Waffenhilfe gegen Al-Kaida im Irak
28. Dezember 2013Als Nuri al-Maliki im November Washington besuchte, stieß das Anliegen des irakischen Premiers nicht überall auf Begeisterung. Maliki bat um militärische Unterstützung der USA im Kampf gegen Al-Kaida. Doch gleich mehrere demokratische und republikanische Senatoren waren dagegen. Die Senatoren machen Maliki für die Eskalation der Gewalt im Irak mitverantwortlich.
Die Obama-Regierung aber sah die Rolle des Premiers offenbar weniger kritisch. Wie die "New York Times" jetzt enthüllt hat, beliefern die USA den Irak mit Hellfire-Luft-Boden-Raketen. Rund 75 dieser Raketen sollen bereits im Irak angekommen sein. Nach Angaben von irakischen Militärs wurden sie bereits bei Operationen gegen Al-Kaida-Lager an der irakisch-syrischen Grenze eingesetzt. Erst vergangene Woche gab es an der Grenze ein Feuergefecht, bei dem Milizen, die Al-Kaida nahestehen, 24 Regierungssoldaten töteten. Dem Oppositionspolitiker Ahmed al-Alwani wird vorgeworfen, an dem Zwischenfall beteiligt gewesen zu sein. Bei seiner Verhaftung am Samstag (28.12.2013) gab es ebenfalls Tote.
Jen Psaki, Sprecherin des US-Außenministeriums, bestätigte die Raketenlieferung. Außerdem sei geplant, dem Irak Überwachungsdrohnen zur Verfügung zu stellen. "Die Vereinigten Staaten haben sich verpflichtet, den Irak in seinem Kampf gegen den Terrorismus zu unterstützen." Al-Kaida versuche Teile des Irak unter Kontrolle zu bekommen, warnte Psaki. Die Terrororganisation sei ein gemeinsamer Feind der USA und des Iraks und eine Bedrohung für den gesamten Mittleren Osten.
Ein blutiges Jahr
Seit Monaten explodieren im Irak fast täglich Sprengsätze. Die Täter postieren Autobomben vor Märkten, Restaurants und Gotteshäusern oder sprengen sich in Freizeitparks oder vor Spielplätzen in die Luft. Die Opfer sind vor allem Schiiten. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen wurden 2013 rund 8000 Menschen getötet.
Hinter den meisten Attentaten stecken sunnitische Aufständische. Einige Gruppen greifen vor allem Sicherheitskräfte an. Andere machen keinen Unterschied zwischen Zivilisten und Sicherheitskräften. Besonders brutal geht die "Bewegung Islamischer Staat im Irak und in der Levante" vor, der irakische Ableger von Al-Kaida. Die Organisation hat in den vergangenen Monaten viele neue Kämpfer rekrutiert. Ihr Ziel ist die Gründung eines sunnitisch-islamischen Staates im Irak und in Syrien.
Kampf um die Macht
Hintergrund der Gewalteskalation im Irak ist der schon seit Jahren schwelende Machtkampf zwischen Schiiten und Sunniten. Die Schiiten stellen rund 60 Prozent der irakischen Bevölkerung. Der Anteil der arabischen Sunniten liegt bei etwa 20 Prozent.
Als der Schiit Nuri al-Maliki 2006 Premierminister wurde, hatte er noch eine überkonfessionelle Regierung angekündigt: "Die Ministerien und die Minister sind nicht Eigentum des Premiers - das heißt er darf sie nicht entsprechend seiner Herkunft, seiner ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit ausnutzen."
Doch im Laufe der Jahre entwickelte sich Maliki immer mehr zum Autokraten. Formell gibt es zwar eine gemeinsame Regierung von Schiiten, Sunniten und Kurden. Die sunnitischen Vertreter wurden aber systematisch entmachtet. Kritiker werden von der Justiz verfolgt.
Instrumentalisierung von Al-Kaida
"Die Sunniten fühlen sich diskriminiert", sagt der Irak-Experte Asiem El Difraoui vom Berliner Institut für Medien- und Kommunikationspolitik. "Maliki hat sie verprellt." Einige sunnitische Politiker würden deswegen Al-Kaida unterstützen. Dadurch wollten sie Druck auf Maliki ausüben, die Sunniten wieder in den politischen Prozess zu integrieren. "Das ist ein gefährliches Spiel mit dem Feuer."
Al-Kaida erlebe im Irak im Moment einen "Frühling", sagt Difraoui. Die Terrororganisation sei dabei, "zu einem wirklichen Machtfaktor zu werden". Dabei profitiert sie vom Bürgerkrieg in Syrien: "Die Dschihadisten aus Syrien und dem Irak", erklärt Difraoui, "unterstützen sich gegenseitig."
Im irakisch-syrischen Grenzgebiet soll es nach Angaben des irakischen Verteidigungsministeriums mehr als zehn Terrorcamps geben. In den betroffenen Provinzen leben vor allem Sunniten. Luftbilder, so ein Sprecher des Ministeriums, würden belegen, dass Extremisten Waffen aus Syrien in den Irak schmuggeln. Bei Gefahr würden sich die bewaffneten Gruppen aus Syrien in Irak zurückziehen.
Bewaffnete Drohnen für den Irak?
Michael Knight ist Sicherheitsexperte des Washingtoner Instituts für Nahostpolitik. Er glaubt nicht, dass die Lieferung von Raketen und Aufklärungsdrohnen ausreicht, um Al-Kaida im Irak zu bekämpfen. "Was wirklich gebraucht wird, sind bewaffnete Drohnen", erklärte Knight gegenüber der "New York Times". Im Moment seien der Irak und Syrien die einzigen Länder in denen Al-Kaida Terroristen keine Angst vor Drohnenangriffen haben müssten.
Asiem El Difraoui aber zweifelt an der Effektivität von Drohnenangriffen: "Die Amerikaner haben es auch nicht geschafft, das afghanisch-pakistanische Grenzgebiet oder den Jemen zu befrieden." Die zivilen Opfer fehlgeleiteter Angriffe würden Al-Kaida immer wieder neue Anhänger in die Arme treiben. Solange Al-Kaida in Syrien stark sei, glaubt Difraoui, könne man die Terrororganisation auch im Irak nicht restlos zerstören.
Der Schlüssel für die Bekämpfung von Al-Kaida wäre wohl eine Aussöhnung zwischen Schiiten und Sunniten im Irak. Doch dazu ist Iraks Premier Maliki nicht bereit. Und den USA, so Difraoui, fehle es an Einfluss, um Maliki an den Verhandlungstisch zu bringen.