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Warum die Ukraine "Taurus" will

22. Februar 2024

Regierung und Opposition streiten über die Lieferung von "Taurus"-Lenkflugkörpern an die Ukraine. Was kann das System? Die Antworten auf die wichtigsten Fragen.

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Ein "Taurus"-Lenkflugkörper vor einem Tornado-Jet der Bundeswehr in einem Flugzeughangar
Ein "Taurus" vor einem Tornado-Jet der BundeswehrBild: Bernhard Huber/MBDA

Der "Taurus KEPD-350" gilt als eines der modernsten Waffensysteme der Bundeswehr. Der fünf Meter lange und fast 1,4 Tonnen schwere Lenkflugkörper wird von Kampfflugzeugen abgeworfen und findet dann, von einem Strahltriebwerk angetrieben, selbstständig sein zuvor festgelegtes Ziel am Boden.

Warum gilt "Taurus" als "Abstandswaffe"?

Mit einer Geschwindigkeit von bis zu 1170 Stundenkilometern, also knapp unter der Schallgeschwindigkeit, fliegt der "Taurus" in einer Höhe von nur etwa 35 Metern und ist somit für feindliches Radar kaum aufzuspüren. Seine Reichweite beträgt bis zu 500 Kilometer. Das ermöglicht es Piloten, Ziele aus großer Entfernung zu bekämpfen. Sie müssen nicht unbedingt in feindlichen Luftraum eindringen, um Taurus abzuwerfen.

Gegen welche Ziele wird "Taurus" eingesetzt?

Die Luftwaffe spricht von "Hochwertzielen" wie Bunkern oder Führungsgefechtsständen, von denen aus feindliche Truppen Einsätze steuern. "Taurus" ist in der Lage, auch mehrere dicke Stahlbetonwände zu durchdringen. Dazu steigt der Flugkörper kurz vor dem Ziel steil auf und schlägt in senkrechtem Sturzflug mit hoher Bewegungsenergie von oben ein.

Lenkflugkörper Taurus stürzt auf Bunker
Vor dem Einschlag in Bunkeranlagen steigt "Taurus" auf und geht dann in den Sturzflug überBild: Luftwaffe

Bevor der eigentliche Gefechtskopf explodiert, sprengt eine Hohlladung ein Loch in die Bunkerwand. Durch dieses dringt dann ein 400 Kilogramm schwerer so genannter Metallpenetrator, der mit Sensoren misst, wie viel Widerstand er überwinden muss. So kann "Taurus" auch mehrere Etagen eines Bunkers durchdringen, bevor der Sprengkopf explodiert.

Wie findet "Taurus" sein Ziel?

"Taurus" nutzt vier voneinander unabhängige Navigationssysteme, um Kurs zu halten. Das satellitengestützte GPS-System ist dabei gegen Störversuche abgeschirmt. Bei der so genannten Geländereferenznavigation tastet "Taurus" den Erdboden ab und vergleicht dies mit zuvor gespeicherten Daten.

Ein grün lackierter Lenkflugkörper hängt an der Tragfläche eines geparkten Kampfjets
"Taurus" ist mit Laserentfernungsmessern und Infrarotsuchern ausgestattetBild: Bernhard Huber/MBDA

Mit Bild-Sensoren kann "Taurus" sich auch an Brücken, Flüssen oder Straßenkreuzungen orientieren. Zudem kann "Taurus" seine Position bestimmen, indem es stets die eigene Bewegung misst.

Wie würde die ukrainischen Armee "Taurus" einsetzen?

Mit "Taurus"-Flugkörpern könnte die Ukraine auch russische Stellungen weit hinter der Frontlinie angreifen. Dies würde ihr ermöglichen, Nachschubwege und Kommandozentralen der russischen Angreifer zu zerstören. Die Ukraine könnte damit insbesondere Ziele auf der russisch besetzten Krim erreichen - dies wäre entscheidend, um ihr Territorium zurückzuerobern.

Rauchwolken steigen auf über einem leicht bewaldeten Gebiet
Zerstörung: Luftaufnahme des Zielbereichs nach "Taurus"-Einschlag bei einer Übung der LuftwaffeBild: Bundeswehr

Mit "Storm Shadow" aus Großbritannien und den "Scalp"-Marschflugkörpern aus Frankreich hat die ukrainische Armee bereits ähnliche Waffensysteme - jedoch mit geringerer Reichweite.

Warum zögert die Bundesregierung?

Mit "Taurus" könnte die Ukraine auch Ziele auf russischem Staatsgebiet angreifen. Das aber will die Bundesregierung vermeiden, da sie eine weitere Eskalation des Krieges fürchtet. Insbesondere Bundeskanzler Olaf Scholz hat deshalb bislang beim Thema "Taurus" gebremst. Moskau hat mehrfach vor der Lieferung von Waffensystemen wie "Taurus" oder dem US-amerikanischen ATACMS an die Ukraine gewarnt, setzt allerdings selbst Raketen mit hoher Reichweite ein, um ukrainische Städte anzugreifen.

Deutschland Bundeswehr Marschflugkörper Taurus
Die deutsche Luftwaffe bestückt derzeit Tornado-Jets mit "Taurus"Bild: Andrea Bienert/Bundeswehr/dpa/picture alliance

Innerhalb der Regierungsparteien und auch bei Teilen der Opposition werden jedoch immer mehr Stimmen laut, die eine baldige Lieferung der "Taurus"-Marschflugkörper fordern. Nur mit ihnen hätte die Ukraine eine Chance, so das Argument, die russischen Angreifer abzuwehren. Experten sind sich jedoch einig, dass das Waffensystem keine echte Wende im Kriegsverlauf bewirken würde. 

Wie schnell könnte Deutschland "Taurus" liefern?

Von den etwa 600 "Taurus" der Bundeswehr dürften 150-300 Stück einsatzbereit sein; die übrigen müssten zunächst instandgesetzt werden. Der Stückpreis beträgt etwa eine Million Euro. Zuvor müsste "Taurus", das vom Rüstungskonzern MBDA entwickelt wurde, jedoch an die Kampfjets der ukrainischen Luftwaffe angepasst werden. Die "Taurus" der Bundeswehr sind für den Einsatz mit Jets vom Typ Tornado ausgelegt.

Westliche Technologie in russischen Waffen

Dieser Artikel wurde erstmals am 11.8.2023 veröffentlicht und am 22.2.2024 aktualisiert.