Was in der Schule nicht drankommt
26. Juni 2012Was die Hörer der Afrika- und Afghanistan-Programme nur als Radiohörspiel kennen, nahm beim Global Media Forum der Deutschen Welle als Theaterstück Gestalt an. Vier Mitarbeiter der Afrika-Redaktionen brachten gemeinsam mit "Learning by Ear"-Autor Chrispin Mwakideu eine kurze Geschichte auf die Bühne. Darin versucht das Mädchen Karembo immer wieder ihren Eltern zu vermitteln, was der Lehrer ihr in der Schule beigebracht hat. Zum Beispiel, dass Händewaschen wichtig ist, weil es helfen kann, Krankheiten zu vermeiden.
Tabu-Themen kommen an
"Learning by Ear" vermittelt vor allem die Themen erfolgreich, die in der Schule nicht angesprochen werden und die selbst zu Hause tabu sind. Darin waren sich die Gäste in der folgenden Diskussion einig. Emmy Chirchir, eine Medienberaterin aus Kenia, sieht sich selbst als Beispiel: "Meine Eltern haben eine recht gute Bildung, aber sie würden sich nie mit mir hinsetzen und über Sachen wie Sex, Politik oder politische Partizipation sprechen", erzählt sie.
Das gilt noch mehr in Ländern mit sehr tabu-behafteten Gesellschaften wie in Afghanistan oder im Norden Nigerias. Dort strahlt Faruk Dalhatu mit seinem Freedom Radio "Learning by Ear" aus – mit großem Erfolg. Das liegt am Format, sagt der Programmchef des DW Partnersenders. Alles, was mit Sex oder Sexualkunde zu tun hat - in welchem Format auch immer - würde abgelehnt. Auch die Ausbildung von Mädchen würde infrage gestellt. "Aber dieses Programm ist so gut verpackt, dass die Botschaft trotzdem stark genug ist, um Widerstände zu überwinden", so Faruk Dalhatu.
Afghanistan: Nur zwei Prozent Sendungszeit für Bildung
Auch in Afghanistan, wo "Learning by Ear" Themen wie Zwangsverheiratung oder Drogen anspricht, ist die Resonanz gut. Arif Farahmand aus der Afghanistan-Redaktion freut sich über positive Rückmeldungen: "Das Ministerium für Bildung und das Ministerium für Kultur halten das 'Learning by Ear' Programm für begrüßenswert und haben den afghanischen Medien gegenüber eine ähnliche Beurteilung angeregt." Bisher nehmen Bildungsprogramme nur zwei Prozent der Sendezeit der afghanischen Medien ein.
Schule im Wohnzimmer für Mädchen und Frauen
Nicht nur in den Medien, auch generell sei die Bildungslage in Afghanistan noch prekär. Das berichtete Ursula Nölle, die seit mehreren Jahrzehnten mit einer eigenen Organisation Schulen in Afghanistan mit aufbaut. Besonders betroffen seien immer noch die Mädchen. Für sie hat Nölles Organisation "Afghanistan-Schulen" Unterricht in Privathaushalten organisiert. "Nicht nur Mädchen besuchen diese Hausschulen, auch Frauen," berichtet Nölle. Es kämen auch Frauen, die 49 Jahre alt sind und lesen und schreiben lernen wollen. "Sie sagen: Mein Sohn hat jetzt die Schule abgeschlossen und ich kann nicht einmal meinen Namen schreiben."
Für Karembo aus dem Theaterstück geht die Geschichte jedenfalls gut aus: Sie darf weiter in die Schule gehen, obwohl ihr Vater sie gerne für die Hausarbeit zuhause behalten hätte.