Strom aus der Wüste
3. November 2011DW-WORLD: Was sind die größten Herausforderungen, vor denen die deutsche Industrie-Initiative Desertec - kurz Dii - steht?
Paul van Son: Das ist die Finanzierung. Die Kosten von solarthermischen Anlagen und generell von Solaranlagen sind noch relativ hoch und daher ist es wichtig, dass die Regierungen solche Projekte unterstützen. Diese Unterstützung kann am Anfang nur aus Europa kommen, später auch aus anderen Ländern.
DW-WORLD: Wie ist denn der Stand der Dinge, wurde schon eine Zahlungsbereitschaft signalisiert?
Paul van Son: In Europa nimmt Deutschland ganz deutlich die Führung ein, wenn es darum geht, wie beispielsweise in Nordafrika die ersten Projekte auf die Beine gestellt werden können. Aber wir hoffen und sehen, dass auch andere Länder mitziehen und wir erfahren auch Unterstützung von der Europäischen Kommission. Bislang ist zwar noch kein Geld geflossen, aber die Gespräche verlaufen gut. Wir sehen, dass es immer konkreter wird und wir Anfang nächsten Jahres ein machbares Projekt haben.
DW-WORLD: Wie wird denn die Finanzierung bei diesem ersten Referenzprojekt in Marokko aussehen?
Paul van Son: Das ist jetzt noch nicht bekannt, weil es da viele Möglichkeiten gibt. Es hängt sehr davon ab, welche Möglichkeiten das beteiligte Land hat. Projekte könnten beispielsweise in Form von Anschubfinanzierungen oder Garantien gefördert werden und /oder über die Abnahmeseite, beispielsweise indem Kilowattstunden auf bestimmte Weise vergütet werden. Wahrscheinlich wird es eine Mischung von beiden werden und wie die genau aussieht, wird zurzeit noch besprochen.
DW-WORLD: Langfristig betont Dii, sollen die Projekte nicht von Subventionen abhängen - wie ist die Bereitschaft aus der Wirtschaft, sich finanziell an Desertec-Projekten zu beteiligen?
Paul van Son: Wir haben unsere eigenen Unternehmen, unsere Gesellschafter gefragt, ob sie mitfinanzieren, wenn es einen machbaren Businesscase gibt und wenn die Aussichten gut sind. Und da haben genügend Unternehmen ja gesagt. Also, Kapital aus dem privaten Bereich wird schon kommen.
DW-WORLD: Zu ihren Gesellschaftern gehören Unternehmen wie Eon und RWE, die eigentlich in Konkurrenz zueinander stehen. Kommt es da nicht zu Konflikten?
Paul van Son: Alle Unternehmen der Dii unterscheiden, wenn sie gefragt werden mitzuinvestieren, dass es eine Sache ist, gemeinsame Aktionen zu machen und als Joint Venture etwas zusammen aufzubauen. Was dann später im Markt passiert, ist dann eine komplett andere Sache, die kennen wir nicht und das ist auch nicht unsere Sache. Wir sind Wegbereiter für Projekte und Infrastruktur, für den Markt und danach soll im Markt Wettbewerb stattfinden.
DW-WORLD: Wie hat sich der arabische Frühling auf die Desertec-Vision ausgewirkt?
Paul van Son: Der arabische Frühling hat viele Aspekte. Einerseits ist es so, dass die Bevölkerung sich mehr in Richtung erneuerbare Energien öffnet, weil das Arbeitsplätze schaffen kann und eine gute Entwicklung für die Zukunft ist. Es wird mehr darüber gesprochen, es wird sowieso mehr kommuniziert. Andererseits ist es natürlich so, dass dieser Umbruch Zeit kostet. Man ist mit vielen Themen beschäftigt. Es ist noch nicht so, dass es für uns irgendwelche negativen Auswirkungen hat , aber es ist etwas, das wir berücksichtigen müssen.
