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Gemeinsam gegen Armut und Ausgrenzung

14. April 2011

Sie bieten Armut und Ausgrenzung die Stirn - die Menschen der Kölner Stadtteile Höhenberg und Vingst - kurz HöVi genannt. Treibende Kraft ist ihr Pastor Franz Meurer. "Wer es macht, hat Macht" ist seine Devise.

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Portraitaufnahmen von Franz Meurer, Pastor in den Kölner Stadtteilen Höhenberg und Vingst (Foto: Beatrix Beuthner)
Pastor Franz Meurer engagiert sich für soziale IntegrationBild: DW/Beatrix Beuthner

Er ist ein Mann um die Sechzig, mit einer herzlichen Ausstrahlung und einem schelmischen Lächeln in den Augen. Wenn Pastor Meurer den Gottesdienst hält, ist die Kirche St. Theodor immer voll. Die Menschen rücken zusammen - und nicht nur auf der Kirchenbank. Sie wollen ihr Leben gemeinsam meistern und dabei jeden einbeziehen, jedem Würde und Respekt entgegenbringen, unabhängig von Religion, Glaube und nationaler Herkunft.

Schwarmintelligenz nutzen

Es ist genau diese Form des Miteinanders, für das sich die Menschen in HöVi im Alltag engagieren. Hier bringen sie sich ein, mit ihren Wünschen und Bedürfnissen, mit ihren Fähigkeiten und Kenntnissen. Und genau das ist es, wozu Pastor Franz Meurer sie ermutigt. "Diese Schwarmintelligenz, diese Gruppenklugheit, die nehmen wir in Anspruch, denn die Lösungen von Oben, vom Staat, von der Wirtschaft, von der Kommune allein können die Probleme der Menschen nicht lösen."

Menschen vor dem Eingang der Kirche St. Theodor in Köln (Foto: Beatrix Beuthner)
Auf dem Weg zum GottesdienstBild: DW/Beatrix Beuthner

Problemlösungen sind für HöVi existentiell. Die beiden Stadtteile sind geprägt von hoher Arbeitslosigkeit, gleichzeitig leben dort viele Menschen mit Migrationshintergrund und viele alleinerziehende Frauen. Deshalb werden unterstützende Angebote gerne angenommen, und die erhalten die Menschen in den Sozialräumen der Kirche. Einige Haupt- und viele Ehrenamtler aus HöVi arbeiten hier mit. Gebrauchte Kleidung und Bettwäsche werden von ihnen sortiert und für einen Obolus zum Verkauf angeboten. Die Helfer geben auch Kinderspielzeug und gespendete Lebensmittel an diejenigen aus, die in den Geschäften von ihrem wenigen Geld nicht genug kaufen können, um sich und ihre Familien satt zu bekommen.

HöVi - gelebte Nachbarschaft

Angefangen hat alles in den frühen 1990er-Jahren mit einer Kinderfreizeit in HöVi, die seither jährlich stattfindet. Hier, wie auch bei allen anderen Maßnahmen, zeigt sich Pastor Meurer als ein Mann, der auch selbst mit anpackt, der aktives Gestalten vorlebt, wenn es darum geht, aus HöVi ein Vorzeigeprojekt kirchlichen Stadtteilmanagements zu machen. "Er geht immer mit gutem Beispiel voran und ist jemand, der den Leuten zeigt, wie sie selbst auch in der Lage sein können, etwas für ihre Gemeinde, für ihren Stadtteil, für die Menschen, die hier leben, zu tun", sagt Sozialraumkoordinator Andreas Hildebrand.

Regale, in denen Kinderspielzeug liegt (Foto: Beatrix Beuthner)
Spielzeug für die KleinenBild: DW/Beatrix Beuthner

Schon deshalb haben die Menschen hier begonnen, Verantwortung für HöVi zu tragen. Die Übernahme von Patenschaften für ein Blumenbeet am Straßenrand oder für einen Spielplatz, der bislang umstrittenes Terrain von Kindern und Drogenabhängigen war, zeigen Wirkung. Sie verschönern das Aussehen des Viertels und helfen, Konflikte zu lösen oder ganz zu vermeiden. Aber vor allem tragen sie dazu bei, HöVi zu einem Ort werden zu lassen, an dem sich seine Menschen heimisch und geborgen fühlen. Und das ist, weiß Pater Meurer, wichtig und notwendig. "HöVi ist im Kern die Bereitschaft, den Menschen im Viertel zu nutzen und die Bereitschaft, Hilfe anzunehmen. Das ist Nachbarschaft - man muss Nachbarschaft leben."

Barmherzigkeit - die Macht des Einzelnen

Das Zusammenleben in HöVi orientiert sich an dem Gedanken, eigenverantwortlich zu handeln und nicht ausschließlich auf Problemlösungen des Staates zu setzen. Die kirchliche Soziallehre stand bei diesem praktischen Ansatz ebenso Pate, wie die Montessori-Pädagogik mit ihrer Aufforderung "Hilf mir, es selbst zu tun". Angesichts des Abbaus sozialer Leistungen ist dies für Meurer nur konsequent. "Diese Vorstellung eines absoluten Vorsorge- und Fürsorgestaates, das hat nur mal kurze Zeit funktioniert. Jetzt ist der Traum vorbei und jetzt muss man selber gucken, dass etwas funktioniert."

Bepflanzte, blühende Fläche am Straßenrand in Köln-Vingst (Foto: Beatrix Beuthner)
HöVi blüht auf - auch am StraßenrandBild: DW/Beatrix Beuthner

Und weil in HöVi vieles bereits bestens funktioniert, die Menschen gut zusammen arbeiten und sich erprobte Strukturen verfestigt haben, könnte Pastor Meurer stolz auf das Erreichte sein. Doch Erfolg verbucht er nicht für sich, denn: An allem, was gelingt sind eben viele beteiligt, viele Einzelne. "Was wir wachrufen, ist Barmherzigkeit. Barmherzigkeit ist das Privileg des Individuums, ist die Macht des Einzelnen. Niemals kann der Staat barmherzig sein. Oder die Wirtschaft. Sondern nur der Einzelne kann sich zuwenden oder abwenden."

Autorin: Beatrix Beuthner

Redaktion: Susanne Henn