Europas Klimapolitik im Visier der Rechtspopulisten
16. Mai 2019Von Greta Thunberg bis zum Weltwirtschaftsforum: Der Umgang mit dem Klimawandel bestimmt zunehmend die öffentliche Debatte. Auch rechtspopulistische Parteien in Europa sind dabei, den Klimawandel für sich zu entdecken. Und das könnte den Klimaschutz gefährden.
"Wir wären ja bescheuert, wenn wir das Thema liegen lassen würden", sagte AfD-Parteichef Jörg Meuthen kürzlich dem "Spiegel": "Als Politiker muss man Themen aufgreifen, die die Leute umtreiben."
Die Mehrheit der Bevölkerung ist besorgt über die globale Erwärmung. In einer Umfrage des ZDF Politbarometers in Deutschland Mitte April war "Klima und Umweltschutz" der zweitwichtigste Themenbereich für die Befragten - nach "Ausländer und Integration", dem Kernthema von Rechtspopulisten. Und 77 Prozent der Menschen wünschen sich laut einer Umfrage in 11 Ländern zur Europawahl 2019, dass politische Parteien die Bekämpfung des Klimawandels zu einer Priorität machen.
Doch die meisten rechtspopulistischen Parteien in Europa halten die Bekämpfung des Klimawandels für unnötig oder bezweifeln, dass es überhaupt einen von Menschen verursachten Klimawandel gibt. "Die Energiewende, wie sie in Deutschland betrieben wird, lehnen wir ab", sagte der AfD-Bundestagsabgeordnete Marc Bernhard im Gespräch mit der DW und verwies unter anderem auf die hohen Emissionen anderer Länder, die aus seiner Sicht eine Verringerung der Treibhausgasemissionen in Deutschland sinnlos machen.
Zu den klimapolitische Hardlinern gehören neben der AfD in Deutschland auch die britische UKIP und die in Österreich mitregierende FPÖ. Wie andere internationale Vereinbarungen lehnen sie zum Beispiel auch das 2015 vereinbarte Pariser Klimaschutzabkommen ab.
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Eine Gefahr für den Klimaschutz?
Die Klimawandelleugner in Europa haben zwar derzeit keine Mehrheit in der Bevölkerung, doch rechtspopulistische Parteien könnten die Klimapolitik in Zukunft zunehmend beeinflussen, denn sie haben in den vergangenen Jahren in fast allen europäischen Ländern verstärkt Zulauf bekommen. Sie sind in vielen nationalen Parlamenten vertreten; in einigen Ländern, wie etwa Italien, Österreich, Polen und Ungarn regieren sie mit oder sind sogar die stärkste Kraft.
"Rechtspopulisten erhalten mehr Redezeit im Europäischen Parlament, können in Ausschüsse gelangen, dort Vorsitze übernehmen, Anträge einbringen und generell parlamentarische Ressourcen aufbauen," sagt Stella Schaller vom Think Tank Adelphi und co-Autorin einer Studie zum Thema Rechtspopulismus und Klimawandel in Europa. Die Mehrheit der rechtspopulistische Abgeordneten im EU-Parlament hat in den letzten Jahren sämtliche Klimaschutzvorschläge - darunter eine europäische CO2 Steuer - abgelehnt.
"Wenn man sich jetzt noch überlegt, dass auch auf nationaler Ebene mehr Rechtspopulisten in Bundes- und Landesparlamente gelangen, bedeutet das für ambitionierte Klimapolitik heftigen Gegenwind", sagt Schaller.
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Diese Gefahr sieht auch Matthew Lockwood, Senior Lecturer im Bereich Energiepolitik an der University of Sussex: "Aber es kann auch indirekt passieren, durch den Effekt, den der Aufstieg dieser Parteien auf die politischen Positionen der Mitte-Rechts-Parteien hat."
Dieses Phänomen ließ sich bereits beim Thema Migration beobachten, als in Folge des verstärkten Flüchtlingszuzugs nach Europa Wähler der etablierten Parteien, insbesondere im konservativen Lager, zu rechtspopulistischen Parteien abwanderten, die eine stärkere Abschottung Europas gegen Geflüchtete forderten. In der Folge wurde auch die Haltung vieler der etablierten Parteien und die Politik vieler Regierungen restriktiver. Lockwood hält eine ähnliche Entwicklung auch beim Thema Klimaschutz für möglich.
Meeresspiegel oder Strompreise?
"Ich glaube, Klima- und Umweltpolitiker müssen sich ziemlich warm anziehen, um sich mit diesen Parteien stärker fachpolitisch auseinanderzusetzen. Und das erfordert eine Reflexion: Womit befassen die sich denn überhaupt?", sagt Alexander Carius vom Adelphi und Co-Autor von Stella Schaller.
Denn während Wissenschaftler und Klimaaktivisten wie die "Fridays for Future"-Bewegung vor den katastrophalen Folgen warnen, die halbherziges Handeln beim Klimaschutz zur Folge haben könnten, wie etwa die Bedrohung durch den steigenden Meeresspiegel und zunehmende Dürren, fokussieren sich die meisten rechtspopulistischen Parteien auf andere Aspekte der Klimadebatte. Sie verteufeln etwa lokale Dieselfahrverbote und höhere Strompreise und beschwören die Angst "der kleinen Leute" um ihren Arbeitsplatz.
"Die Basis der neuen populistischen Parteien sind unter anderem Fabrikarbeiter, die Jobs oder Löhne oder beides eingebüßt haben", sagt Lookwood. "Eine der Ursachen dafür sehen diese Menschen, insbesondere diejenigen in energieintensiven Branchen, in den Klimaplänen. Die Vorstellung ist, dass die Klimapolitik ihnen schaden wird."
Diese Ängste müssten die etablierten Parteien mit guten Argumenten entkräften und sozialpolitisch abfedern, sagt Carius. Gelingt es nicht, eine positive Zukunftsvision und die Vorteile von Klimaschutzmaßnahmen zu vermitteln, "dann haben wir einen Rechtsruck, dann haben wir einen Rollback in der Klima- und Energiepolitik und ich glaube das ist gefährlich".