarifvertrag mit Volkswagen zu schließen."
Elektrisch in die Zukunft
Mit dem Zukunftspakt wollen der Betriebsrat und das Unternehmen die nötigen Reformen für die lange gewinnschwache Kernmarke VW-Pkw mit Sicherheiten für die Belegschaft unter einen Hut bringen. Dabei geht es um die Aufgaben der Standorte, etwa im VW-Motorenwerk Salzgitter, das wegen der Elektromobilität absehbar Arbeit verliert.
Generell soll geklärt werden, wie die Standorte auf Branchentrends wie Digitalisierung und alternative Antriebe reagieren. Dabei geht es um Produkte, Stückzahlen, Investitionen und die Belegschaftsstärke. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur kündigte das VW-Management zudem an, bis 2020 allein in der Kernmarke 20 neue Elektrofahrzeuge an den Start zu bringen. Zwei Modelle davon sollen an das VW-Fertigungsdrehkreuz Wolfsburg, Zwickau und Emden gehen. Details zu den Modellkategorien wurden nicht bekannt. Klar ist damit aber, dass von der E-Offensive auch deutsche Werke profitieren.
Die Arbeit selbst wird sich verändern
Volkswagen-Personalvorstand Karlheinz Blessing warnte laut Mitteilung vor einem steinigen Weg: "Wir haben ein hartes Fitnessprogramm vor uns. Qualifizierung, neue Aufgaben, neue Arbeitsweisen - alles das kommt auf uns zu. Auch Personalreduzierung beispielsweise durch Altersteilzeit gehört dazu. Wir werden das gemeinsam packen. Der Zukunftspakt stellt die ersten Weichen dafür."
Auch mit Blick auf die Produktion kursieren in Unternehmenskreisen inzwischen fünfstellige Zahlen zum möglichen Stellenabbau. Jedoch greift derzeit eine Beschäftigungssicherung, die zwar Stellenabbau etwa über Altersteilzeit und Zurückhaltung bei Neueinstellungen erlaubt, nicht aber betriebsbedingte Kündigungen.
Der Zukunftspakt dürfte auch regeln, was mit Mitarbeitern passiert, deren Jobs in Zukunft an Bedeutung verlieren, etwa im Verbrennungsmotorenbau: Jüngere könnten umgeschult werden, Ältere in Altersteilzeit gehen. Bei VW sind mehr als 200.000 Mitarbeiter in gut 30 Werken weltweit beschäftigt.
Die Konkurrenz holt auf
Die geringe Profitabilität der Kernmarke gilt als eine Achillesferse der Zwölf-Marken-Konzerns, der mit den milliardenschweren Folgen des Diesel-Skandals zu kämpfen hat. Im zweiten Quartal hatte sich die Rendite von fast Null auf 2,9 Prozent vom Umsatz erholt. Die französischen Konkurrenten Peugeot und Renault schneiden hier doppelt so gut ab.
Der Sanierungsexperte Herbert Diess, seit gut einem Jahr an der Spitze des Markenvorstands, will VW auf Vordermann bringen. Im Frühjahr waren Diess und Osterloh darüber hart aneinander geraten. Seither rauften sich Management und Betriebsrat zusammen und diskutierten in Arbeitsgruppen über die Neuausrichtung.
Nur kein neues Dieselgate
Um Fehler, wie sie zum Dieselabgasskandal führten, künftig zu vermeiden, startet das Werk Wolfsburg als Pilotprojekt eine Kampagne zu mehr Integrität der Belegschaft. VW-Rechtschefin Christine Hohmann-Dennhardt wurde nach Ausbruch der Affäre von Daimler geholt, um die Unternehmenskultur hin zu mehr Ehrlichkeit und offener Kritik mit umzukrempeln.
Im Interview mit dem Magazin "Capital" erklärte Hohmann-Dennhardt, sie wolle das Whistleblower-System erneuern, über das Mitarbeiter Fehlverhalten von Kollegen melden können.
dk/wen (dpa/rtr)