Wegen Klagen: Kein Auftritt für Lizzo beim Super Bowl
14. August 2023Die Halbzeitshow beim Super Bowl gilt im Showbiz als Meilenstein: Wer hier auftreten darf, hat es auf der Karriereleiter ganz nach oben geschafft. Für das bevorstehende Event in Nevada im Februar 2024 war Lizzo im Gespräch - doch dieser Traum ist geplatzt. Die Sängerin, die auf Rihanna folgen sollte, wurde aus dem Rennen genommen, bestätigte ein Insider aus dem Umfeld der National Football League gegenüber der britischen Zeitung "Daily Mail". Der Grund: die heftigen Anschuldigungen gegen Lizzo. "Alle Chancen, dass sie Teil der Show ist, sind geplatzt", hieß es weiter.
Klagen wegen Belästigung und Fat-Shaming
In einer Zivilklage vor einem Gericht in Los Angeles werfen drei von Lizzos ehemaligen Tänzerinnen der Pop-Ikone und ihrem Team Machtmissbrauch vor. Das Arbeitsumfeld auf Konzerten von Melissa Viviane Jefferson, wie Lizzo bürgerlich heißt, sei von einer "übersexualisierten Atmosphäre" geprägt und es habe Vorfälle von Diskriminierung, Body-Shaming und sexueller Belästigung gegeben, heißt es in der Klage.
Die Tänzerinnen seien außerdem dazu gedrängt worden, mit nackten Stripperinnen in einem Club im Amsterdamer Rotlichtviertel aufzutreten. In Lizzos Produktionsfirma Big Grrrl Big Touring, Inc. (BGBT) hätten weiße Manager zudem den schwarzen Tänzerinnen vorgeworfen, faul und unprofessionell zu sein.
"Sexuell aufgeladenes Arbeitsumfeld"
Arianna Davis, eine der Klägerinnen, behauptet, Lizzo habe Kommentare über ihre Gewichtszunahme gemacht, bevor sie sie gefeuert habe. Crystal Williams, eine weitere ehemalige Tänzerin, sagte in einem Interview mit dem Sender Sky News, dass Lizzo in ihrem Statement auf Instagram nicht auf die Vorwürfe eingegangen sei, sondern damit lediglich das Muster bestätige, "dass immer, wenn jemand für sich selbst einsteht, so wie wir gerade", es zur Täter-Opfer-Umkehr oder zu sogenanntem "Gaslighting", also zu Manipulation in Form von Leugnen, Verschleiern und Lügen, komme.
Ron Zambrano, dessen Kanzlei Lizzos ehemalige Tänzerinnen vertritt, sagte gegenüber dem US-Sender NBC News am Dienstag, dass er weitere Anschuldigungen gegen Lizzo von mindestens sechs Personen vorliegen habe. Sie alle beklagten ein "sexuell aufgeladenes Arbeitsumfeld" und versäumte Zahlungen von Angestellten. Diese Fälle würden nun geprüft, so Zambrano. Es sei noch zu früh zu sagen, ob sie Bestand haben.
Lizzo: "Ich bin nicht der Bösewicht"
Die Vorwürfe erschüttern Lizzos Image als Bodypositivity-Ikone. Die Pop-Sängerin hatte mit einem Instagram-Posting auf die Vorwürfe reagiert und erklärt, dass sie "nicht der Bösewicht" sei, als der sie nun öffentlich dargestellt werde.
"Die letzten Tage waren äußerst schwierig und überwiegend enttäuschend. Meine Arbeitsethik, meine Moralvorstellungen und mein Respekt wurden in Frage gestellt. Mein Charakter wurde kritisiert", schrieb Lizzo. "Eigentlich reagiere ich nicht auf falsche Beschuldigungen, aber diese sind genauso unglaublich, wie sie klingen, und zu abscheulich, um sie nicht anzusprechen."
Die Vorwürfe hätten die 35-jährige Grammy-Gewinnerin sehr verletzt. "Diese aufgebauschten Geschichten kommen von früheren Angestellten, die bereits öffentlich zugegeben haben, dass ihnen gesagt wurde, ihr Verhalten auf der Tour sei unangemessen und unprofessionell gewesen." Nichts nehme sie ernster als Frauen mit Respekt zu behandeln.
Lizzos Team in Nöten
In Lizzos Team macht sich Verzweiflung breit. Spätestens seitdem die Sängerin aus dem potenziellen Aufgebot für den Super Bowl gestrichen wurde, setzen ihre Mitarbeitenden alles daran, ihre Karriere und ihren Ruf zu retten. Eine anonyme Quelle, die der Sängerin nahestehen soll, berichtete der "Daily Mail", das Team versuche verzweifelt, "eine Strategie zu finden, um ihr sinkendes Schiff zu retten".
