Warten auf das Ergebnis
2. Mai 2014Nicht umsonst werden die Iraker als die Preußen des Orients bezeichnet. Die Ernsthaftigkeit, mit der sie die Wahl zu ihrem neuen Parlament durchziehen, verblüfft selbst die härtesten Skeptiker. Alles in allem sei es anstandslos abgelaufen, fasst Ali Al Dujaily den Verlauf des Wahltags am Mittwoch (30.04.2014) zusammen. Natürlich habe es hier und da kleine Ungereimtheiten gegeben, aber die Fehler würden von Mal zu Mal weniger.
Der Chef der irakischen Nichtregierungsorganisation Tammuz, die seit 2005 mit Unterstützung der deutschen Friedrich-Ebert-Stiftung jede Wahl beobachtet, legte einen ersten Zwischenbericht vor. 3150 unabhängige Beobachter hatte Tammuz am Wahltag im ganzen Land losgeschickt. Diese hatten auch schon im Vorfeld darauf geachtet, dass die Registrierung der Wähler, das Erstellen der Listen und Wahlzettel und die Ausgabe der elektronischen Wahlkarten korrekt verlaufen.
Gute Noten für die Wahlkommission
Dujaily stellt der Wahlkommission (IHEC) ein gutes Zeugnis aus. Sie habe sogar Strafen gegen Kandidaten verhängt, die versucht hätten zu manipulieren, indem sie Wahlkarten von Wahlberechtigten aufkauften, die nicht zur Wahl gehen konnten oder wollten. Trotzdem werde Tammuz eine Liste mit Verbesserungsvorschlägen an die Kommission weitergeben, auf der unter anderem mehr Unterstützung für die Wahlbeobachtung gefordert wird.
Im Gegensatz zu den letzten drei Wahlen unter Aufsicht der Vereinten Nationen waren dieses Mal keine internationalen Beobachtermissionen anwesend. Nicht einmal die Institute der Demokraten oder Republikaner wollten sich nach dem Abzug der US-Truppen weiter engagieren.
Auch die Europäische Union lehnte eine eigene Beobachtermission ab. Die 1200 Vertreter internationaler Organisationen, die die IHEC für die Beobachtung registriert hatte, waren Mitarbeiter von ausländischen Botschaften oder der Arabischen Liga. Sogar deren Fahrer, Sicherheitspersonal und Dolmetscher seien als internationale Wahlbeobachter gezählt worden, um doch noch etwas vorweisen zu können, verlautete aus UN-Kreisen. Man hätte sich insgesamt mehr internationales Engagement gewünscht.
Viele Vertreter, viele Einschätzungen
In den Wahlzentren wurden mehr als 250 ausländische Medienvertreter freudig in Empfang genommen. "Ja, schaut nur, was wir hier machen", sagten einige Mitarbeiter und gaben bereitwillig Auskunft über diverse kleine Mängel, wie fehlende Stifte oder nicht perfekt funktionierende Einlesegeräte für die elektronischen Wahlkarten.
Dass manchmal von den vier Vertretern politischer Parteien, die in jedem Wahllokal ihre Plätze zur Beobachtung einnehmen durften, zwei von einer Partei waren, "ist ein Verstoß gegen die Wahlordnung", entschuldigte sich der Wahlleiter. Man habe sie aber auch wieder weggeschickt. Insgesamt waren etwa 40.000 Vertreter politischer Parteien, Blöcke, Allianzen und Koalitionen als Beobachter in den Wahllokalen unterwegs.
Dies führte dazu, dass derzeit jede politische Gruppierung mit unterschiedlichen Trendmeldungen an die Öffentlichkeit geht. Mal heißt es, dass Al Muwatin, die Bürgerkoalition des schiitischen Klerikers Ammar al-Hakim vorne läge, mal reklamiert Nuri al-Malikis Rechtsstaatskoalition einen deutlichen Vorsprung vor allen anderen. Dann wieder soll das zivilgesellschaftliche Bündnis aus Liberalen, Säkularen und Kommunisten den Sieg in Bagdad davon getragen haben. Ali Al Dujaily und seine unabhängigen Beobachter von Tammuz haben die Wahlkommission aufgefordert, möglichst schnell Teilergebnisse zu veröffentlichen, um wilden Spekulationen keinen Raum zu lassen. Am Donnerstag (08.05.2014) sollen nun erste Ergebnisse bekannt gegeben werden.
Hohe Wahlbeteiligung
Eine Zahl allerdings steht schon fest - die Wahlbeteiligung: 60 Prozent der 21,5 Millionen Wahlberechtigten haben ihre Stimme abgegeben. Und das, obwohl die Sicherheitslage derzeit verheerend ist, tägliche Anschläge das Leben der Menschen bedrohen, das Fahrverbot am Wahltag Alte, Kranke und Gehbehinderte vom Urnengang abhielten. Dazu kam die Tatsache, dass durch die Militäroperation gegen die Terroristen von ISIS in Iraks größter Provinz Anbar, die Menschen von der Parlamentswahl ausgeschlossen waren.
Vor vier Jahren wurde bei den Parlamentswahlen etwa dieselbe Wahlbeteiligung (62 Prozent) verzeichnet, und das, obwohl die Bedingungen sehr viel besser waren. Die Anschläge waren auf ein Minimum zurückgegangen, Anbar war von Al-Kaida befreit, die Sunniten stimmten in voller Zahl mit und ein Fahrverbot herrschte lediglich in der nördlichen Ölstadt Kirkuk, die auch damals schon heiß umkämpft war. Die Wahlbeteiligung zeigt, dass die Menschen zwischen Euphrat und Tigris Hoffnung haben, mit ihrer Stimme etwas im Land bewegen zu können. In den nächsten Wochen wird sich zeigen, ob sich wirklich etwas tut.