Wachsender Unmut gegen Bouteflika
1. März 2019In Algerien sind wieder zehntausende Menschen gegen die erneute Kandidatur von Präsident Abdelaziz Bouteflika auf die Straße gegangen. Die Polizei setzte an mehreren Stellen der Hauptstadt Algier Tränengas ein, um die Demonstranten auseinanderzutreiben. Dabei wurden mehrere Menschen verletzt. Am Platz der Märtyrer in der Innenstadt blockierten Sondereinsatzkräfte einen Demonstrationszug. Auch an anderen Orten der Stadt stellten sich Sicherheitskräfte den Demonstranten in den Weg.
Mit dem Einsatz von Tränengas wurden die Kundgebungsteilnehmer daran gehindert, den Sitz der Regierung zu erstürmen. Auch ein Demonstrationszug zum Präsidentenpalast wurde gestoppt. Dabei kam es zu Zusammenstößen.
Die Menschen waren nach dem Freitagsgebet zusammengekommen und riefen "Auf Wiedersehen, Bouteflika" und "friedlich, friedlich". Einige trugen Rosen bei sich. Die Sicherheitskräfte hatten sich seit dem Morgen auf Demonstrationen vorbereitet und wichtige Plätze sowie Regierungsgebäude umstellt.
Auch in anderen Teilen des nordafrikanischen Landes demonstrierten erneut Tausende gegen Bouteflika. So gab es in den Provinzen Tiaret und Setif, sowie in der Stadt Constantine Proteste. Im Internet war zu den Aktionen aufgerufen worden.
Der gesundheitlich angeschlagene Präsident Abdelaziz Bouteflika hatte vor rund zwei Wochen erklärt, abermals zu kandidieren. Seitdem gehen immer wieder Menschen auf die Straße. Der 81-Jährige ist seit 1999 Staatsoberhaupt. Seit einem Schlaganfall 2013 sitzt er im Rollstuhl und tritt öffentlich kaum mehr in Erscheinung.
Aus Furcht vor den allgegenwärtigen Geheimdiensten hatten sich die Menschen in Algerien mit öffentlichen Äußerungen zu politischen Themen bislang zurückgehalten. Viele sind desillusioniert, weil das Land, das ein wichtiger Gaslieferant für Europa ist, seit dem Unabhängigkeitskrieg gegen Frankreich 1954 bis 1962 von der gleichen Gruppe geführt wird. Die Opposition ist zersplittert und schwach.
Ministerpräsident Ahmed Ouyahia warnte am Donnerstag vor dem Parlament indirekt vor einem Bürgerkrieg. "Glückliche Demonstranten haben Polizisten Rosen geschenkt", stellte er fest. Zugleich führte er aus: "Aber erinnern wir uns gemeinsam daran, dass es in Syrien auch mit Rosen angefangen hat." Die blutige Niederschlagung friedlicher Proteste hatte Anfang 2011 zum Beginn des syrischen Bürgerkriegs geführt, in dem inzwischen bereits mehr als 360.000 Menschen getötet wurden.
Die Proteste gegen Bouteflikas erneute Kandidatur werden in den staatlichen Medien ebenso verschwiegen wie in den Privatsendern, die dem Regierungslager nahestehenden Unternehmern gehören. Journalisten des Staatsrundfunks berichteten, dass sie von ihren Vorgesetzten angewiesen worden seien, nicht über die Protestbewegung zu berichten.
uh/jj (dpa, rtr, afp)