Weitere Festnahmen in Istanbul
14. Januar 2016Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu hat bestätigt, dass der Selbstmordattentäter von Istanbul vor seinem Terroranschlag auf eine deutsche Reisegruppe als Flüchtling in die Türkei eingereist ist. Der Syrer sei nicht als Terrorverdächtiger unter Beobachtung gewesen, sagte der Regierungschef. Die türkischen Behörden hatten schon wenige Stunden nach dem Anschlag verkündet, der Attentäter sei als 28-jähriger Syrer und Anhänger der Dschihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) identifiziert worden. Nun würden alle seine Verbindungen untersucht. Sieben Verdächtige sind in der Türkei inzwischen im Zusammenhang mit dem Anschlag in Polizeigewahrsam.
Zehn deutsche Staatsbürger sind nach Angaben der Bundesregierung bei dem Attentat getötet worden. Fünf weitere Deutsche lagen noch auf der Intensivstation, teilte das Auswärtige Amt mit. Außerdem gebe es drei Leichtverletzte. Der türkische Innenminister Efkan Ala sagte, insgesamt würden elf Verletzte noch in Krankenhäusern behandelt, darunter auch ein Norweger und ein Peruaner.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière reiste nach Istanbul und besuchte mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu Verletzte. Anschließend fuhren beide zum Anschlagsort in der Nähe der Blauen Moschee im Altstadtviertel Sultanahmet. Dort legten der Minister und der Regierungschef rote Nelken nieder, die in der Türkei Ausdruck der Trauer sind.
Attentäter nicht zweifelsfrei identifiziert
De Maizière konnte nicht bestätigen, dass der Selbstmordattentäter zweifelsfrei identifiziert wurde. Im Interview der ARD-Tagesthemen sagte de Maizière: "Man hat diesen Mann insoweit identifiziert, dass es ein Personaldokument gibt, aber ob dieses Personaldokument zu diesem Mann gehört, ist alles noch Gegenstand der Aufklärung". Deutschland habe zunächst vier BKA-Beamte nach Istanbul geschickt. Diese bekämen vollen Zugang zu allen Ermittlungsergebnissen. "Nach bisherigem Ermittlungsstand liegen keine Hinweise darauf vor, dass der Anschlag gezielt gegen Deutsche gerichtet war", sagte de Maizière. In der kommenden Woche soll in Berlin bei deutsch-türkischen Regierungskonsultationen über die Lage beraten werden.
In der Zwischenzeit werden immer mehr Details über den Attentäter bekannt: Die Nachrichtenagentur DHA meldete unter Berufung auf die Polizei, bei seiner Registrierung als Flüchtling seien dem Attentäter namens Nabil Fadli am 5. Januar in Istanbul Fingerabdrücke abgenommen worden. Diese hätten nun dabei geholfen, ihn als Attentäter zu identifizieren. Fadli sei bei der Registrierung von vier Menschen begleitet worden. Unklar blieb, ob es sich bei diesen vier Gesuchten um die Festgenommenen vom Mittwoch handelte, von denen Davutoglu sprach. Die arabische Tageszeitung "Al-Hayat" zitierte einen Sprecher des saudischen Innenministeriums, wonach der Attentäter in Saudi-Arabien geboren wurde. Er habe aber die syrische Staatsbürgerschaft gehabt und Saudi-Arabien bereits 1996 im Alter von acht Jahren mit seiner Familie verlassen.
Vorerst keine verschärften Reisehinweise
Über das Wann und Wie einer Rückführung der Toten und Verletzten nach Deutschland ist noch nicht entschieden. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums ist die Bundeswehr dazu bereit. Die betroffene Reisegruppe des Berliner Veranstalters Lebenslust Touristik wurde von Seelsorgern betreut. Die Gruppe mit 33 Mitgliedern kommt aus dem gesamten Bundesgebiet. Das Unternehmen organisiere derzeit die Rückkehr nach Deutschland für diejenigen, die den Urlaub nicht fortsetzen wollten.
Deutschland werde die Reisehinweise dann anpassen, wenn mehr über den Hintergrund der Tat und des Täters bekannt sei, sagte Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Auch de Maizière betonte trotz des Anschlags: "Ich sehe keinen Grund, von Reisen in die Türkei abzusehen." Man dürfe dem Terror nicht nachgeben. "Wir wollen unser Verhalten, unser Leben nicht verändern. Wir werden vor dem Terrorismus nicht zurückweichen." Er kündigte an, Deutschland und die Türkei wollten ihre Zusammenarbeit im Kampf gegen Terrorismus verstärken. Das Auswärtige Amt empfiehlt allerdings dringend, Menschenansammlungen auf öffentlichen Plätzen und vor Sehenswürdigkeiten zu meiden.
Der Bundestag gedachte in seiner ersten Sitzung im neuen Jahr mit einer Schweigeminute der Opfer das Anschlags. Der Berliner Senat ordnete Trauerbeflaggung für seine Dienststellen an. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat nach dem Anschlag in Istanbul den Angehörigen der zehn getöteten Deutschen ihr Mitgefühl ausgesprochen. "Ich trauere um unsere Landsleute", sagte Merkel. "Wir denken voller Anteilnahme an die Familien, denen mit dem Verlust eines geliebten Menschen unendlich viel Leid zugefügt worden ist." Deutschland dürfe sich dem Terrorismus auch nach tödlichen Angriffen nicht geschlagen geben. "Ziel des internationalen Terrorismus ist es, unser freies Leben in freien Gesellschaften anzugreifen», sagte die Kanzlerin. Dies werde nicht gelingen. "Das freiheitliche Leben ist stärker als der Terror", betonte sie: "Unsere Entschlossenheit, gemeinsam gegen den Terror vorzugehen und unsere Freiheit werden sich gegen den Terror durchsetzen. Davon bin ich überzeugt."
pab/stu (afp, dpa, rtr)