Was heißen Abramowitsch-Sanktionen für Chelsea?
14. März 2022Seit 19 Jahren ist der russische Milliardär Roman Abramowitsch Eigentümer des englischen Fußballklubs FC Chelsea. Doch wegen des russischen Krieges in der Ukraine und der Nähe Abramowitschs zum russischen Präsidenten Wladimir Putin ist diese Ära nun vorbei. Und die Zukunft des Champions-League-Siegers und Klubweltmeisters ist damit ungewiss.
Welche Sanktionen gibt es gegen Abramowitsch und Chelsea?
Sowohl die britische Regierung als auch die Premier League haben weitreichende Sanktionen gegen den Klubeigentümer beschlossen. Die Regierung belegte neben Abramowitsch auch weitere vermögende russische Geschäftsleute mit persönlichen Sanktionen, fror ihr Vermögen ein und belegte sie mit einem Handels- und Reiseverbot.
Abramowitsch solle nicht mehr von den Erlösen des Vereins profitieren können, erklärte die britische Sportministerin Nadine Dorries auf Twitter. Der Verein soll aber weiterhin sein Personal bezahlen und mit einer Sonderlizenz am Spielbetrieb teilnehmen. Diese kann eventuell auch noch zugunsten des Vereins angepasst werden.
Die Regierung beschloss am 10. März, dass der FC Chelsea keine Spielertransfers mehr tätigen, keine Eintrittskarten für Spiele verkaufen darf und seine Fanshops schließen muss. Das Reisebudget des Klubs wurde auf 20.000 Pfund (gut 23.800 Euro) limitiert. Auch der finanzielle Rahmen für Heimspiele wurde einschränkt. Alle Sanktionen gelten auch für das erfolgreiche Frauenteam des Klubs. Zwei Tage nach dem Erlass der Sanktionen durch die Regierung entzog die Premier League Abramowitsch die Leitung des Vereins.
FA-Cup-Spiel vor leeren Rängen?
Die Reise zum Rückspiel im Achtelfinale der Champions League bei OSC Lille können Thomas Tuchel und sein Team am Mittwoch (16. März) noch ganz regulär bestreiten, weil sämtliche Buchungen vor dem Erlass der Sanktionen getätigt worden waren. Beim FA-Cup-Auswärtsspiel beim FC Middlesbrough sind Gästefans aber nicht erlaubt. "Wir bedauern, mitteilen zu müssen, dass wir für das FA-Cup-Spiel am Samstag in Middlesbrough keine Tickets verkaufen können", hieß es in einer Mitteilung des FC Chelsea, der gegen die Entscheidung allerdings vorgehen will und einen kompletten Fanausschluss anstrebt.
Aus "Gründen der sportlichen Integrität" beantrage man eine Austragung unter Ausschluss der Öffentlichkeit hieß es in der Klub-Mitteilung. Die Reaktion des FC Middlesbrough folgte wenig später. Die Chelsea-Anfrage sei "bizarr und ungerechtfertigt" hieß es in einer Mitteilung des englischen Zweitligisten. "Nahezulegen, dass der MFC und unsere Fans bestraft werden sollten, ist nicht nur sehr unfair, sondern entbehrt auch jeglicher Grundlage", so die Mitteilung weiter. Nur ein paar Stunden später haben die Londoner laut einem Statement der FA diesen Antrag wieder zurückgezogen. "Nach konstruktiven Gesprächen zwischen der FA und Chelsea erklärte sich der Klub bereit, den Antrag zurückzuziehen", ließ der Verband verlauten.
Welche Reaktionen gab es auf die Sanktionen?
Mehrere Werbepartner, darunter Trikotsponsor "Three" haben ihre Aktivitäten ausgesetzt und angekündigt, die Verträge prüfen zu wollen. Das Firmenlogo des Mobilfunkunternehmens wurde bereits von den Trikots und Banden im Stadion entfernt.
Die Anhänger des FC Chelsea reagierten unterschiedlich. Einerseits läutete der Milliardär den ungezügelten Fußballkapitalismus in England mit ein. Andererseits erlebten die "Blues" in der Ära Abramowitsch die erfolgreichste Zeit der Klubgeschichte. Die Bestrafung sei unfair, meinen einige.
Andere gingen weiter und feierten den langjährigen Klubchef noch am Tag der Verkündigung der Sanktionen gegen ihn lautstark: Vor dem Auswärtsspiel bei Norwich City skandierten einige Chelsea-Fans den Namen "Roman Abramowitsch" verbunden mit dem Slogan "Wir haben alles gewonnen." Die Heimfans reagierten mit Buhrufen und skandierten ihrerseits: "Ihr habt alles verloren."
Fanorganisationen des FC Chelsea distanzierten sich später von den Gesängen, nicht wenige erhoffen sich durch das Ende der Abramowitsch-Zeit auch wieder mehr Einfluss und Mitspracherecht beim sechsmaligen englischen Meister.
Wie steht es um den von Abramowitsch angekündigten Verkauf des Vereins?
Nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine hatte Abramowitsch angekündigt, den FC Chelsea verkaufen zu wollen. Der "Reinerlös" sollte demnach über eine Stiftung den Opfern des Kriegs in der Ukraine zugutekommen, schrieb der 55-Jährige in einer Mitteilung des englischen Fußball-Topklubs.
Nachdem ein Verkauf zunächst verboten wurde, hat die britische Regierung einem diesem nun zugestimmt und führt Gespräche mit der US-Bank Raine, die von Chelsea mit dem Geschäft beauftragt worden war. Nach Angaben des Magazins "The Athletic" könnte der Verein innerhalb der nächsten vier bis sechs Wochen den Besitzer wechseln. Wie die Regierung erreichen will, dass Abramowitsch gemäß ihrer Auflagen nichts an dieser Transaktion verdient, blieb zunächst offen. Als Kaufinteressent gilt Milliardär Hansjörg Wyss aus der Schweiz. "Ich kann mir den Einstieg beim FC Chelsea mit Partnern gut vorstellen", sagte er der Schweizer Zeitung "Blick".
Tuchel, Havertz, Werner und Rüdiger - wie steht es um die Zukunft der Deutschen im Team?
Trainer Thomas Tuchel schließt einen Rücktritt im Moment aus. "Es gibt überhaupt keinen Zweifel, dass ich bis zum Saisonende bleibe", erklärte er. "Die Situation ist klar, der Klub steht zum Verkauf, und hoffentlich geht das durch, damit die Dinge gelöst werden."
Stammspieler Kai Havertz hat vor allem auf die Unsicherheit für die vielen Angestellten des Vereins hingewiesen. "Wir Spieler sind privilegiert, wir können trainieren und weiter das machen, was wir lieben. Es tut uns für alle leid, die Fans, die Mitarbeiter, nicht nur für uns Profis." Es sei eine "harte Zeit für alle", in der man zusammenstehen müsse.
Der Vertrag von Antonio Rüdiger beim FC Chelsea läuft im Sommer aus. Weil Spieler derzeit aber nicht verpflichtet oder verkauft werden dürfen, sind ablösefreie Spieler wohl nicht zu halten oder zu ersetzen. Und so muss sich Tuchel wohl auf den Verlust einiger Topspieler bei den "Blues" einstellen. "Wir müssen von Tag zu Tag abwarten, weil sich alles ändern kann", beschreibt der deutsche Trainer die Situation beim Premier-League-Klub.