Diskussion um Timoschenko
2. Mai 2012Politiker in Deutschland drängen weiterhin auf eine angemessene Behandlung der inhaftierten ukrainischen Politikerin Julia Timoschenko. Bundesaußenminister Guido Westerwelle wiederholte die Bereitschaft Deutschlands zu medizinischer Hilfe für die erkrankte ehemalige Regierungschefin. Sie könnte in der Berliner Charité behandelt werden, deren Ärzte sie in der Haftanstalt untersucht und einen Bandscheibenvorfall festgestellt hatten. Aus Protest gegen ihre Behandlung befindet sich Timoschenko in einem Hungerstreik, der sie zusätzlich schwächt.
Die Zeit dränge, unterstrich Westerwelle am Mittwoch (02.05.2012) nach einem Treffen mit seinem schwedischen Amtskollegen Carl Bildt. Dieses Angebot habe man der ukrainischen Regierung in Gesprächen unterbreitet und werde es auch weiterhin aufrecht erhalten. Es gehe darum, Timoschenko wirklich zu helfen.
Annäherung an Europa
Westerwelle und Bildt riefen die Regierung in Kiew dazu auf, die Annäherung der Ukraine an die Europäische Union nicht weiter zu blockieren. "Es ist Präsident Janukowitsch, der den Weg nach Europa blockiert", sagte Bildt. Sein deutscher Amtskollege ergänzte: "Wer den Weg nach Europa gehen möchte, muss wissen, dass er nur über Demokratie und Rechtsstaatlichkeit führt." Die Brücke nach Europa stehe auf diesen beiden Pfeilern.
Eine weitere Annäherung der Ukraine an die EU sei davon abhängig, dass die Menschenrechte geschützt würden und die Justiz nicht für politische Zwecke instrumentalisiert werde, fügte Westerwelle hinzu.
Zurückhaltend äußerte sich der Bundesaußenminister zu einem möglichen Boykott der Fußball-Europameisterschaft in der Ukraine. "Wir sollten jetzt nicht Entscheidungen ankündigen, die erst in einigen Wochen relevant werden", sagte er. Man dürfe den Gesprächsfaden nach Kiew nicht durchschneiden und die Brücken nicht abreißen. Deutschland habe ein strategisches Interesse daran, dass sich Kiew auf die Europäische Union hin orientiere.
Kritik nicht überziehen
Auch der CDU-Abgeordnete Wolfgang Bosbach warnte davor, bei der Kritik an der Ukraine zu überziehen. Er wies Forderungen aus seiner eigenen Partei zurück, die Europameisterschaftsspiele aus der Ukraine nach Deutschland zu verlegen. "Keinem politischen Gefangenen wäre damit geholfen", sagte der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses in der Saarbrücker Zeitung. Aus heutiger Sicht sei es ein Fehler gewesen, die Fußball-EM neben Polen an die Ukraine zu vergeben. Als die Entscheidung dazu getroffen worden sei, habe man wohl die Ereignisse im Zuge der sogenannten Orangenen Revolution würdigen wollen.
Im Winter 2004 hatten Demonstranten in der Ukraine die Wiederholung der Stichwahl erzwungen, in der dann der populäre und prowestliche Viktor Juschtschenko zum Präsidenten gewählt wurde. Julia Timoschenko wurde Ministerpräsidentin. Nach fünf Jahren, die von innenpolitischen Streitereien geprägt waren, wurde Juschtschenko im Jahr 2010 wieder von Janukowitsch abgelöst. Die ehemalige Ministerpräsidentin Julia Timoschenko wurde im Oktober 2011 zu einer siebenjährigen Haftstrafe verurteilt. Dagegen legte sie beim Europäschen Gerichtshof für Menschenrechte Beschwerde ein.
Den Europäischen Gerichtshof will nun auch der CDU-Außenpolitiker Philipp Mißfelder anrufen. Er forderte die Bundesregierung und ihre EU-Partner auf, eine Staatsklage gegen Kiew zu prüfen. Mit dem Verfahren gegen Timoschenko und mit den Haftbedingungen verstoße die Ukraine gegen die Europäische Menschenrechtskonvention.