Wahlen in Simbabwe: Wenig Hoffnung auf demokratischen Wandel
23. August 2023Electa Gumbi* ist verärgert: Ihr Handy klingelt - wieder einmal. Ein Aufruf der Regierungspartei in Simbabwe-Electa möge bei der Wahl am 23. August ihre Stimme dem amtierenden Präsidenten Emmerson Mnangagwa geben, der eine zweite Amtszeit anstrebt. Sie findet es beunruhigend, unerwünschte Nachrichten per Telefon zu erhalten. "Einige der Informationen beziehen sich speziell auf meinen (Wahl)-Bezirk. Die Absender der Nachrichten hatten direkten Zugang zu bestimmten Datenbanken. Das ist ein Eingriff in meine Privatsphäre und wirft viele Fragen zum Datenschutz auf", sagt Gumbi zur DW.
Manipulation der Wählerschaft
Simbabwe verfügt über ein Cyber- und Datenschutzgesetz, das die Weitergabe privater Daten durch alle Institutionen verbietet. Aber viele Menschen wie Electa Gumbi befürchten, dass ihr Recht auf Datenschutz von der Regierungspartei verletzt wurde.
Die Regierungspartei ZANU-PF (Zimbabwe African National Union – Patriotic Front) dementiert das und behauptet, die SMS würden nur an ihre Mitglieder verschickt. Die Wahlbehörde bestreitet ebenfalls Datenmissbrauch - und Manipulationen: "Die Wahlkommission in Simbabwe wird in ihrer Arbeit nicht von der Regierung, Einzelpersonen oder anderen Organisationen beeinflusst, wie manchmal behauptet wird. Abschnitt 235 der Verfassung von Simbabwe garantiert die Unabhängigkeit der Wahlkommission", sagt die Vorsitzende Priscilla Chigumba.
Die repressive Regierungspartei will unbedingt an der Macht bleiben. Schon seit der Unabhängigkeit Simbabwes 1980 bestimmt sie die Geschicke des Landes. Einst eine blühende Volkswirtschaft und früher als "Brotkorb Afrikas" bezeichnet, verfiel Simbabwe im Laufe der Dauerherrschaft des Diktators Robert Mugabe zu einem Staat, der unter Hyperinflation leidet, und dessen Bevölkerung verarmt oder das Land verlässt: Autokratie, Korruption, Gewalt und Einschüchterung der Opposition lässt die Diaspora im benachbarten Südafrika anwachsen.
Freie und faire Wahlen in Simbabwe?
Offiziell gibt Simbabwe die Zahl der im Ausland lebenden Menschen mit rund einer Million an, inoffiziell wird von etwa drei bis fünf Millionen ausgegangen - etwa ein Drittel der Bevölkerung. In der Heimat Simbabwe sind mehr als 6,6 Millionen Wahlberechtigte registriert.
Die Aussichten, dass die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen am 23. und 24.** August frei und fair ablaufen, sind nach Ansicht von Beobachtern gering. Auch in Südafrika lebende Simbabwer sehen die Wahl als "business as usual" an - eben ohne den von der Bevölkerung gewünschten demokratischen Wandel.
Eine von ihnen ist Victress Mathuthu. Sie ist desillusioniert, weil den Simbabwern im Ausland das Recht verweigert wurde, sich zu registrieren und zu wählen. "Daher glaube ich nicht, dass diese Wahl frei und fair sein wird", sagte sie im DW-Interview.
Ngqabutho Mabhena lebt und arbeitet ebenfalls in Südafrika. Er sei überzeugt, dass Gewalt, Morde an Oppositionellen und Verhaftungen ihrer Anführer nirgendwo zu freien und fairen Wahlen führen, sagt er zur DW. Auch Organisationen wie Amnesty International kritisieren immer wieder die Verletzungen von Menschenrechten in Simbabwe, etwa die Unterdrückung der freien Meinungsäußerung.
