Wasser ist Leben
7. Dezember 2009Fast versteckt, gleich neben einem mächtigen Brunnen, wächst ein heiliger Baum. Eine Pappelfeige, die Doreen Grüttner erst im September an dieser Stelle gepflanzt hat. „Das ist der Baum, unter dem der Legende nach der Gautama Buddha seine Erleuchtung erfahren hat. Und ihn auszureißen, zu fällen oder ihm sonst irgendwie Schaden zuzufügen, zieht ganz schlechtes Karma nach sich“, erklärt die 29-jährige lächelnd.
Sie achtet darauf, dass es dem kleinen Baum gut geht, und er genug Wasser bekommt. Ganz langsam sickert es aus einem kleinen Tongefäß, das sie in die Erde eingegraben hat. Das nennt man hier Madga – Langsames Versickern. Dieses Prinzip wendet die Entwicklungs-Organisation, für die Doreen arbeitet, auch im großen Maßstab an, um so der wachsenden Trockenheit zu begegnen. Statt eines Tongefäßes braucht man dann ein Swimming-Pool großes Sicker-Becken. Auf dem Gelände der Organisation mit dem Namen „Ecumenical Sangam“ gibt es ein entsprechendes Modellprojekt: Nur die Wände dieses Sickerbeckens sind gemauert, der Boden ist durchlässig.
Das Wasser ist zwar weg, aber nicht verloren
Am Ende der Regenzeit war es randvoll mit Regenwasser. Inzwischen sind nur noch ein paar armselige Pfützen im Schlamm zu sehen. Natürlich verdunstet auch viel: „Diese hundert Kubikmeter Wasser, die dieses Becken fassen kann, die sind jetzt zumindest zur Hälfte im Boden versickert. Wäre dieses Sickerbecken nicht da gewesen, dann wären all diese hundert Kubikmeter einfach weitergeflossen, hätten fruchtbare Erde mit sich genommen und wären vielleicht irgendwo im Kanal dahinten verschwunden.“
Und wenn Regenwasser so schnell abfließt, dann kann es auch die natürlichen Grundwasservorräte nicht mehr auffüllen. Genau da liegt das Problem. Denn viele Bauern benutzen Wasser aus Tiefbohrbrunnen, um ihre Felder zu bewässern. Dadurch ist der Grundwasserspiegel inzwischen so weit abgesunken, dass manche buchstäblich auf dem Trockenen sitzen. Ohne Ernte. Ohne Geld. Ohne Zukunft.
Klimawandel ist Gegenwart
Der Klimawandel verschärft das Problem, weil die Regenzeiten unberechenbarer werden. Und kürzer ausfallen. Doreens Chefin, Usha Bende, findet es gerade deshalb besonders wichtig, Kleinbauern zu erklären, was sie anders machen können: „Die Maßnahmen, die wir jetzt hier als Modell haben, wollen wir den Menschen nahe bringen. Wir wollen ihnen zeigen, wie sie ihre Felder bewässern sollen. Wir sagen ihnen: Sparen Sie auch Wasser! Wir können die Zukunft verändern, aber es braucht Zeit, den Menschen zu zeigen, wie. Zuallererst müssen wir dafür ihre Bereitschaft wecken und ihnen das nötige Wissen vermitteln.“
Viele kleine Dinge bringen viel
Ein Wissen über viele kleine Maßnahmen, die ineinander greifen. Manchmal reichen schon knöchelhohe Erdwälle auf den Feldern, sogenannte Konturlinien, damit in der Monsunzeit das Regenwasser langsamer versickert. Bäume schützen den fruchtbaren Boden und verringern mit ihrem Schatten die Verdunstung. Die großen Sickergruben hingegen kosten Geld und brauchen Platz. Kleinbauern haben beides nicht. Es sei denn, sie schließen sich zusammen. Doreen Grüttner versucht ihren Teil dazu beizutragen, dass sich in den Köpfen etwas ändert: „Grundsätzlich würden viele Bauern schon einiges verändern wollen. Aber zum einen sind es eher Langzeitprofite, die man halt hätte von solchen Zukunftsinvestitionen. Das ist nichts, wovon man schon in diesem Jahr was merken wird. Und das ist auch etwas, was die Bauern, glaube ich, schwer abschätzen können. Dass, okay, der Grundwasserspiegel steigt, oder so. Ich glaube, das ist für deren Lebenswelt sehr fern.“
Vor wenigen Tagen hat der Ecumenical Sangam Bauern aus der Umgebung zum ersten Workshop eingeladen, um ihnen zu erklären, wie sie die natürlichen Ressourcen nachhaltiger nutzen können. Es ist ein weiter Weg, bis diese Saat aufgeht. Die Erfolge wird man wohl erst in einigen Jahren sehen, wenn die Pappelfeige, die Doreen Grüttner gepflanzt hat, ein stattlicher Baum geworden ist.
Autor: Mark Kleber
Redaktion: Birgit Görtz