Vorwürfe werfen Schatten auf Lizzos Image
Lizzo tritt auf der Bühne und in den sozialen Medien regelmäßig für Body-Positivity ein. Niemand sollte für sein Aussehen oder Gewicht kritisiert werden, betont sie immer wieder. Sie gilt als Gallionsfigur der Bodypositivity-Bewegung und ist für ihre Inklusivität bekannt. "Ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn man ständig wegen seines Körpers kritisiert wird und ich würde nie jemanden wegen seines Gewichts kritisieren oder entlassen", entgegnete sie nun der Tänzerin, die ihr vorwirft, sie hätte sie wegen ihres Gewichts gemobbt. "Ich gehe sehr offen mit meiner Sexualität um und drücke mich selbst aus, aber ich kann nicht akzeptieren oder zulassen, dass Leute diese Offenheit ausnutzen, um mich als etwas darzustellen, das ich nicht bin."
Dass sich die Sängerin Kritik in der Vergangenheit zu Herzen nahm, zeigt sich an einem Vorfall, der sich vor gut einem Jahr ereignete. In ihrer Single "Grrrls" benutzte Lizzo das Slang-Wort "spaz", ein beleidigendes Wort für Menschen mit Behinderung. Nachdem sich Fans darüber beschwert hatten, nahm sie Teile des Songs neu auf und veröffentlichte den Track in einer überarbeiteten Version neu - ohne den verletzenden Begriff.
Popstars zeigen sich solidarisch mit Lizzo
Lizzos Statement stieß bei ihren Followern auf gemischte Reaktionen. Es gab viele Solidaritätsbekundungen. Und auch wenn bisher nur wenige Stars das Posting kommentiert haben, wurde er doch von einer Vielzahl von Prominenten "geliked", unter anderem von dem queeren Rapper Lil Nas X, Britney Spears' Schwester Jamie Lynn Spears, Ozzy Osbournes Tochter Kelly Osbourne, der Schauspielerin Jennifer Garner, "Pose"-Star Billy Porter, "Heartstopper"-Star Joe Locke und "Queer Eye"-Moderator Jonathan van Ness.
Die US-Schauspielerin Kristin Chenoweth kommentierte: "Es wird bald vorbei sein. Halte deinen Kopf hoch, Mädchen. Du weißt, wer du bist. Andere nutzen gerne die Gelegenheit, um zu bekommen, was sie können. Ignoriere sie einfach." Auch die Drag Queen Ada Vox meldete sich in der Kommentarspalte zu Wort: "Ich kenne viele Leute und andere Künstler, die mit und für dich gearbeitet haben. Ich habe noch nie gehört, dass jemand etwas anderes als fantastische Dinge über die Energie und das Arbeitsumfeld gesagt hat. Ich hoffe und bete, dass sich das alles bald aufklärt." Die kanadische Musikerin Grimes betonte in einem Tweet, dass Lizzo zu ihr immer nett gewesen sei.
Scharfe Kritik an Lizzo
Die Filmemacherin Sophia Nahli Allison, die 2019 eine Doku über Lizzo drehen wollte, teilte in den sozialen Medien ihre negativen Erfahrungen mit der Sängerin. In ihrer Instagram-Story schrieb sie: "Normalerweise kommentiere ich nichts, was mit Popkultur zu tun hat, aber 2019 bin ich als Regisseurin ein bisschen mit Lizzo gereist, um eine Doku zu drehen. Ich bin nach etwa zwei Wochen gegangen. Ich wurde von ihr so respektlos behandelt." Sie habe miterlebt, "wie arrogant, egozentrisch und unfreundlich" die Sängerin sei. Diese Erfahrung habe sie "tief verletzt". Als sie von den Vorwürfen gegen Lizzo gelesen habe, sei ihr klar geworden, wie gefährlich die Situation damals gewesen sei.
Auch von anderen Social-Media-Nutzenden wurde Lizzo scharf kritisiert. Sie würde keine Verantwortung für ihre Handlungen übernehmen, hieß es. Ein Follower kommentierte: "Es geht nur um 'ich und ich'. Ich bitte dich. Du warst ihr Arbeitgeber. Es ist dein Job, professionell zu bleiben. Deine Mitarbeiter interessieren sich nicht für deine Sexualität."
Aktuell steht Aussage gegen Aussage. Bis ein Urteil gefallen ist, gilt die Unschuldsvermutung. Der Rechtswissenschaftlerin Diana Reddy zufolge, die sich in der "New York Times" zu dem Fall äußerte, stehen die Chancen gut, dass Lizzo rechtlich unbeschadet aus dem Verfahren hervorgeht. Allerdings hat ihr Image schon jetzt beachtlich gelitten. 150.000 Follower auf Instagram haben sich von ihr abgewendet und auch die Streamingzahlen sind seit den Vorwürfen rückläufig.
ts/pj/rey/pg/suc (dpa, AFP, taz, New York Times, WDR)
Dies ist die aktualisierte Fassung eines Artikels vom 07.08.2023.