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Wege aus der Sackgasse

Frank Hofmann1. Februar 2016

Vor dem ersten Jahrestag der Minsker Ukraine-Verhandlungen wird hinter den Kulissen hektisch Diplomatie betrieben. Doch die Fronten sind weiter verhärtet. Aus Kiew berichtet Frank Hofmann.

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Putin und Poroschenko geben sich die Hand (Foto: Reuters/BelTa/Pool )
Vor einem Jahr: Die Präsidenten Wladimir Putin und Petro Poroschenko treffen sich in MinskBild: Reuters/BelTa/Pool

Seit dem Ende des orthodoxen Weihnachtsfestes in der ersten Januarwoche treffen sich die Diplomaten wieder jede Woche am Mittwoch in Minsk. Dabei sind auch OSZE-Vertreter und Moderatoren aus deren Mitgliedsstaaten, darunter aus Deutschland und Frankreich. In mehreren "Arbeitsgruppen" wird dann über politische und wirtschaftliche Fragen und über Waffenstillstandsbrüche zwischen Ukrainern, Russen und den von Moskau unterstützten Rebellen gesprochen.

Derzeit haben die OSZE-Beobachter tiefe Sorgenfalten, weil wieder einmal mehr gekämpft wird und Waffen zurück in die Pufferzone gebracht werden. Über Wirtschaftsfragen gibt es Verhandlungen, die von einer deutschen Vertreterin aus dem Berliner Auswärtigen Amt vermittelt werden. Hier fordern die Rebellenvertreter und Russland meist ein Ende der Kiewer Wirtschaftsblockade gegen die besetzten Gebiete. Kiew verweist darauf, dass sich "kaum eine Bank bereiterklären wird, Geldtransporter dorthin zu bringen" - aus denen dann Renten oder Sozialhilfe an die Bürger ausbezahlt werden könnten. Da könne man es den Rebellen ja gleich direkt überweisen.

Der Trumpf der Sanktionen

Gleich an zwei Tagen treffen sich jede Woche die Unterhändler der "politischen Arbeitsgruppe". Doch viel Zeitaufwand bringt nicht unbedingt viele Ergebnisse. Hier werden die Punkte der Minsker Friedensvereinbarung diskutiert, die über die Zukunft der von den prorussischen Rebellen besetzten Gebiete in der Ost-Ukraine entscheiden. Wie soll dort künftig gewählt werden? Was für einen Status soll die Region erhalten? Wie kann die Ukraine ihre Grenze nach Russland wieder kontrollieren? Nichts ist geklärt. "Wir brauchen einen neuen Impuls, um aus der Sackgasse zu kommen", sagt ein hoher ukrainischer Diplomat in Kiew.

An diesem Montag hält sich der ukrainische Präsident Petro Poroschenko zu Gesprächen in Berlin auf. Vor allem könnten sich aber nächste Woche die Außenminister des sogenannten Normandie-Formates aus Deutschland, Frankreich, Russland und der Ukraine erneut und noch vor der Münchener Sicherheitskonferenz treffen, heißt es. Der russische Außenminister Sergej Lawrow hat als Erster ein Datum genannt: den 8. Februar. Moskau will die nach Beginn des Ukraine-Krieges erhobenen Sanktionen der EU und der USA gegen Russland loswerden. Die EU-Staaten hatten sie zuletzt bis zum Sommer verlängert. Offenbar ist der Kreml auch bereit, die von ihm unterstützten Rebellenführer in den Städten Donezk und Luhansk zu opfern. Alles Gerüchte.

Soldat vor zerstörten Häusern (Foto: "DW/C. Bobyn)
Die Narben des Krieges: Zerstörte Häuser bei Mariupol in der Südost-UkraineBild: DW/C. Bobyn

Neue russische Waffenlieferungen

Allein: Signale freundlicher Verhandlungsbereitschaft lässt der Kreml offenbar missen. Im Januar hatte sich die für Europa zuständige US-Vize-Außenministerin Victoria Nuland mit dem nun für die Ukraine zuständigen Putin-Vertrauten Wladislaw Surkow in der russischen Enklave Kaliningrad getroffen. "Wir waren über die Ergebnisse der Gespräche sofort informiert", meint der Kiewer Diplomat. Konkrete Vorschläge habe Moskau aber nicht dabeigehabt. "Der Kreml will aus einer Position der Stärke heraus verhandeln", sagt ein anderer Beobachter in Kiew. So ließen sich die neuerlichen Truppenbewegungen bei den von Moskau unterstützten Rebellen erklären.

Das ukrainische Außenministerium ließ in einer schriftlichen Mitteilung Ende Januar verlauten, "nach Erkenntnissen des ukrainischen Sicherheitsdienstes" seien wieder Waffen aus Russland mit Güterzügen über die Grenze zu den Rebellen transportiert worden. Nach den Minsker Vereinbarungen vom Februar 2015 dürfte das schon heute nicht mehr passieren. Demnach sollte Kiew seit vier Wochen seine Grenze zu Russland kontrollieren. Doch nicht einmal die Beobachter der OSZE können derzeit jeden der Grenzpunkte besuchen.

Kaum zentrale Punkte umgesetzt

Doch auch die Ukraine liefert nicht mehr: In Kiew wurde bislang kein Gesetz verabschiedet, das Wahlen in den Separatistengebieten ermöglichen würde, die Verfassungsreform zur Dezentralisierung stockt, die den Gebieten einen Sonderstatus einräumen, aber auch die selbstbewussten Provinzen der West-Ukraine unabhängiger von der Zentralmacht in Kiew machen würde. Präsident Poroschenko hat dafür keine Zweidrittelmehrheit im Parlament finden können. Offen ist auch die Frage, ob die Rebellen von Kiew amnestiert werden. "Nur nach juristischer Prüfung", sagt der ukrainische Außenminister Pavlo Klimkin. Moskau will eine Generalamnestie. So geht das seit Monaten immer wieder an den Verhandlungstischen in der weißrussischen Hauptstadt Minsk.

"Wir brauchen jetzt klare Garantien, dass Vereinbarungen auch umgesetzt werden", sagt der hohe Kiewer Diplomat. Anders komme man nicht mehr weiter: "Ich will wissen, was passiert, wenn eine Seite die Vereinbarungen nicht implementiert." Ein neuer Fahrplan also. In Kiew schreiben Zeitungen bereits von einem "Minsk-III-Abkommen", allerdings ohne Hoffnung auf Umsetzung. Schließlich seien die ersten Vereinbarungen vom September 2014 im folgenden Kriegswinter und in der "russischen Aggression" danach untergegangen, sie führten zu den von Deutschland und Frankreich angeführten Verhandlungen vor einem Jahr. Der damals vereinbarte "sofortige Waffenstillstand" war erst mehr als ein halbes Jahr später ansatzweise erreicht. In Kiew hat man sich offenbar daran gewöhnt: An schnelle Lösungen für den Konflikt in der Ost-Ukraine glauben nur noch wenige.