Wechsel in Bosniens Staatspräsidium
4. Oktober 2010Der moderate Kandidat Bakir Izetbegovic nimmt wohl dem nationalistischen Amtsinhaber Haris Silajdzic den muslimischen Posten im Staatspräsidium ab, wie die Wahlkommission in Sarajevo nach Auszählung von 75 Prozent der Stimmen mitteilte.
Endergebnis steht noch aus
Der 54-jährige Sohn des verstorbenen ersten bosnischen Präsidenten Alija Izetbegovic liegt den Angaben zufolge mit einem Stimmenanteil von knapp 34 Prozent in Führung. Amtsinhaber Silajdzic kommt mit etwa 27 Prozent dagegen nur auf Rang drei. An zweiter Stelle liegt der bosnische Medienmogul Fahrudin Radoncic mit rund 30 Prozent. Izetbegovic hatte im Wahlkampf dafür geworben, die Gräben zwischen den ethnischen Gruppen in dem Balkanstaat zu überwinden.
Dem dreiköpfigen Staatspräsidium gehören neben einem Muslim noch jeweils ein Serbe und ein Kroate an. Dabei rotiert alle acht Monate der Posten des Präsidenten. Während sich bei der Neubesetzung des kroatischen Postens im Staatspräsidium ein deutlicher Sieg von Amtsinhaber Zeljko Komsic abzeichnet, liefern sich die serbischen Kandidaten Nebojsa Radmanovic und Mladen Ivanic ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Laut Wahlkommission lag Amtsinhaber Radmanovic nach jüngsten Zwischenergebnissen knapp vor seinem Herausforderer.
Kompliziertes Wahlverfahren
55 Prozent der rund 3,1 Millionen Wahlberechtigten in Bosnien-Herzegowina haben am Sonntag in einem komplizierten Verfahren ihre Stimme abgegeben, um die neue politische Führung des Landes zu bestimmen. Mit weiteren Ergebnissen auch zur Zusammensetzung des gesamtstaatlichen Parlamentes sowie über die Besetzung der Parlamente der beiden Gebietseinheiten, der Republika Srpska (RS) und der Muslimisch-Kroatischen Föderation, wird im Laufe des Montags (04.10.2010) gerechnet. Abgestimmt wurde auch über die Parlamente in den elf Kantonen sowie über den Staatspräsidenten in der serbischen Landeshälfte.
Das komplexe Institutionen-Gefüge war nach dem Bosnien-Krieg 1995 mit dem Friedensabkommen von Dayton geschaffen worden, um den verschiedenen Volksgruppen gerecht zu werden. Während die beiden Teilrepubliken weitgehende Autonomie genießen, gilt die Zentralregierung als äußerst schwach. Die ethnischen Konflikte lähmen Reformen in dem Land und schmälern dadurch die Aussichten auf einen Beitritt zur NATO und zur EU.
Wahlbeobachter waren im Einsatz
Das Land ist wegen des Streits der drei Völker seit vielen Jahren fast handlungsunfähig. Die Muslime, die knapp die Mehrheit der 3,8 Millionen Einwohner bilden, die Serben (ein Drittel) und die Kroaten blockieren durch ihre Konflikte alle wichtigen Staatsorgane.
Die Wahlen wurden von mehr als 1100 Beobachtern verfolgt. Bis auf die Jahre 2000 bis 2002, als eine moderate Koalitionsregierung das Land führte, wurde Bosnien seit dem Kriegsende von nationalistischen Gruppierungen regiert. Bosnien gehört zu den ärmsten Ländern Europas.
Autorin: Marion Linnenbrink (afp, dpa)
Redaktion: Thomas Grimmer