Wachsender Widerstand in CSU gegen Seehofer
14. Juli 2018Es ist ein langjähriger Widersacher, der sich jetzt aus der Deckung wagt. Der frühere CSU-Vorsitzende Erwin Huber betonte mit Blick auf Horst Seehofers Aktionen in der Flüchtlingspolitik: "Sein Agieren verwundert und befremdet mittlerweile viele." Dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" sagte er: "Im Landtag ist bei der CSU die anfänglich volle inhaltliche Zustimmung zu Seehofers Asylpolitik einem Ratespiel gewichen."
Er werde von vielen gefragt, ob Seehofer die Landtagswahl im Oktober und damit den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) belasten wolle oder das billigend in Kauf nehme. Mit Blick auf Seehofers Tendenz, einsame Entscheidungen zu fällen, fügt Huber hinzu: "Man kann eine Volkspartei nicht vom Raumschiff aus steuern."
"Union der Mitte" als Gegenbewegung
Tatsächlich formiert sich nach Informationen des "Spiegel" an der CSU-Basis Widerstand gegen die Parteiführung. Die Initiative "Union der Mitte", die vor kurzem von liberalkonservativen CSU-Mitgliedern sowie Amts- und Mandatsträgern gemeinsam mit Gleichgesinnten aus der CDU gegründet wurde, hat demnach seit dem jüngsten heftigen Flüchtlingsstreit der Unionsparteien regen Zulauf. Die Vereinigung sei in den vergangenen drei Wochen auf rund 1200 Unterstützer angewachsen.
"Flüchtlinge sind keine Sündenböcke für Entwicklungen, die in unserer Gesellschaft schieflaufen", sagte Stephan Bloch, Gründer der Union der Mitte, dem "Spiegel". Der Münchner fordert von Seehofer eine Entschuldigung für dessen missglückten Scherz auf Kosten der 69 Menschen, die an seinem Geburtstag nach Afghanistan abgeschoben wurden. "Ich wünsche dem Parteivorsitzenden, dass er mit 69 Jahren den richtigen Moment für einen Rückzug von seinen Ämtern findet."
Fehltritt am Geburtstag
Seehofer hatte am Mittwoch bei der Vorstellung seines Masterplans Migration lächelnd gesagt: "Ausgerechnet an meinem 69. Geburtstag sind 69 – das war von mir nicht so bestellt – Personen nach Afghanistan zurückgeführt worden. Das liegt weit über dem, was bisher üblich war." Da wusste er noch nicht, dass sich ein abgeschobener Afghane, der 23-jährige J. N. Mahmodi, in Kabul gerade das Leben genommen hatte.
Um ihrem Ärger über die Flüchtlingspolitik Luft zu machen, solidarisieren sich dem Magazin zufolge auch örtliche Mandatsträger mit der "Union der Mitte". In einem Brandbrief schrieb demnach der Bürgermeister der bayerischen Gemeinde Hebertshausen, der CSU-Politiker Richard Reischl, seine Partei behandle "manche Menschen wie Dreck", um Stimmen am rechten Rand zu fischen. Darüber vernachlässige die CSU die echten Probleme des Landes, es gehe nur noch "um Wahlen, Machterhalt und Funktion".
CDU und CSU hatten sich zuletzt einen erbitterten Streit über die ultimative Forderung Seehofers geliefert, bestimmte Flüchtlinge in Grenznähe zurückzuschicken. Schließlich verständigte sich die Regierungskoalition darauf, nur jene Flüchtlinge ein Transferverfahren durchlaufen zu lassen, die bereits in einem anderen Land Asyl beantragt haben.
Absturz in der Wählergunst
Der erbitterte Streit um die Flüchtlingspolitik fällt Seehofer inzwischen auch in der Bevölkerung auf die Füße. In der Wählergunst ist der 69-Jährige abgestürzt: Nach dem jüngsten ZDF-"Politbarometer" rutschte er in der Rangfolge der zehn wichtigsten Politiker weiter ab und belegt mit einem Wert von minus 1,2 den letzten Platz. Ende Juni war er auf einer Skala von plus fünf bis minus fünf noch mit minus 0,3 bewertet worden. Der Wert für Bayerns Ministerpräsident und CSU-Kollege Markus Söder sank übrigens auf minus 0,9 (zuvor minus 0,5), womit er den vorletzten Platz belegt.
Sperrfeuer erhält Seehofer nun auch von juristischer Seite. Denn der genannte Masterplan Migration stößt auch bei Fachleuten auf Kritik. "Seehofer offenbart ein gebrochenes Verhältnis der CSU zum Recht", sagte der Präsident des Deutschen Anwaltvereins, Ulrich Schellenberg, dem "Spiegel". Schellenberg kritisierte vor allem einen Passus in Seehofers Plan, wonach zur "Optimierung asylgerichtlicher Verfahren" geprüft werden soll, wie sich abgelehnte Asylbewerber noch während ihrer laufenden Rechtsmittelverfahren abschieben lassen. "Damit fordert der Bundesinnenminister, Asylsuchenden den Weg zu einer gerichtlichen Überprüfung zu verwehren", sagte Schellenberg. Dies verstoße gegen den Grundsatz eines effektiven Rechtsschutzes für jeden.
Seehofer hatte seinen Masterplan am Dienstag vorgestellt. Das 23-seitige Papier enthält 63 Punkte, darunter Pläne für Einschränkungen von Sozialleistungen für Flüchtlinge und ein schärferes Vorgehen gegen Ausreisepflichtige, etwa durch Ausweitung der Abschiebehaft.
kle/jj (afp, rtr, dpa, epd, Der Spiegel)