Wachstumslokomotive Ostasien
7. Dezember 2010Die Konjunktur in Ostasien hat sich erstaunlich gut von den Folgen der Weltwirtschaftskrise erholt: Im laufenden Jahr 2010 kann die Region mit einem Wachstum von 8,8 Prozent rechnen, für das nächste Jahr rechnet die Asiatische Entwicklungsbank (ADB) noch einmal mit 7,3 Prozent. China, Hongkong, Südkorea, Taiwan und die zehn ASEAN-Länder ziehen damit die anderen Weltregionen mit. Den Bärenanteil an dieser positiven Entwicklung hat China, dessen Wirtschaft allein in diesem Jahr um 10,1 Prozent, im kommenden Jahr voraussichtlich noch einmal um 9,1 Prozent wachsen wird. Diese Zahlen gab die Asiatische Entwicklungsbank am Dienstag (07.12.2010) in Manila bekannt. Dass die Prognose für nächstes Jahr nicht mehr ganz so hoch ist wie für das laufende Jahr, begründet die ADB damit, dass 2011 viele staatliche Konjunkturpakete auslaufen, die während der Krise aufgelegt worden waren. Die Entwicklungsbank warnte jedoch gleichzeitig davor, dass die Schere zwischen den aufstrebenden Volkswirtschaften, die hohe Handelsüberschüsse erzielen, und den Entwicklungsländern mit hoher Schuldenlast weiter auseinandergehe. Die Bank forderte die Länder dazu auf, bei den Wechselkursen besser zusammenzuarbeiten. Nur so könnten regionaler Handel und Investitionen wachsen.
Plant China eine Zinserhöhung?
Doch das Wachstum in China könnte schon bald einen Dämpfer bekommen – und zwar einen staatlich verordneten. Medienberichten zufolge will die chinesische Zentralbank bereits am kommenden Wochenende (11./12.12.2010) die Zinsen erhöhen. Die Regierung fürchtet eine Überhitzung der stürmisch wachsenden Wirtschaft und nimmt deshalb konjunkturell den Fuß vom Gas. Bislang hatte die chinesische Führung geldpolitisch die Zügel eher locker in der Hand gehalten. Niedrige Zinsen und günstige Kredite sorgten jedoch dafür, dass in den vergangenen Jahren riesige Mengen Kapital insbesondere in den chinesischen Finanz- und Immobiliensektor geflossen sind. Allein die Wohnungspreise in den chinesischen Großstädten und in Hogkong sind in den vergangenen zwei Jahren um rund 50 Prozent gestiegen. Das hat immer mehr Spekulanten angelockt. Experten fürchten jedoch schon seit längerem ein Platzen der chinesischen Immobilienblase. Denn die chinesischen Finanzmärkte verzeichnen schon seit einiger Zeit Verluste. Investoren rechnen bereits mit kommenden höheren Zinsen und preisen diese schon jetzt ein.
Der amtlichen Nachrichtenagentur Xinhua zufolge wird die kommunistische Führung nicht nur die Zinsen erhöhen, sondern zugleich auch an ihrer vorausschauenden Haushaltspolitik festhalten. Dies gilt als Hinweis dafür, dass China weiter Investitionen steigern und gegen die Inflation vorgehen will – unter anderem durch ein weiteres Ankurbeln der Binnennachfrage. Wenn in der Folge mehr Importe ins Land kommen, könnte das Land auch seinen enormen Außenhandelsüberschuss abbauen. Das Ungleichgewicht zwischen Importen und Exporten der Volksrepublik ist dem Westen bereits seit langem ein Dorn im Auge.
Peking fühlt sich stark
Dass Peking sich überhaupt erlauben kann, in Zeiten des Aufschwungs auf die Wachstumsbremse zu treten, zeigt, wie sicher sich China im Gegensatz zu den konjunkturell schwächelnden USA und den mit der Schuldenkrise kämpfenden Europäern wirtschaftlich fühlt. "China muss sich derzeit überhaupt keine Sorgen über die Nachfrage machen", meint Ökonom Dong Xian'an von Industrial Securities in Peking. Die offizielle Bestätigung des geldpolitischen Kurswechsels durch die oberste Führung signalisiert Volkswirten zufolge ein entschlosseneres Vorgehen in der Zukunft. Von nun an könne verstärkt an der Zinsschraube gedreht werden, um die Preise anzupassen.
Experten rechnen bis Ende 2011 mit insgesamt fünf Zinsschritten. China hat 2010 bereits einmal die Zinsen angehoben, um die Geldpolitik nach der Finanzkrise auf ein normales Niveau zurückzubringen. Daraufhin waren die Verbraucherpreise im Oktober um 4,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen und dürften auch im November noch weiter zugelegt haben.
Autor: Thomas Latschan (ap, rtr)
Redaktion: Thomas Kohlmann