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Weder Staat noch Frieden: Die Palästinenser ein Jahr nach Arafats Tod

Peter Philipp11. November 2005

Zu Lebzeiten galt Jassir Arafat nicht nur in Israel als Hindernis für den Friedensprozess. Doch auch ein Jahr nach seinem Tod hat sich nicht viel bewegt. Eine Analyse von Peter Philipp.

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Jassir ArafatBild: AP


Das hätte sich vor einem Jahr keiner träumen lassen: Als PLO-Chef Jassir Arafat am 11. November 2004 nach einer mysteriösen Krankheit in einer französischen Spezialklinik starb, da waren nicht nur die Palästinenser überzeugt, dass "Abu Ammar" - so Arafats Pseudonym aus den Tagen des Untergrunds - eine Lücke hinterlassen würde, die noch auf Jahre hinaus sichtbar und spürbar bleiben würde. Ein Jahr später ist davon nichts zu merken. Zwar wird es zu seinem ersten Todestag Feierlichkeiten geben, doch die Geschichte scheint über Arafat hinweggegangen zu sein.

Granaten auf Gaza
Ein israelischer Panzer schießt am 3. November auf ein Ziel im Gaza-StreifenBild: AP

Arafats Tod hat allerdings auch nicht den Weg frei gemacht für die Lösung auch nur einiger der dringendsten Probleme, unter denen die Palästinenser leiden. Und damit erwies sich eine zweite Vorhersage als falsch: Israelische und US-Politiker hatten immer wieder betont, dass Arafat das größte Hindernis für die Fortentwicklung des nahöstlichen Friedensprozesses sei. Aber auch ohne ihre Galionsfigur sind die Palästinenser heute dem Ziel ihrer Träume kaum näher gekommen - einem Ende der israelischen Besatzung und der Ausrufung eines unabhängigen palästinensischen Staates.

Freundliche Worte, keine Taten

Machmud Abbas in Washington bei George Bush
Abbas bei seinem US-Besuch im Oktober mit BushBild: AP

Immerhin hat es aber erste kleine Schritte gegeben: Der Führungswechsel an der Spitze der PLO und der palästinensischen Autonomieverwaltung ging relativ reibungslos über die Bühne. Und Arafat-Nachfolger Mahmud Abbas konnte sich inzwischen in Washington sogar freundliche Worte von US-Präsident George W. Bush zu Gunsten eines palästinensischen Staates anhören. Konkrete Schritte in diese Richtung zeichnen sich allerdings ebenso wenig ab wie eine klare Kehrtwende in der bisher recht vorbehaltlos pro-israelischen Haltung der Vereinigten Staaten.

Ein wichtiger weiterer Schritt kam überraschenderweise von israelischer Seite: Entgegen aller skeptischen Prognosen hielt Ministerpräsident Ariel Scharon an seinem Plan fest, im Sommer den Gazastreifen zu räumen. Nicht als erste Stufe eines völligen Rückzuges, sondern eher als Versuch, es bei diesem Teilabzug zu belassen.

Scharon unter Druck

Israel: Premierminister Ariel Sharon in der Kneset
Scharon in der KnessetBild: AP

Aber es ist der palästinensischen Verwaltung unter Abbas nicht gelungen, politisches Kapital aus diesem Schritt zu schlagen: Zunächst brachen innerpalästinensische Kämpfe aus, dann begannen - trotz eines monatelangen Waffenstillstandes - wieder Angriffe auf Israel. Scharon ließ zurückschlagen: Nicht mit Panzern am Boden, sondern aus der Luft. Von einem Frieden ist man weit entfernt.

Wer die Schuld für mangelnden Fortschritt nicht allein bei Arafat gesehen hatte, der hatte doch argumentiert, dass es mit Arafat auf der einen und Scharon auf der anderen Seite keine Lösung würde geben können. Scharon aber ist weiterhin im Amt und erfreut sich inzwischen größerer Unterstützung in Washington als zu Hause: Da haben ihm einige Parteifreunde die Gefolgschaft aufgekündigt und sie könnten ihn auch zu Neuwahlen zwingen. Aber nicht, weil Scharon in ihren Augen zu wenig tut für einen Frieden.

Lähmung durch Neuwahlen

Im Gegenteil: Angeführt von Ex-Premier Benjamin Netayahu wollen sie ihm den Abzug aus Gaza nicht verzeihen und fordern eine härtere Gangart. Bisher hat Scharon sich über die Runden retten können, nun kommt er aber auch noch aus der Koalition unter Feuer: Die Arbeiterpartei wählte am Mittwochabend (9.11.) ihren Patriarchen Schimon Peres ab, der Scharon die Treue halten wollte, und Nachfolger Amir Peretz hat angekündigt, dass er das Regierungsbündnis aufkündigen wolle.

Neuwahlen in Israel werden aber jede Bemühung um Frieden auf Monate hinaus lähmen. Und das gibt den radikalen Gruppen unter den Palästinensern wieder Aufschwung: Die islamistische "Hamas" hat zwar angekündigt, sie wolle sich an den palästinensischen Wahlen Anfang kommenden Jahres beteiligen, sie denkt aber ebenso wenig wie der "Islamische Dschihad" daran, ihre grundsätzliche Ablehnung des Staates Israel aufzugeben.

Die nächsten Probleme und Schwierigkeiten sind damit vorprogrammiert und anfängliche Hoffnung ist der ernüchternden Erkenntnis gewichen, dass der Tod Jassir Arafats keine grundlegenden Veränderungen ermöglicht hat.