Wahlschlappe für Islamisten in Marokko
9. September 2021Laut dem vorläufigen Wahlergebnis, das am Donnerstagmorgen bekanntgegeben wurde, kann die gemäßigt islamistische "Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung" (PJD) künftig nur noch zwölf Abgeordnete stellen. Bisher waren es 125.
Nach Angaben des Innenministeriums in Rabat landeten zwei liberale und eine Mitte-Rechts-Partei deutlich vor der PJD: die "Unabhängige Nationalversammlung" (RNI, 97 Sitze), die Partei für Ehrlichkeit und Modernität (PAM, 82 Sitze) sowie die Partei "Istiqlal" (78).
Machtwechsel
Der bisherige Ministerpräsident Saadeddine Othmani von der PJD wird somit seinen Posten verlieren. In Marokko stellt die stärkste Fraktion im Parlament den Regierungschef, der von König Mohammed VI. ernannt wird. Die wichtigsten politischen Entscheidungen werden vom König allerdings ohnehin persönlich getroffen.
Insgesamt waren am Mittwoch rund 18 Millionen als Wähler registrierte Einwohner - rund die Hälfte der Bevölkerung - aufgerufen, ihre Volksvertreter zu wählen. Es war die dritte Parlamentswahl seit der umfassenden Verfassungsreform von 2011. Die PJD führte seitdem die Regierung an - in Koalitionen mit verschiedenen Parteien.
Die Wahlbeteiligung fiel mit rund 50 Prozent niedrig aus, aber doch deutlich höher als bei der Abstimmung vor fünf Jahren. Damals hatte sie nur bei 43 Prozent gelegen. Ein Grund für das größere Interesse dürfte gewesen sein sein, dass erstmals zeitgleich auch Regional- und Kommunalwahlen abgehalten wurden.
Wahlbetrug?
Die gemäßigten Islamisten beklagten schon vor Verkündung der Ergebnisse "mehrere Unregelmäßigkeiten" bei der Wahl. So sei in der Nähe von Stimmlokalen Bargeld verteilt worden, außerdem seien manche Wahlberechtigten nicht in den entsprechenden Verzeichnissen aufgeführt gewesen.
Man sei darüber "sehr besorgt", erklärte die PJD. Sie forderte ein "schnelles und transparentes" Eingreifen der Behörden, um "die Transparenz der Wahlen nicht zu beeinträchtigen".
Marokko kämpft mit Korruption und Jugendarbeitslosigkeit, die derzeit bei rund 30 Prozent liegt. Die Wirtschaft schrumpfte 2020 um schätzungsweise sieben Prozent, die Lebensmittelpreise stiegen. Viele Bürger machen die PJD dafür verantwortlich.
wa/rb (afp, rtr, dpa)