Merkel in den USA
2. November 2009Die USA erwarten, dass die neue Bundesregierung außenpolitisch mehr Verantwortung übernimmt als bisher. Da ist zunächst der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan. Die Deutschen sind zwar der drittgrößte Truppensteller im Rahmen des NATO-Mandats, aber die Einsatzmöglichkeiten der knapp 4400 deutschen Soldaten sind durch den Bundestag eingeschränkt worden. Sie dürfen sich verteidigen, aber nicht angreifen, und die Tornados der Bundeswehr helfen zwar bei der Luftaufklärung, leisten aber keine Kampfunterstützung.
Bevor Präsident Barack Obama hier größere Erwartungen an Deutschland und die anderen Alliierten öffentlich formulieren kann, muss er zunächst selbst entscheiden, wie es in Afghanistan weiter gehen soll. Doch es ist offensichtlich, dass die US-Regierung es gerne sehen würde, wenn Deutschland eine aktivere Rolle in Afghanistan übernähme. Obama betont immer wieder, dass die USA den Wideraufbau und den Kampf gegen El Kaida und radikale Taliban nicht allein meistern können.
Wurde Deutschland wegen des Wahlkampfs noch eine Schonfrist gewährt, sei jetzt ein eindeutiges Bekenntnis gefordert, sagt Stephen Szabo, Direktor der Transatlantischen Akademie des German Marshall Funds in Washington. Die US-Regierung hätte gerne, "dass Deutschland die Vorbehalte und Beschränkungen für den Einsatz der Bundeswehr aufhebt, dass Deutschland anerkennt, dass dies ein militärischer Einsatz, ein Kampfeinsatz, ist und nicht nur Entwicklungshilfe", meint Szabo.
Guantanamo von symbolischer Bedeutung
Von wichtiger symbolischer Bedeutung wäre es, wenn Deutschland sich bereit erklärte, den einen oder anderen Häftling aus dem US-Militärgefängnis in Guantanamo aufzunehmen. Kurz nach seiner Amtsübernahme hatte Obama versprochen, das Gefängnis innerhalb eines Jahres zu schließen - eine Frist, die kaum noch zu halten scheint. Probleme gibt es sowohl bei der Verlegung der Gefangenen auf das amerikanische Festland als auch bei der Frage, wo die diejenigen Gefangenen untergebracht werden sollen, die als unschuldig gelten, aber nicht in ihre Heimat abgeschoben werden können, weil ihnen dort Verfolgung droht. Die US-Bundesstaaten lehnen es bisher in beiden Fällen ab, Gefangene aufzunehmen. "Es würde dem Präsidenten einfacher machen, die Mehrheit der Gefangenen in die USA zu überführen", meint Szabo, "wenn er darauf hinweisen könnte, dass die Verbündeten der USA einen Teil dieser Last übernehmen."
Blick nach Russland
Auch in Bezug auf den Neustart der Beziehungen der USA zu Russland spielt Deutschland eine wichtige Rolle. Deutschlands enge wirtschaftliche Beziehungen zu Russland sieht man in den USA mit Argwohn. Der ehemalige US-Sicherheitsberater von Präsident Jimmy Carter, Zbigniew Brzezinski, warnt dementsprechend vor zu großen politischen Kompromissen gegenüber Russland, die wirtschaftspolitisch motiviert sind: "Wir wollen gute Beziehungen mit Russland. Aber wir wollen keine Beziehung, die die Errungenschaften, die mit dem Ende des Kalten Krieges verbunden sind, wieder rückgängig macht zum Nachteil etwa für die Ukraine, Weißrussland, Georgien oder für Mittel- und Osteuropa."
Problemfall Iran
In Bezug auf die amerikanische Iran-Politik sind Deutschlands Wirtschaftsbeziehungen ebenfalls ein wunder Punkt. Deutsche Exporte in den Iran umfassen - trotz eines Rückgangs - immer noch mehrere Milliarden Euro im Jahr. Innerhalb der EU bleibt Deutschland der größte Exporteur in Richtung Iran. Andererseits führt Deutschland gemeinsam mit den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates die Verhandlungen im Atomstreit mit dem Iran. Es wäre also konsequent, weitere Sanktionen, wenn sie auf UN-Ebene beschlossen werden, nicht nur zu befürworten, sondern auch selbst durchzusetzen.
Guantanamo, Afghanistan, Iran, Russland - Gelegenheiten, den USA außenpolitisch zur Seite zu stehen, gibt es für Deutschland also viele. Szabo meint, dass es an der Zeit ist, dass die Bundesrepublik ihrer Größe und Wirtschaftskraft entsprechend Verantwortung übernimmt, denn: "Die Deutschen müssen begreifen, dass Amerika sich verändert hat. Es ist schwächer geworden. Dieses neue Amerika trifft seine Entscheidungen wesentlich vorsichtiger und geht weniger Verpflichtungen ein als früher." Deswegen brauche es starke Partner in Europa, um die Probleme zu meistern.
Deutschland, warnt der Politologe, sollte sich nicht zu viel Zeit lassen, um sich als solch ein starker Partner zu profilieren. Denn die Amerikaner seien nicht besonders geduldig.
Autorin: Christina Bergmann, Washington D.C.
Redaktion: Martin Schrader