Wer wird Sir Simons Nachfolger?
Die Berliner Philharmoniker konnten sich im Mai nicht auf einen neuen Chefdirigenten einigen. Nun wird gemunkelt, dass Kirill Petrenko das Rennen machen könnte. Hier sind seine Konkurrenten.
Präzise und profiliert: Kirill Petrenko, 43
Der kaum 1,60 Meter große, pressescheue russische Maestro leitet die Bayerische Staatsoper München. Der als "sibirischer Mozart" gepriesene Petrenko ist auch ein profilierter Wagner-Dirigent. Dreimal in Folge wurde er zum "Dirigenten des Jahres" gewählt. Äußerst genau sind seine Interpretationen, klingen dennoch nie pedantisch oder langweilig.
Charisma und Integrität: Andris Nelsons, 36
Der jetzige Musikdirektor des Boston Symphony Orchestra ist auffällig oft als Gastdirigent in Berlin aufgetreten und war bei einer Umfrage des Berliner Konzertpublikums klarer Favorit. Wie einst Simon Rattle, leitete auch er das City of Birmingham Symphony Orchestra. Es macht Spaß, dem jungen Letten beim Dirigieren zuzuschauen: Nelsons bewegt sich so fließend als hätte er keine Knochen im Körper.
Bodenständig: Gustavo Dudamel, 34
Der noch jüngere Venezolaner, Musikdirektor der Los Angeles Philharmonic, ist aus dem vielgepriesenen "Sistema" seines Heimatlandes hervorgegangen, das sozial benachteiligten Kindern eine musikalische Erziehung bietet. Schwung und Vision gehören zu Dudamels Qualitäten. Sollte er gekürt werden, brächte er - ähnlich wie der Papst - Vitalität aus der Neuen Welt mit.
Ein deutscher Chef? Christian Thielemann, 56
Der Chefdirigent der Sächsischen Staatskapelle Dresden ist auch Künstlerischer Leiter der Salzburger Osterfestspiele. Bekommt er den Chefsessel (oder Dirigentenhocker) in Berlin dazu? Von Thielemann könnte man erwarten, dass er das deutsche Repertoire mit Beethoven, Brahms und Bruckner wieder stärker in den Fokus rückt. Seit der Ära Rattle gibt es da Nachholbedarf, wird gemunkelt.
Der Tausendsassa: Daniel Barenboim, 72
Ob mit seinem West-Eastern Divan Orchestra, als Pianist oder als Generalmusikdirektor in der Berliner Staatsoper Unter den Linden: Der in Argentinien geborene Israeli weiß sich immer wieder erfolgreich ins Szene zu setzen. Vorteil: Barenboim debütierte mit den Berliner Philharmonikern vor über 50 Jahren und hat mit ihnen die längste gemeinsame Geschichte. Nachteil: sein Alter.
Wärme und Energie: Yannick Nézet-Séguin, 40
Sein Stern steigt und steigt: Der Musikdirektor des Philadelphia Orchestra leitet derzeit auch das Rotterdam Philharmonic Orchestra und gastiert bei den Topadressen der Welt. Der kleine, quirlige Frankokanadier zieht Publikum und Orchestermitglieder in seinen Bann. Nach Leonard Bernstein gab es keinen anderen ähnlich mitreißenden Dirigenten, meinen Beobachter.
Vielfach preisgekrönt: Mariss Jansons, 72
Der Chef des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks in München war 11 Jahre lang auch Leiter des "Koninklijk Concertgebouworkest Amsterdam". Unter seiner Leitung wurde es zum besten Klangkörper der Welt gekürt. Der äußerst charismatische, vielgereiste Pultstar tritt öfters im Fernsehen und Radio auf und hat bei vielen CD-Aufnahmen dirigiert.
Stets in der Oberliga: Riccardo Chailly, 62
Wenn es um die bedeutendsten Dirigenten der Welt geht, fällt sein Name immer. Der Italiener ist Leiter des Gewandhausorchesters Leipzig und Musikdirektor der Mailänder Scala. Von 1998 bis 2004 war er auch Chefdirigent in Amsterdam. Einem Wechsel nach Berlin steht aber möglicherweise eins im Wege: Vor Kurzem hat er seinen Vertrag in Leizpig bis 2020 verlängert.