Was könnten Trump und Kim aushandeln?
21. Mai 2018Was kann im besten Fall bei einem Gipfeltreffen zwischen Donald Trump und Kim Jong Un herauskommen?
Robert King, US-Sondergesandter für Menschenrechtsfragen in Nord-Korea von 2009 bis 2017:
Der beste Fall wäre, dass beide Seiten mit diesen Gesprächen einen nachhaltigen Versuch starten, eine Denuklearisierung und verbesserte Beziehungen zu erreichen. Die Probleme diesbezüglich sind komplex. Das Misstrauen auf beiden Seiten besteht schon lange und sitzt tief. Die Differenzen können sicher nicht bei einem einzigen Treffen ausgeräumt werden. John Boltons Szenario für eine sofortige Denuklearisierung Nord-Koreas ist daher unrealistisch. Es gibt keine klaren Hinweise darauf, was die USA tun könnten, um Nordkorea zufriedenzustellen oder welchen Anreiz sie bereit wären zu schaffen, damit Nordkorea auf eine Denuklearisierung hinarbeitet.
Alexandra Bell, Senior Policy Director beim Center for Arms Control and Non-Proliferation:
Wenn bei dem Gipfel so etwas wie der Iran-Deal herauskäme, dann wäre das gleichermaßen positiv wie paradox. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass es Monate, wenn nicht Jahre dauern würde, so etwas auszuhandeln und dass es der komplizierteste Atomwaffensperrvertrag wäre, der jemals verhandelt wurde.
Joshua Pollack, Herausgeber von The Nonproliferation Review, James Martin Center for Nonproliferation Studies:
Der beste Fall, den ich mir vorstellen kann, wäre ein pro-forma-Treffen, bei dem ein Verhandlungsprozess angestoßen und nicht gleich beendet wird.
Evans Revere, ehemaliger stellvertretender Missionschef bei der US-Botschaft in Seoul, Leiter für den Bereich Korea im US-Außenministerium und früher die Haupt-Verbindung der US-Regierung zu Nordkorea:
Der "beste" ist zugleich der unwahrscheinlichste Fall, und das wäre ein Treffen, bei dem Kim Jong Un einer Denuklearisierung, wie sie von den USA definiert wird, zustimmt. Das hieße, er müsste in eine erhebliche Vorleistung gehen, indem er bestimmte Ressourcen, Einrichtungen, Waffen, spaltbares Material sofort zerstört. Zugleich müsste er einen Zeitplan für die komplette Beendigung seines Nuklearwaffenprogramms akzeptieren und zudem einem Verhandlungsprozess mit den USA zustimmen, der eine Vereinbarung zur Denuklearisierung zum Ziel hat und gleichzeitig die technischen Details thematisiert.
Was würde im schlimmsten Fall bei dem Gipfel herauskommen?
King: Im schlimmsten Fall betrachtet Trump dieses Treffen als ein einmaliges Event, bei dem die USA ihre maximalen Forderungen an eine nordkoreanische Denuklearisierung präsentieren. Die Gespräche könnten gleich beendet sein, wenn sich die Gegenseite weigert, diesen Forderungen zuzustimmen. Aber zumindest könnte der Gipfel eine einmalige Gelegenheit sein, die Feindseligkeiten auf beiden Seiten zu beenden und eine Beziehung aufzubauen, die tatsächlich zu einer Denuklearisierung führt.
Bell: Am schlimmsten wäre es, wenn die beiden Teilnehmer dieses Gipfels enttäuscht und wütend auseinandergehen. Dann wären wir wieder am gleichen Punkt wie vor den Olympischen Spielen.
Pollack: Wenn das Treffen lediglich die Differenzen betonen und zu einem abrupten Ende des Prozesses führen würde. Das wäre der schlimmste Fall.
Revere: Schlimmstenfalls verweigert sich der nordkoreanische Führer einer Denuklearisierung, wenn die USA nicht zuvor Schritte einleiten, die sie nicht einleiten wollen oder können (etwa eine Beendigung der US-südkoreanischen Allianz oder der Abzug von US-Truppen). Und wenn der Gipfel in einer Atmosphäre gegenseitiger Beschuldigungen endet und der US-Präsident, militärische Optionen im Umgang mit der nuklearen Bedrohung durch Nordkorea erwägt.
Denken Sie, dass Trump und Kim sich angemessen auf den Gipfel vorbereiten werden?
King: Ich habe ernsthafte Zweifel, dass Trump auf das Treffen angemessen vorbereitet sein wird. Normalerweise bereiten Mitarbeiter der unteren Ebenen solche Treffen vor und loten die Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit aus. Sie versuchen sehr sorgfältig, die gegenseitigen Interessen und Bedenken zu erkunden. Ohne solche Vorbereitungen könnte es zu großen Missverständnissen kommen. Verhandlungen mit dem selbstbewussten jungen Anführers einer souveränen Nation sind etwas völlig anderes als ein Treffen zwischen einem Bauunternehmer und seinem potenziellen Partner oder Finanzier.
Bell: Solche Chancen bekommt man nicht oft. Es wäre deshalb eine Schande, wenn die US-Regierung ihre Hausaufgaben nicht machen würde, um zumindest einen gewissen Erfolg zu ermöglichen. Dies ist Trumps erster nuklearer Rodeo-Ritt und die Latte hängt ziemlich hoch.
Pollack: Wenn der Gipfel tatsächlich stattfindet, wird Kim bestens vorbereitet sein und seine Worte sorgfältig wählen. Trump dagegen wird sich durchmogeln. So funktionieren die beiden. Trump nimmt keinen Rat von seinen Mitarbeitern an.
Revere: Für den US-Präsidenten kann ich nicht sprechen. Es ist bekannt, dass er von Briefings und Details nichts hält. Für Kim allerdings steht das Schicksal seines Landes auf dem Spiel, und er wird zweifellos gut vorbereitet sein. Er könnte sich auch mit einigen Fallen für den US-Präsidenten an den Verhandlungstische setzen.
Gäbe es ein historisches Vorbild für ein Land wie Nordkorea, dass seine voll funktionsfähigen nuklearen Waffen aufgäbe?
King: Es gibt kein historisches Vorbild - weder für die Denuklearisierung, die die USA von Nordkorea verlangen, noch für den Anreiz oder die Sicherheit, die die USA Nordkorea im Gegenzug anbieten könnten, um Kim zu einer Zustimmung zu bewegen.
Bell: Bisher hat kein Land sein voll funktionsfähiges nukleares Waffenprogramm aufgegeben - außer Südafrika und die haben es von sich aus und freiwillig getan.
Pollack: Das gab es bisher nicht. Man könnte an Libyen denken, aber wenn man ehrlich ist, hatte Libyen kein Nuklearprogramm, das den Namen verdiente. Oder man denkt an die früheren Sowjetrepubliken, aber auch das passt nicht. Nach dem Zusammenbruch der UdSSR, erlaubten die Ukraine, Kasachstan und Belarus Russland alle sowjetischen nuklearen Waffenköpfe von ihren jeweiligen Territorien zu entfernen. Auch Südafrika ist ein völlig anderes Modell gewesen. Sie haben ihr kleines Arsenal ganz still und heimlich aufgegeben und erst später eingestanden, dass es das überhaupt gegeben hatte. Bis heute haben sie aber einen Vorrat an waffenfähigem angereichertem Uran.
Revere: Südafrika, die Ukraine oder andere ehemalige Sowjetrepubliken: Keines dieser Beispiele ähnelt wirklich der Situation in Nordkorea.
Die Gespräche führte Michael Knigge.