Wenig Hoffnung auf Wandel
6. September 2015Extreme soziale Ungleichheit, unterernährte Kinder, fehlende öffentliche Mittel. Dies sind nur drei der zahlreichen Probleme, die es in Guatemala aktuell zu lösen gilt. Hinzu kommt die alles beherrschende Korruption, welche wegen der schweren Vorwürfe gegen den Präsidenten Otto Pérez Molina nun Thema Nummer Eins im Land ist.
Seit fast fünf Monaten kommt es in dem mittelamerikanischen Land immer wieder zu Demonstrationen gegen Korruption und für die Absetzung Pérez Molinas. Zuletzt mit einem ersten Erfolg: Das Parlament entzog dem Präsidenten am 1. September die Immunität. Pérez Molina trat daraufhin von seinem Amt zurück und wurde aufgrund von Fluchtgefahr direkt in Untersuchungshaft genommen. Dem ehemaligen Präsidenten wird vorgeworfen, einer der führenden Köpfe des Korruptionsnetzwerks "La Linea" beim guatemaltekischen Zoll gewesen zu sein. Ein Netzwerk, das Importeuren gegen Schmiergeldzahlungen Zollabgaben erließ.
Unabhängig von den Ereignissen um diesen großen Korruptionsskandal finden an diesem Sonntag turnusmäßig die Wahlen für ein neues Staatsoberhaupt, ein neues Parlament sowie 338 Bürgermeister statt. Pérez Molina stand dabei nicht als Kandidat zur Wahl, da er seine maximale Amtszeit von vier Jahren bereits erfüllt hatte.
Das Thema Korruption und Bestechlichkeit ist damit aber nicht vom Tisch. Nach Angaben der UN-Kommission gegen Straffreiheit (CICIG) hat die Mehrheit der antretenden Parteien illegale Zahlungen erhalten und gegen zahlreiche Kandidaten wird wegen Korruption ermittelt. Dass die Wahlen angesichts solch einer Situation einen wirklichen Wandel bringen, glauben die Wenigsten.
Schwarzbauer: "Wahltermin muss eingehalten werden"
Doch die Verschiebung der Wahl, wie es viele Guatemalteken forderten, wäre keine gute Idee gewesen, meint Annette Schwarzbauer, Leiterin des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Guatemala und Honduras. Auch wenn sie ebenfalls nicht daran glaubt, dass die Wahlen schnelle Lösungen der zahlreichen Probleme des Landes bringen, müssten sie durchgeführt werden, um gesetzliche Vorschriften und die institutionellen Abläufe einzuhalten.
Joachim Schlütter von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Zentralamerika hält die Einhaltung des Wahltermins ebenfalls für "unbedingt notwendig". Nur so könne man eine Grundlage für politische Reformen legen. Die nächste Regierung werde die Macht übernehmen "in einem Klima fehlender Legitimität, einer starken Überwachung von Bürgerseite und einem fragmentierten Kongress", sagt Schlütters. "Diese fragile Situation kann dazu führen, dass die Zivilgesellschaft von Grund auf politische Reformen anstößt. Reformen, die dieses Land dringend braucht."
Wahlprogramme ohne Finanzierungsmodelle
Doch was stand zur Wahl? Einer Analyse des auf Steuerpolitik spezialisiertem zentralamerikanischen Forschungsinstituts "Icefi" zufolge sind die Wahlprogramme der meisten Parteien oberflächlich und sagen nicht, wie die vielen Wahlversprechen finanziert werden sollen.
Aussichtsreichster Kandidat ist derzeit Jimmy Morales von der Partei FCN, der als TV-Komiker bekannt wurde. "Jimmy Morales ist der Newcomer bei diesen Wahlen", sagt Joachim Schlütter von der Friedrich-Ebert-Stiftung. "Er hat es geschafft, die Unzufriedenheit über die Korruption sowie die Ablehnung gegen die traditionelle Politik, für sich zu nutzen." Der Mann ist erst vor Kurzem in die Politik gegangen, weswegen er als Alternative zu den etablierten Politikern gilt.
Die Umfragewerte der Regierungspartei um Pérez Molinas Partido Patriota (PP) rauschten seit seiner Festnahme dagegen in den Keller: von 17 auf aktuell noch drei Prozent. Annette Schwarzbauer von der Konrad-Adenauer-Stiftung glaubt sogar, dass die PP nach den Wahlen ganz von der politischen Bühne verschwinden könnte.
"Der Korruptionsskandal hat das Wahlszenario komplett verändert", so Joachim Schlütter. Er geht davon aus, dass Präsidentschaftskandidat Jimmy Morales in die Stichwahl am 28. Oktober gehen wird. Wer sein Kontrahent sein wird, sei dagegen noch nicht absehbar.
Annette Schwarzbauer glaubt, dass die Festnahme des ehemaligen Präsidenten Pérez Molina einen positiven Effekt auf die Wahlen hat. Sie zeige, dass es auch in Guatemala rechtsstaatliche Grenzen für einen Politiker gibt und dass die Demokratie zum Teil noch funktioniert. Auch wenn die meisten der Parlamentsmitglieder wohl nur für die Aufhebung von Pérez Molinas Immunität gestimmt hatten, um ihre eigenen Chancen bei der Wahl zu erhöhen, wendet Schwarzbauer ein.