Werften: Das dicke Ende kommt erst noch
6. Januar 2022Am 3. Januar meldete die Deutsche Presse-Agentur, ein Kreuzfahrtschiff mit infizierten Menschen an Bord sei im Hafen der norditalienischen Stadt Genua eingelaufen. Die Fälle auf der MSC Grandiosa seien bei den zahlreichen Kontrollen auf dem Schiff festgestellt worden, teilte MSC Cruises mit. Die Infizierten und ihre Kontaktpersonen hätten sich in den Kabinen isoliert.
Tags darauf brach das Kreuzfahrtschiff MS Amera eine Reise wegen mehrerer Corona-Infektionen bei der Besatzung ab. Das Schiff sei am 4. Januar - und damit fünf Tage früher als geplant - in Bremerhaven eingelaufen, sagte eine Sprecherin des Veranstalters. Ihren Angaben zufolge waren etwa acht Crewmitglieder bei regelmäßigen Tests positiv getestet worden. Auch die nächste Kreuzfahrt des Schiffes wurde abgesagt.
Keine neuen Kreuzfahrtschiffe mehr
Diese Beispiele vom Montag und Dienstag dieser Woche zeigen, dass die vor der Pandemie boomende Kreuzfahrtbranche immer noch mit großen Problemen kämpft - da werden neue Schiffe gerade nicht gebraucht. Das trifft die Werften in Deutschland hart.
Dem deutschen Schiffbau geht es angesichts der oft billiger produzierenden Konkurrenz aus Fernost ohnehin nicht gut. Corona macht den Betrieb teurer und komplizierter. Am besten läuft noch das Geschäft mit Kriegsschiffen oder mit Luxusjachten. Das ist aber längst nicht so ertragreich wie der Bau von Kreuzfahrtschiffen.
"Existenzbedrohende Jahre"
Vor zwei Jahren, im Januar 2020, feierte die Meyer-Werft im niedersächsischen Emsland, spezialisiert auf den Bau großer Kreuzfahrtschiffe, noch stolz ihr 225-jähriges Bestehen, dann kam Corona und stürzte Deutschlands größten Schiffbauer in die schlimmste Krise seiner Geschichte. "In meinen 48 Jahren auf der Werft habe ich noch nie so existenzbedrohende zwei Jahre erlebt", so Werftchef Bernard Meyer in einem Brandbrief an niedersächsische Landespolitiker im Dezember.
Das erste Pandemiejahr hatte den Papenburgern einen Verlust von 180 Millionen Euro eingebracht. Und der Blick in die Auftragsbücher verheißt keine Besserung. Schaut man auf die prognostizierte Auslastung der Werft, kommt man zu dem Schluss: Die schwierigen Jahre kommen erst noch.
Viel geplant, wenig gebaut
2021 hatte die Werft noch zwei große Kreuzfahrtschiffe ausgeliefert - trotz Corona liefen die Odyssey of the Seas und die AIDAcosma vom Stapel. Daneben stellten die Meyers auch die Studie "One 50" für eine hypermoderne Luxusjacht vor. In Fachkreisen hochgelobt, hat sie aber laut Werft noch zu keiner Bestellung geführt. Darüber hinaus sind die Emsländer an der Seite der Bremer Lürssen-Werft am Bau von zwei Tankern für die deutsche Marine beteiligt. Dieser Auftrag wird aber nicht in Papenburg abgearbeitet, sondern am Standort Warnemünde an der Ostsee.
Die aktuellen Neubauten sind Einzelaufträge, bei denen vor allem viel Konstruktionsarbeit anfällt - sie lasten den Hauptstandort in Papenburg nur unzureichend aus. Dort herrscht dann nur in den Planungsbüros Hochbetrieb. "Wir schaffen im Engineering über 100 neue und zusätzliche Arbeitsplätze, während wir in anderen Teilen des Unternehmens abbauen", zitiert die Deutsche Presse-Agentur den Geschäftsführer Thomas Weigend.
Die japanische Reederei NYK hat bei der Meyer Werft gerade ein Kreuzfahrtschiff geordert. Das sehr exklusive und mit 228,9 Metern Länge für Meyersche Verhältnisse recht kleine Schiff soll 2025 ausgeliefert werden. "Diesen Auftrag haben wir dank unseres überzeugenden Schiffskonzepts, aber auch wegen eines harten Preisangebots bekommen", sagte Weigend zur lokalen Rheiderland Zeitung.
Streit um die Arbeitsplätze
Wie viele Arbeitsplätze die Krise noch kosten wird, kann in Papenburg niemand sagen. Zwischen Betriebsführung und Belegschaft wird heftig gestritten. "Wir haben", so Vorstandsmitglied Jan Meyer im Dezember, "durch viele Maßnahmen wie beispielsweise Stipendien und Umschulungen erreicht, dass 90 Prozent unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bleiben können".
So hatten Landespolitiker im Juli einen Kompromiss vermittelt, bei dem nur rund zehn Prozent der Arbeitsplätze in Papenburg wegfallen würden: 350 Jobs auf der Werft und 100 Jobs bei der Tochtergesellschaft EMS.
Doch die Vereinbarung ist noch nicht umgesetzt. Ein Grund sei, so der Betriebsratsvorsitzende Nico Bloem, dass Kollegen genötigt würden, an dem Programm teilzunehmen, sonst werde ihnen gekündigt. Bloem fordert, die Werft solle auf betriebsbedingte Kündigungen verzichten und lieber die Arbeit von Werkvertragsfirmen einschränken.
Ende der "Rettungsspirale"?
Auch an der Ostseeküste sind Werften in schweres Wetter geraten, besonders die MV Werften in Mecklenburg-Vorpommern. Kurz vor dem Jahreswechsel wurde bekannt, dass der Konzern Genting Hongkong, Eigentümer der MV Werften, die Landesregierung auf sofortige Auszahlung eines Hilfsdarlehens in Höhe von 78 Millionen Euro verklagt. Auf den MV Werften arbeiten rund 2000 Menschen.
Der Bund der Steuerzahler in Mecklenburg-Vorpommern sieht Zahlungen ohne solides Zukunftskonzept grundsätzlich eher kritisch: "Das gesamte Rettungskonstrukt steht von Beginn an auf wackeligen Beinen." Der Verband hat schon vor Monaten ein Ende der "Rettungsspirale" gefordert .
"Aktive Industriepolitik" gefordert
Die Industriegewerkschaft Metall verlangt dagegen weiterhin ein Engagement für die deutschen Werften. "Wir können stolz darauf sein, dass es uns als maritime Wirtschaft gelungen ist, dass wir im Koalitionsvertrag als Branche und auch mit einem klaren Bekenntnis auftauchen", sagte der norddeutsche Bezirksleiter der Gewerkschaft, Daniel Friedrich, der Deutschen Presse-Agentur. "Was jetzt wichtig ist neben der Beschreibung der Ziele, ist aktive Industriepolitik."
Werftarbeiter in Mecklenburg-Vorpommern und Bremerhaven fordern rasche Entscheidungen zur Freigabe weiterer Staatsbeihilfen. "Unsere Kollegen an allen vier Werftstandorten haben es verdient, dass wir unmittelbar nach Weihnachten Klarheit haben", heißt es in einem Schreiben der IG Metall Küste an Politik und Geschäftsführung. Neben den MV Werften in Rostock, Stralsund und Wismar hängt auch die Zukunft der Lloyd-Werft in Bremerhaven von weiteren Millionen-Hilfen der Bundesregierung ab.