Präsident Mnangagwa - das Krokodil steht erneut zur Wahl
Der 80-jährige Mnangagwa kam 2017 durch einen Militärputsch an die Macht, bei dem Simbabwes einziger Führer nach der Unabhängigkeit, Robert Mugabe, gestürzt wurde. Mnangagwa diente unter Mugabe unter anderem als Vizepräsident und Minister für Staatssicherheit - er saß am Hebel des Machtapparates, der Folter, Morde und Verschleppungen von Oppositionellen befahl.
Bezeichnenderweise trägt dieser Präsidentschaftskandidat bis heute den Spitznamen "das Krokodil": ein Tier, das in der simbabwischen Folklore für seine Heimlichtuerei und Rücksichtslosigkeit bekannt ist.
Wahlkampf der Generationen - die Jugend hofft auf Wandel
Ihm gegenüber steht - wie bereits bei der Wahl 2018 - der charismatische Rechtsanwalt und Pastor Nelson Chamisa, Anführer der aussichtsreichsten Oppositionspartei, die seit Januar 2022 unter dem Namen Citizens Coalition for Change (CCC) agiert. Hervorgegangen ist sie aus der Bewegung für demokratischen Wandel MDC, die zeitweise ein ernsthafter Konkurrent für die ZANU-PF war. Nach dem Tod des Gründers Morgan Tsvangirai 2018 zerstritt sich die MDC aber über dessen Nachfolge.
Junge Simbabwer setzten auf Chamisa, die Spaltungen zu überwinden, Arbeit und eine bessere Zukunft zu schaffen. Aber die CCC schaffte es nicht, auf dem Land, in den traditionellen ZANU-PF Wähler-Hochburgen, ihre Kandidaten zu etablieren.
Es ist ein Wahlkampf der Generationen: Chamisa ist 45 Jahre alt, Mnangagwa 80. Die ZANU-PF feiert im August auch ihren 60. Gründungstag - und nutzt die Gelegenheit, an ihre Ursprünge als anti-koloniale Befreiungsbewegung zu erinnern und Oppositionelle als Marionetten des Westens zu verurteilen. Chamisa dagegen verspricht Aufbruch.
Amtsinhaber Mnangagwa im Vorteil
"Diejenigen, die einen Wandel erwarten, werden enttäuscht sein, da die ZANU-PF die Wahlen aufgrund einer schwachen Opposition immer noch gewinnen wird", sagt der politische Analyst Gideon Chitanga. Der Analyst Alexander Rusero argumentiert, Amtsinhaber Mnangagwa sei bei der Wahl im Vorteil, da er staatlich finanzierte Projekte als Erfolg verkaufe: "Mnangagwa kann auf eine Straße verweisen, auf eine Brücke, auf eine Klinik, aber die Opposition kann bisher nichts vorweisen", sagt Rusero im DW-Interview. "Die Opposition in Simbabwe steckt immer in der Klemme. (...) Ihre Wahlkampf-Versprechen bleiben rhetorisch."
Die Opposition wirft der Regierung regelmäßig Wahlfälschung vor und westliche Länder verhängen deswegen Sanktionen gegen Simbabwe. Nach Mnangagwas Wahl 2018, deren Ergebnis Chamisa vergeblich vor Gericht anfocht, hatte die Armee sechs Menschen bei Protesten erschossen. Chamisa selbst war 2007 von Staatssicherheitsagenten zusammengeschlagen worden, wobei er sich den Schädel brach. 2021 wurde er nach einer politischen Kundgebung in seinem Auto angeschossen.
Bisher sei das Ausmaß der Gewalt im Vergleich zu früheren Wahlen, als die Opposition stärker gewesen sei, relativ gering, sagt Analyst Chitanga. Aber Erfahrungen hätten gezeigt, dass bei einem knappen Wahlausgang das Klima jederzeit umschlagen könnte.
*Name geändert
**Wahl wurde am Mittwoch um einen Tag verlängert