1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Leben auf der Müllhalde

1. Dezember 2010

Wer in den Slums von Manila krank wird, hat keine Chance auf Hilfe. Die Menschen können sich weder Ärzte noch Medikamente leisten. Die von der Regierung versprochene Krankenversicherung haben nur wenige bekommen.

https://p.dw.com/p/M5Tf
Jugendliche sammeln Müll auf einer Müllhalde (Foto: Eva Mehl)
Die Smokey Mountains in ManilaBild: DW

Rauch steigt auf über den Smokey Mountains auf den Philippinen. Antonio Taglucop sucht auf der Müllkippe nach verwertbaren Resten im Abfall. Die verkauft er und verdient ein bisschen Geld. Doch von den 70 Pesos, umgerechnet 1 Euro am Tag, kann er seine Frau, zwei Kinder und drei Enkelkinder kaum ernähren. Diego Taglucops Familie war einmal größer, doch sechs seiner Kinder sind gestorben. "Wenn Leute wie wir krank werden, dann sterben sie einfach. Für uns auf der Müllhalde gibt es keine Unterstützung", sagt er. Antonio selbst leidet an Tuberkulose - wie viele Müllmenschen von Manila.

Hoffnung auf ein besseres Leben

Porträt von Diego Tablucop (Foto: Eva Mehl)
Antonio Taglucop ist einer der vielen MüllsammlerBild: DW

Auf dem Gelände der Smokey Mountains leben rund 3000 Müllsammler. Auf der städtischen Müllkippe von Payatas am anderen Ende der Stadt sind es 60.0000. Viele sind in die Hauptstadt gekommen, weil sie dem Elend auf dem Land entfliehen wollten. Ihre Hoffnung auf ein besseres Leben in Manila hat sich jedoch nicht erfüllt. Die Menschen leben in Verschlägen aus Lumpen, Pappe, Holz und Wellblech. Acht- bis zehnköpfige Familien kämpfen jeden Tag gegen Krankheit und Hunger - ohne jede soziale Absicherung.

Dabei rühmt sich die philippinische Regierung, die arme Bevölkerung von den Mitgliedsbeiträgen für die staatliche Krankenversicherung Phil Health zu befreien. Für den Gesundheitsminister Francisco T. Duque III ist dieses Programm "eine der größten Errungenschaften der Regierung". 25 Millionen Arme sollen damit seit 2001 eine kostenlose Krankenversicherung erhalten haben. Für viele Philippiner dagegen ist das Programm der Regierung nichts als ein Lippenbekenntnis.

Korruption im Gesundheitswesen

Ein Mann steht an einem Schalter der Apotheke (Foto: Eva Mehl)
Organisationen wie die "Ärzte ohne Grenzen" sind die einzige HoffnungBild: DW

Niemand weiß, wie viele Arme auf den Philippinen derzeit noch ohne Krankenversicherung leben. Auf der Inselrepublik ist es die Aufgabe der Lokalregierungen, die arme Bevölkerung zu identifizieren und mit kostenlosen Versicherungskarten auszustatten. Doch statt der amen Menschen werden nicht selten Freunde oder Verwandte versichert. "Der Anreiz, damit zu spielen, ist groß", sagt Eduardo P. Banzon von der Weltbank in Manila. Die Bedürftigsten, wie die Müllmenschen in Manila, gehen oft leer aus.

Und selbst wer bei Phil Health versichert ist, muss zahlen: Versicherte Patienten müssten 73 Prozent der Rechnungen aus eigener Tasche bezahlen, bei Medikamenten sogar 80 Prozent, sagt Gesundheitsexpertin Helga Piechulek von der deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ). Wer kein Geld habe, gehe also erst gar nicht zum Arzt oder in die Apotheke.

Ärzte wandern aus

Menschen stehen an einem Stand von Phil Health (Foto: Eva Mehl)
Phil Health ist die staatliche KrankenversicherungBild: DW

Während sich reiche Filipinos und Medizintouristen in Manilas berühmten Privatkliniken Falten liften oder Augen lasern lassen, ist für die arme Bevölkerung das staatliche Krankenhaus "San Lazaro", das von Sozialdiensten finanziert wird, oft die einzige Hoffnung. Hier können sich die Armen kostenlos behandeln lassen - solange die Mittel reichen. "Wenn das Geld nicht da ist, werden Operationen aufgeschoben oder abgesagt", sagt die Ärztin Nimfa Pudong. Wird der Patient zu spät behandelt, stirbt er. Es sei denn, der Arzt bezahlt die Rechnung aus eigener Tasche, um Leben zu retten.

Doch auch die Ärzte auf den Philippinen sind knapp bei Kasse: Das Durchschnittsgehalt in einem staatlichen Krankenhaus liegt bei weniger als 400 Dollar im Monat. Jeder zehnte Arzt wandert aus. Die meisten gehen in die USA, wo sie als Krankenpfleger mehr als das Sechsfache verdienen können.

"Wir sammeln Müll, bis wir sterben"

Verschläge auf der Müllhalde, Wäsche hängt auf einer Leine (Foto: Eva Mehl)
Ein Leben ohne HoffnungBild: DW

Auf den Smokey Mountains zieht Antonio Taglucop ein Stück Plastik aus seinem Müllsack. Er weiß, dass er nicht mehr lange leben wird. Nur noch ein Teil seines Lungenflügels ist intakt. Ein Arzt hat ihn kostenlos untersucht, doch weiter konnte er ihm nicht helfen. "Wir warten einfach ab, bis der Tag kommt, an dem wir sterben", sagt Antonio Taglucop. "Bis dahin sammeln wir Müll, um Reis zu kaufen."

Autorin: Eva Mehl
Redaktion: Julia Kuckelkorn