DW-WORLD: Wenn in der Wüste gewonnene Solarenergie so viel Potential hat und man für die Versorgung der Menschen einen relativ geringen Anteil an Fläche bräuchte, warum plant Desertec bis 2050 nur rund 15 Prozent des in Europa gebrauchten Stroms aus den nordafrikanischen Wüsten zu beziehen?
Paul van Son: Ich glaube, dass wir realistisch sein müssen. Es gibt natürlich viele Begrenzungen. Es wird eine ganze Zeit dauern, bis diese Technologien, Solar, Wind usw., also das, was man in der Wüste erzeugen kann, auf ein wettbewerbsfähiges Kostenniveau gebracht werden kann. Das wird 15 bis 20 Jahre dauern. Und danach, erwarten wir, dass diese Entwicklung aufgrund der Wettbewerbsfähigkeit schneller geht.
Aber dennoch, um dann zu sagen, dass viele hundert Millionen Menschen auf einen Schlag beliefert werden können, das geht mir zu weit, das wäre eher ein Jahrhundert-Projekt. Und man sollte sich auch die Frage stellen, ob das das richtige Denken ist. Es geht in der Energieversorgung darum, dass alle Quellen richtig eingesetzt werden, nicht nur Strom aus Wüsten. Die verschiedenen Möglichkeiten, Strom aus erneuerbaren Energien zu erzeugen, stehen langfristig im Wettbewerb zueinander. Und sie müssen sich beweisen. Und das was am besten ist, wird sich am schnellsten durchsetzen können.
DW-WORLD: Welche Entwicklung würden sie sich von Europa wünschen?
Paul van Son: Ich glaube, dass es ganz wichtig für Europa ist, dass die guten Impulse, die Deutschland gesetzt hat, z.B. die Energiewende, dass das mehr und mehr europaweit ausgetragen wird, koordiniert wird, harmonisiert wird, das ein europäischer Markt entsteht für erneuerbare Energien wie für normalen Strom. Das gleiche gilt für die Marktgebiete, die angeschlossen werden sollen, also für die Märkte in Nordafrika, dem Nahen Osten und Osteuropa. So kann sich der Energiemix verbessern.
DW-WORLD: Bei den Desertec-Projekten scheint es im Augenblick so zu sein, dass die Idee aus Deutschland kommt, die Technik, die Finanzierung und der Strom soll am Ende nach Deutschland fließen. Fühlt sich der arabische Raum da nicht etwas überrannt?
Paul van Son: Erstmal glaube ich, dass Deutschland gut unterwegs ist im Energiebereich und dafür weltweit sehr geschätzt wird. Aber es ist absolut nicht so, dass ein Monopol für Deutschland entsteht. Es gibt viele Länder, auch in unserem Gesellschafterkreis gibt es viele Nationalitäten. Und es ist nicht so, dass alles aus Deutschland kommen wird. Es wird in der Zukunft alles Teil eines weltweiten Marktes werden, so wie wir das bei allen Technologien sehen. Die arabischen Länder haben übrigens einen sehr großen Respekt vor Deutschland, weil es die Initiative ergreift und sie sehen auch, dass es eine internationale Initiative ist. Wir haben mittlerweile auch Gesellschafter aus Nordafrika und dem Nahen Osten.
Paul van Son ist Geschäftsführer der deutschen Industrie-Initiative Desertec - Dii, einer Initiative, die sich für die Realisierung von Stromerzeugung in den Wüsten Nordafrikas und des Nahen Ostens einsetzt. Ziel ist es, Rahmenbedingungen für die großflächige Nutzung von Sonnen- und Windenergie in den Wüsten zu schaffen, um so die Regionen selber mit erneuerbaren Energien zu versorgen und einen Teil des Wüstenstroms nach Europa zu exportieren. Bis 2050 sollen rund 15 Prozent des in Europa gebrauchten Stroms aus dem nordafrikanischen und arabischen Raum kommen. Dii wurde im Oktober 2009 als internationales Konsortium gegründet und wird inzwischen von mehr als 55 Unternehmen und Organisationen getragen.
Das Interview führte Insa Wrede
Redaktion: Monika Lohmüller