Was kann Deutschland im Sahel leisten?
9. Juli 2023Es ist eine Reise, die mit Versprechen und Hoffnungen verbunden ist: Am 10. Juli fliegt Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze in die mauretanische Hauptstadt Nuakschott, um sich dort zur Präsidentin der Sahel-Allianz wählen zu lassen. Ihre Wahl ist eine Formsache, es gibt keine Gegenkandidaten.
Die Sahel-Allianz ist ein internationaler Verbund für Entwicklungszusammenarbeit, der sich für die G5, die zentralafrikanischen Staaten Mauretanien, Mali, Burkina Faso, Niger und Tschad engagiert.
2017 wurde die Allianz von Deutschland, Frankreich und der Europäischen Union ins Leben gerufen. Weitere Geber-Staaten und Organisationen schlossen sich an.
Heute zählt die Sahel-Allianz 18 Mitglieder und neun Beobachter. Ende 2022 gab es rund 1400 Projekte in der Entwicklungszusammenarbeit, deren Mittel sich auf knapp 29 Milliarden Euro summierten. "Die Sahel-Allianz bündelt alle wichtigen Entwicklungspartner und ist der wichtigste Unterstützer der Region", so Schulze vor ihrem Abflug in Berlin.
Die Sahelzone: ein Epizentrum des Terrors
Es ist eine der ärmsten Regionen der Welt mit einer der jüngsten Bevölkerungen. Der Sahel hat aber nicht nur mit Dürren infolge des Klimawandels und großem Hunger zu kämpfen, sondern gilt auch als besonders konfliktreich. Mit dem Ende der UN-Mission Minusma in Mali droht die Lage absehbar noch schwieriger zu werden. "Der Sahel hat sich zum neuen Epizentrum des islamistischen Terrorismus entwickelt und der russische Einfluss nimmt zu", warnt die Ministerin. "Das birgt große Risiken für die Bevölkerung dort, aber auch darüber hinaus."
Immer häufiger sind Terrorgruppen grenzübergreifend aktiv. Die Sahel-Allianz möchte daher Küstenanrainer wie Senegal, Elfenbeinküste, Ghana, Togo und Benin in Zukunft stärker in ihre Kooperationen einbeziehen.
Deutschland kürzt den Entwicklungs-Etat
Nach Angaben des Welternährungsprogramms war Deutschland 2022 mit 1,7 Milliarden Euro erneut der zweitgrößte Geber von Entwicklungshilfe nach den USA. Seit 2015 habe sich die finanzielle Hilfe aus Deutschland fast versechsfacht. Doch wird das so bleiben?
Der Entwurf für den Bundhaushalt 2024 sieht vor, dass das Bundesentwicklungsministerium rund 5,3 Prozent weniger Geld zur Verfügung haben soll und das Auswärtige Amt rund 17,7 Prozent weniger als 2023. Das UN-Ziel, 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung in die Entwicklungszusammenarbeit zu investieren, wäre damit nicht zu schaffen.
In einem gemeinsamen Statement kritisieren Save the Children, die Deutsche Stiftung Weltbevölkerung, ONE, Welthungerhilfe, Oxfam, IRC Deutschland, Global Citizen und Aktion gegen den Hunger die im Haushaltsentwurf vorgesehenen Kürzungen: "Nichts ist so teuer wie das Kürzen am falschen Ende. Sollte der zweitgrößte Geber der Welt Kürzungen beschließen, könnte dies zu einem Dominoeffekt führen und weitere starke Gebernationen ermutigen, ebenfalls Kürzungen vorzunehmen. Was Deutschland tut, hat Signalwirkung."
Pläne für den Sahel: Arbeitsplätze und Landwirtschaft
Dessen ist sich die deutsche Ministerin durchaus bewusst. Der Haushaltsentwurf geht jetzt ins Parlament, am Ende entscheidet der Bundestag. Davon unbenommen hat Schulze für die Sahel-Allianz und ihre Präsidentschaft, die sie im Tandem mit der Weltbank ausüben wird, konkrete Pläne. "Ich übernehme die Präsidentschaft der Sahel-Allianz um zu zeigen, dass Deutschland mit seinen Partnern für die Region da ist und sich in der Region einsetzt."
Neben der Ernährungssicherung geht es Schulze um grundlegende Verbesserungen. "Meine Prioritäten für die Sahel-Allianz liegen bei Arbeitsplätzen, in der Landwirtschaft und bei sozialer Sicherung in der Region - und darauf, auch staatsfreie Räume zu verhindern." Unterstützende Initiativen und Programme müssten besser ineinandergreifen, damit sie mehr für die Menschen bewirkten.
"Terrorgruppen verlegen keine Wasserleitungen"
Unter deutscher Präsidentschaft sollen die kommunalen Strukturen verstärkt werden, um eine Grundversorgung der Menschen bereitzustellen. "Das sind zum Beispiel Wasserleitungen, Schulen oder Krankenhäuser." Wenn Kommunen dafür sorgten, dass sich Menschen eine Lebens- und Einkommensgrundlage aufbauen könnten, werde Vertrauen und sozialer Zusammenhalt aufgebaut. Das entziehe Extremismus den Nährboden. "So merkt die Bevölkerung auch wirklich, wer sich ernsthaft kümmert und wer nicht - denn Terror-Gruppen, die verlegen keine Wasserleitungen", sagt Schulze.
Für die deutsche Ministerin hängen innere und soziale Sicherheit untrennbar zusammen. Die meisten jungen Menschen würden sich nicht aus religiöser Überzeugung von Terrorgruppen anwerben lassen, sondern bräuchten häufig einfach nur ein Einkommen, davon ist sie überzeugt.
Mehr als nur Nothilfe für die Sahel-Staaten
Die Länder der Sahel-Zone verfügen über Bodenschätze wie Gold und Uran, bisher nicht genutzte Produktionsmöglichkeiten in der Landwirtschaft, ein riesiges Potenzial an erneuerbaren Energien sowie an Arbeitskraft in Form ihrer jungen Bevölkerung. Ein neues Programm der Sahel-Allianz soll zusätzliche Bildungs- und Ausbildungsangebote anbieten. Um die Gesellschaften widerstandsfähiger zu machen, sei mehr nötig als Getreidesäcke und Wassertanks. Die Sahel-Allianz will laut eigener Aussage langfristige Lösungen vorantreiben, die über die Bereitstellung von Nothilfe hinausgingen.
Dazu soll beispielsweise die Resilienz-Initiative mit dem Welternährungsprogramm und UNICEF ausgeweitet werden. Die Initiative trainiert Bäuerinnen und Bauern darin, wie auch in trockenen Gebieten Nahrung angebaut werden kann, so dass sie sich aus eigener Kraft ernähren können.
Feministische Entwicklungspolitik
"Eine langfristige Verbesserung der Lage kann nur gelingen, wenn die gesamte Bevölkerung einbezogen wird", heißt es aus dem Entwicklungsministerium. Einen besonderen Fokus will Ministerin Schulze während ihrer Präsidentschaft deshalb auf die Stärkung von Mädchen und Frauen legen. Oft erwirtschaften sie das Einkommen und sind verantwortlich für die Versorgung der Familie. "Sie besonders in den Blick zu nehmen, ist ein Gebot der entwicklungspolitischen Vernunft."