Was folgt auf den McLaren-Bericht?
18. Juli 2016Die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) will am heutigen Montag um 15.00 Uhr MESZ in Toronto ihren Untersuchungsbericht zu womöglich vertuschten Dopingproben bei den Winterspielen 2014 in Sotschi veröffentlichen. Dabei geht es auch um die Frage, ob es in Russland Staatsdoping gab oder noch gibt. Der Bericht dürfte Grundlage für die weiteren Diskussionen über einen Komplett-Ausschluss der großen Sportnation bei den anstehenden Olympischen Spielen in Rio de Janeiro (5. bis 21. August) sein.
In erster Linie geht es um die mögliche Manipulation von Dopingproben russischer Sportler bei den Winterspielen 2014 in Sotschi. Auslöser der WADA-Untersuchung waren die Enthüllungen von Grigori Rodschenkow. Der ehemalige Chef des russischen Doping-Kontrolllabors, der sich in die USA abgesetzt hat, behauptet, dass er in Sotschi positive Dopingproben russischer Athleten zusammen mit der Anti-Doping-Agentur Rusada sowie dem Geheimdienst auf Anordnung vom Staat vertuscht habe. 15 der russischen Medaillengewinner in Sotschi seien gedopt gewesen. Es geht also konkret um die Frage, ob es in Russland Doping auf Anordnung oder unter Mithilfe des Staates gegeben hat. Federführend bei der WADA-Untersuchung war der kanadische Anwalt Richard McLaren. Er gehörte bereits der unabhängigen WADA-Kommission an, die ein flächendeckendes Dopingsystem in der russischen Leichtathletik nachgewiesen hat.
SZ: Gesamtes Team wird ausgeschlossen
Die "Süddeutsche Zeitung" berichtete vorab, dass der McLaren-Bericht zum Ausschluss der kompletten russischen Mannschaft von den Sommerspiele führen werde. Der Bericht über Doping und Vertuschung soll angeblich weit über Sotschi hinausgehen und sich auch um Sommersportarten wie Schwimmen, Gewichtheben oder Kanu drehen. Im Fokus seien vor allem Bereiche, in denen es viele Medaillen in unterschiedlichen Klassen zu gewinnen gebe. Womöglich seien auch die Paralympics betroffen. Angeblich handele es sich statt der bisher kolportierten rund 1400 vernichteten Dopingproben um mehr als doppelt so viele.
Der WADA liegt das Papier schon seit Freitag vor. Der oberste US-Dopingfahnder Travis Tygart hat den IOC-Präsidenten Thomas Bach in einem Brief dazu aufgefordert, noch "vor dem 26. Juli zu handeln und Russland, sein Olympisches und Paralympisches Komitee sowie sämtliche russischen Sportverbände von den Spielen in Rio auszuschließen", sollten sich die Vorwürfe des Kronzeugen Gregori Rodtschenkow bewahrheiten. Zehn Nationale Anti-Doping-Agenturen, darunter auch die deutsche NADA, und rund 20 Athletenverbände stützen die Forderung.
Bach hatte zuvor angekündigt, entsprechende Maßnahmen mit den betroffenen Wintersport-Verbänden einleiten zu wollen und zunächst Konsequenzen für die Spiele in Rio zu vermeiden. Er sagte aber auch: "Klar ist, wenn es einen institutionellen Eingriff gegeben hätte, dann würde das IOC auch institutionell reagieren und wird dabei nicht zögern." Bislang sind nur die russischen Leichtathleten wegen früherer Doping-Delikte durch ihren Weltverband IAAF für Rio gesperrt.
Turnverband: Saubere Athleten starten lassen
Wenige Stunden vor der Veröffentlichung des McLaren-Berichts der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA reagierte der Welt-Turnverband FIG besorgt auf Forderungen zum Komplett-Ausschluss des russischen Teams. "Wir unterstützen die Null-Toleranz-Politik im Doping. Jedoch sollte nicht allen russischen Athleten die Teilnahme an den Spielen verwehrt werden", heißt es in einer Erklärung des Verbandes vom Montag. Sportler dürften nicht für Vergehen von Athleten anderer Sportarten und Verbänden für schuldig befunden werden. Bevor irgendwelche Maßnahmen gegen Turner unternommen werden, müssten Tatsachen vorgelegt und ein Dopingverschulden nachgewiesen werden.
Russische Turner und Gymnastinnen wurden durch den Weltverband ebenso kontrolliert wie Athleten anderer nationaler Verbände. "Saubere russischen Turner und Turnerinnen müssen daher bei den Spielen antreten dürfen", fordert der FIG und benannte damit das große Problem, vor dem das IOC nun steht. Wie geht man mit russischen Athleten um, die nicht des Dopings überführt wurden? "Die Rechte jedes einzelnen Athleten müssen respektiert werden. Die Teilnahme an den Olympischen Spielen ist das höchste Ziel von Athleten, die oft ihre ganze Jugend diesem Zweck zu opfern", erklärte FIG-Präsident Bruno Grandi. Das Recht, an den Spielen teilnehmen, "kann Athleten nicht gestohlen werden, die sich ordnungsgemäß qualifiziert haben und nicht des Dopings überführt wurden".
asz/ml (dpa, sid)