Was ist Nord Stream 1?
20. Juli 2022Der Bau von Nord Stream 1
Die rot-grüne Regierung unter SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder unterzeichnete 2005 eine Absichtserklärung zum Bau der Pipeline Nord Stream 1, die russisches Gas ohne Umwege durch die Ostsee nach Deutschland bringen sollte. Baubeginn von Nord Stream 1 war April 2010. Die doppelröhrige Pipeline mit einer Länge von je 1224 Kilometern verbindet Wyborg in Russland mit Lubmin bei Greifswald. Die erste Röhre wurde 2011 in Betrieb genommen, die zweite 2012. Sie sollten dem Betreiber zufolge mindestens 50 Jahre Europa mit Gas versorgen. Die Investitionskosten beliefen sich auf 7,4 Milliarden Euro.
Wer sind die Anteilseigner?
Die Pipeline gehört der Nord Stream AG mit Sitz in Zug in der Schweiz. Die Anteilseigner des Konsortiums sind zu 51 Prozent der russische Gazprom-Konzern, zu je 15,5 Prozent die deutschen Energiekonzerne E.ON und Wintershall Dea und zu je neun Prozent die niederländische Gasunie und der französische Versorger Engie.
Welche Bedeutung hat die Pipeline?
Die Röhren gehören zu den wichtigsten Pipelines, über die Gas aus Russland nach Deutschland und in weitere europäische Länder , etwa nach Belgien, Dänemark, Italien, Frankreich, Großbritannien oder in die Niederlande, transportiert wird. Zusammen haben sie eine Kapazität von jährlich 55 Milliarden Kubikmetern. Zum Vergleich: Der durchschnittliche Jahresverbrauch in Deutschland lag in den vergangenen Jahren bei rund 100 Milliarden Kubikmetern. Eine Reduktion oder gar ein Stopp des Gasflusses würde also die Gasversorgung Deutschlands im Winter gefährden. Insgesamt lieferte Russland 2021 fast 40 Prozent des europäischen Erdgases über Nord Stream 1 sowie über weitere Pipelines. Neben Deutschland sind auch Italien, Österreich oder Ungarn besonders abhängig.
Was ist Nord Stream 2?
Entlang der Route der ersten Pipeline wurde in den vergangenen Jahren eine weitere Doppelröhre, die Nord Stream 2, errichtet. Sie war nach russischen Angaben im September 2021 fertiggestellt, bekam aber nicht die endgültige Betriebsfreigabe durch die deutschen Behörden. Im Zuge der Sanktionen des Westens gegen Russland wegen des Einmarschs in der Ukraine kam vorerst das Aus. Ob die Pipeline je in Betrieb gehen wird, ist offen.
Kritik und Kontroversen
Dass Deutschland sich mit Nord Stream 1 und 2 so abhängig von russischem Gas macht, wurde von anderen EU-Staaten und auch den USA immer wieder heftig kritisiert. Vor allem im Zuge des russischen Angriffskriegs in der Ukraine scheinen sich die Befürchtungen zu bewahrheiten, dass Russland den Rohstoff als politisches Druckmittel einsetzen könnte.
So hatte Russland in den vergangenen Wochen seine Lieferungen mit Verweis auf ein fehlendes Ersatzteil auf rund 40 Prozent reduziert. Nord Stream 1 wurde Mitte Juli schließlich für lang angekündigte Wartungen abgeschaltet, bevor die Pipeline am 21. Juli ihren reduzierten Betrieb wieder aufgenommen hat.
(rtr, dpa, afp, ie)