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Terror gegen Pakistans Schiiten

Shamil Shams18. Februar 2013

Erneut ist die schiitische Bevölkerung in Quetta in West-Pakistan Zielscheibe eines Anschlags geworden. Experten sehen den Staat hilflos gegenüber der Gewalt der Extremisten, die er einst gefördert hat.

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Trauer und Protest in Karatschi nach Bombenanschlag in Quetta (Foto: Getty Images)
Trauer und Protest nach Bombenanschlag in Quetta PakistanBild: BANARAS KHAN/AFP/Getty Images

Eine in einem Wassertankwagen versteckte Bombe explodierte am Samstag (16.02.2013) in einem Markt im Schiitenviertel am Stadtrand von Quetta und riss über 80 Menschen in den Tod. Im Januar wurden bei einem Anschlag auf Schiiten in Quetta über 90 Menschen getötet. Zu beiden Anschlägen bekannte sich die militante Sunniten-Organisation Lashkar-i Jhangvi (Armee Jhangvis), benannt nach dem radikalen Sunniten Haq Nawaz Jhangvi, der in den 1980er Jahren gegen die Schiiten in Pakistan und gegen den Iran unter Chomeini agitierte. 

Vertreter der rund 500.000 Schiiten in Quetta, die zur Volksgruppe der Hazara gehören, werfen der pakistanischen Regierung Nichtstun gegenüber der terroristischen Bedrohung vor. "Die Regierung ist für die Terrorangriffe und die Massaker an Menschen der Hazara-Volksgruppe verantwortlich, sie hat es versäumt, die Sicherheitskräfte gegen die Extremisten einzusetzen", so Aziz Hazara, Vizeprädident der Hazara Democratic Party, gegenüber Medien nach dem jüngsten Attentat.

"Ethnische Säuberungen"

Schon das Jahr 2012 galt als eines der schlimmsten für die Schiiten in Pakistan. Durch Terroranschläge kamen in jenem Jahr rund 300 Menschen dieser Glaubensrichtung ums Leben, schätzen Menschenrechtsgruppen. Die Attentate waren nicht auf Quetta beschränkt. In der Garnisonstadt Rawalpindi bei Islamabad sowie in der Region Kurram im Nordwesten des Landes an der Grenze zu Afghanistan wurden im November 2012 bis zu 30 Personen getötet.

Anschlagsort in Rawalpindi (Foto: Reuters)
Auch im Militärstützpunkt Rawalpindi schlugen Extremisten im vergangenen Jahr gegen schiitische Ziele zu.Bild: Reuters

Auch das Territorium Gilgit-Baltistan (früherer Name: Northern Areas) in der Region Kaschmir ist ein Brennpunkt der Gewalt gegen Schiiten. So hielten im August vergangenen Jahres als Sicherheitsleute getarnte Terroristen einen Überlandbus auf der Fahrt von Rawalpindi nach Gilgit an und sortierten die Passagiere aus, die aufgrund der Namen in ihren Papieren als Schiiten kenntlich waren. 22 Passagiere wurden kaltblütig erschossen, Taliban bekannten sich zu dem Massaker. Beobachter sprechen inzwischen schon von "ethnischer Säuberung" in Pakistan.

Staat agiert hilflos

Die Zentralregierung setzte nach dem Massaker von Januar die Provinzregierung Belutschistans ab und unterstellte die Provinz der  Direktverwaltung Islamabads. Mit dieser Maßnahme reagierte sie auf die massiven Proteste der betroffenen Bevölkerungsgruppe und der Zivilgesellschaft in Quetta und anderen Landesteilen. Beobachter und Aktivisten sehen darin aber keine überzeugende Maßnahme, die die Geißel der ethnischen Gewalt gegen die Schiiten wirkungsvoll bekämpft. Sikandar Hayat Janjua arbeitet für die linksgerichtete Awami Workers Party in Karatschi. Gegenüber der Deutschen Welle sagte er, sei "töricht" anzunehmen, dass die Regierung ernsthaft gegen die sunnitischen Extremisten vorgehen werde. "Lashkar-i Jhangvi ist ein bewaffneter Arm des pakistanischen militärischen Geheimdienstes ISI, und keine Organisation geht gegen ihre eigene Einheit vor". 

Rikscha mit Friedenssymbolen in Karatschi (Foto: DW)
Mutigen privaten Initiativen (hier ein Friedens-Rikschafahrer in Karatschi) steht offizielle Hilflosigkeit gegenüber.Bild: DW/U. Fatima

Nicht nur die Schiiten seien Opfer der Untätigkeit des Staates, sondern die Mehrheit der Bürger. "Pakistan steuert einen völlig falschen Kurs und ist aufgrund der vorherrschenden Politik in seiner Existenz bedroht", so die harsche Einschätzung des Politikexperten Ali Chishti aus Karatschi.

Erbe Zia ul-Haqs

Kenner der pakistanischen Politik sehen die Ursprünge der Gewalt gegen die Schiiten in der Politik des früheren pakistanischen Militärherrscher Zia ul-Haq. Damals, in den 1980er Jahren, kämpften die afghanischen Mudschahedin gegen die sowjetischen Truppen in ihrem Land. Die Nachbarländer Iran und Pakistan versuchten, ihre jeweiligen Machtinteressen in dem vom Bürgerkrieg zerrissenen Land zu wahren und ihren Einfluss zu sichern. Einen Weg, um den Iran zu schwächen, sah Zia ul-Haq in der Bewaffnung und Finanzierung anti-schiitischer und fundamentalistischer Sunniten (Wahhabiten) in Pakistan. So wollte er einerseits pro-iranische Kräfte im eigenen Land schwächen und gleichzeitig Pakistans Einfluss in Afghanistan stärken.

Präsident Zia ul-Haq (Foto: AP, 1986)
Präsident Zia ul-Haq (Foto von 1986) leitete die verhängnisvolle Allianz des Staates mit Extremisten ein.Bild: AP

Wandel in weiter Ferne

Diese Politik der Instrumentalisierung extremistischer religiöser Gruppen wie der Taliban habe sich inzwischen gegen Pakistan selbst gerichtet, sagt der in London ansässige pakistanische Journalist Amin Mughal. Der Staat habe die Lage nicht mehr unter Kontrolle. "Das Ganze ist die logische Folge politischer Entscheidungen, die sich auf religiöse Überzeugungen stützen", so Mughal gegenüber der Deutschen Welle. Der einzige Weg aus der Krise bestehe in der Regierungsübernahme durch "wirklich säkulare" Parteien, die einen grundlegenden politischen Wandel einleiten könnten.

Zu solchen zukunftsweisenden Kräften zählen nach Ansicht von Beobachtern aber weder die regierende Pakistanische Volkspartei (PPP) noch die vom ehemaligen Premier Nawaz Sharif geführte moderat-konservative Pakistan Muslim League (PML-N). "In Pakistan ist einfach die Einsicht nicht angekommen, dass der Krieg gegen den Terror sein eigener Krieg ist", sagt der in den USA lebende Pakistan-Experte Malik Siraj Akbar. Die Parteien aller Richtungen hätten sich unfähig gezeigt, die breite Bevölkerung im Kampf gegen Extremismus und Terrorismus hinter sich zu vereinen.