Wenn der Tourismus Rücksicht nimmt
15. September 2004Grindwale - sie sind die "Stars" der Wal-Beobachtungen auf den Kanaren. Zwar gibt es auf den Kanarischen Inseln fast 30 Wal- und Delphinarten zu sehen - darunter Pottwale, Orcas und Buckelwale - doch die meisten Touren führen zu den Grindwalen. Diese auch Pilotwale genannten Meeressäuger sind vor allem vor Teneriffa besonders leicht zu entdecken. Hier halten sich das ganze Jahr über etwa 500 der bis zu sechs Meter langen Wale auf.
In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Touren sprunghaft angestiegen - möglichst viele Anbieter wollen ein Stück von dem inzwischen auf jährlich rund 20 Millionen Euro geschätzten Geschäft abbekommen. Eine Million Menschen buchen hier jedes Jahr eine Schiffstour zu den Meeressäugern.
Für die Tiere, die sich vor allem akustisch orientieren, bringen mehr Ausflugsboote aber auch mehr Lärm. Fabian Ritter von der Walschutzorganisation M.E.E.R. schildert das Problem. "Im Grunde ist auf Teneriffa das große Problem die schiere Masse der Menschen, die dort auf dem Meer transportiert wird. Mit mehr als 30 Booten, die täglich bis zu drei Mal rausfahren, ist das schon ein massentouristisches Geschehen."
Sensible Tiere
Nicht nur die Masse, auch die Klasse stimmt oft nicht. Verantwortungslose Bootsführer fahren teilweise zu dicht an die Tiere, schrecken diese auf und riskieren, sie zu verletzen. Forscher warnten auch davor, dass die Tiere bei zu viel Stress ganz von den Inseln verschwinden könnten.
Der Tourismuskonzerne TUI stellte aus diesen Gründen Mitte der 1990er Jahre alle Wal-Touren ein. Doch die Touristen wollten weiter auf Wal-Beobachtung gehen und buchten dann eben bei Drittanbietern. 2002 reagierte der Konzern und nahm wieder Ausflüge zu den Meeressäugern ins Programm.
Um sicherzustellen, dass sie die Tiere möglichst wenig stören, entwickelte man aber mit den Walschützern von M.E.E.R. Standards, die über die gesetzlichen
Vorschriften für Wal-Beobachtungen in Spanien hinaus gehen. Der Grundgedanke ist, dass der Mensch die Wale in ihrem Element respektieren soll: Es dürfen zum Beispiel maximal drei Boote im Umkreis von 300 Metern zu einer Walgruppe sein. Ein einzelnes Boot darf sich auch nicht mehr als 60 Meter nähern.
Geringer Aufwand, großer Nutzen
Thomas Himstedt, Biologe und beim TUI-Umweltmanagement für die Artenvielfalt zuständig, erklärt, wie diese Regelung umgesetzt wird: "Das Boot nähert sich bis auf die empfohlene oder vorgeschriebene Distanz, dann werden die Motoren in den Leerlauf gestellt, das heißt das Boot treibt. Man stellt dann immer wieder fest, dass sich die Wale aus freien Stücken weiter den Booten nähern. Das ist dann so auch erlaubt." Zusätzlich ist immer eine Meeresbiologin an Bord, die über das Wohlergehen der Tiere wacht und die Teilnehmer über die Wale informiert.
Die Information der Touristen spielt eine zentrale Rolle bei der Kooperation zwischen der TUI und M.E.E.R., sagt Vereinsvorstand Fabian Ritter: "Wir stehen in ständigem Dialog und haben zu Beginn der Kooperation einen gemeinsamen Informationsflyer für Touristen entworfen. Da floss unser Know-how und unser Wissen über sanftes Whale-Watching ein. Die TUI hat diesen Flyer aufgelegt und seitdem wird er auch regelmäßig an die Kanaren-Touristen verteilt."
Zusammen mit einem spanischen Partner bietet M.E.E.R. e.V. auf der Insel La Gomera besonders umweltfreundliche Waltouren an, die ebenfalls über die TUI gebucht werden können. Ein Teil des Tourpreises geht dabei als Spende an den Verein.
Vorbild macht Schule
Fabian Ritter sieht die ungewöhnliche Kooperation als Projekt mit Vorzeigecharakter: "Es ist so, dass wir über diese Kooperation mit der TUI natürlich sehr viele Touristen erreichen, die wir früher nicht erreicht haben. Das heißt, die Menschen kommen schon besser informiert auf der Insel an. Dieser Vorzeigecharakter sowohl dieses Projekts auf Gomera als auch dieser Touren, die von der TUI inzwischen ganz gezielt gebucht werden, das wirkt sich sicher auch auf andere Anbieter auf Teneriffa aus."
Für die TUI ist die Kooperation eine Möglichkeit, ihren Kunden auf den Kanaren wieder direkt Wal-Touren anbieten zu können, ohne befürchten zu müssen, dass dabei rücksichtslose Kapitäne den Walen schaden.
Dabei habe man aber nie befürchtet, dass das Ansehen des Unternehmens leiden könnte, sagt Thomas Himstedt von der TUI: "Es war nie ein Imageproblem. Auch damals, als
wir gesagt haben, wir stoppen das Ganze: Da wussten einfach viel zu wenig Leute über die Situation Bescheid, als dass es ein Imageproblem wäre. Es stellt sich eigentlich
ein anderes Problem: Die fast 30 Wal- und Delphinarten, die da vor Ort gezählt werden und die ganzjährig zu beobachtenden Pilotwale und Großen Tümmler stellen eine Besonderheit für die Kanarischen Inseln und Teneriffa dar. Und es ist der Anspruch von TUI zu sagen, wir wollen das Ganze eben nicht kurzfristig nutzen, sondern wir möchten das nachhaltig nutzen. Das heißt, es soll für zukünftige Generationen auch erhalten bleiben."