Libyen Westen
17. März 2011Es ist durchaus verständlich, dass Deutschland und andere westliche Länder nicht militärisch in einen libyschen Bürgerkrieg hineingezogen werden wollen. Nach den blutigen Erfahrungen der Interventionen im Irak und in Afghanistan und dem daraus resultierenden Imageschaden in der gesamten islamischen Welt kann niemand das wünschen. Zudem ist von Libyen in den letzten Jahren keine fundamentale Bedrohung westlicher Interessen ausgegangen. Im Gegenteil, der Diktator in Tripolis hatte bis zum Beginn des Volksaufstands bestens mit westlichen Staaten kooperiert. Diese wiederum hatten moralische Bedenken bekanntlich großzügig beiseite geschoben.
Schon das war ein schwerwiegender Fehler. Jetzt jedoch sind wir mit einer moralisch noch unerträglicheren Lage konfrontiert: Die Truppen von Muammar Al-Gaddafi schlagen den Volksaufstand brutal nieder - und die internationale Gemeinschaft sieht bloß tatenlos zu. Sie diskutiert, trifft aber keine klaren Entscheidungen - oder wenn, dann zu spät. Al-Gaddafi nutzt das mit zynischer Entschlossenheit aus und schafft Fakten.
Beschämendes Zögern und Zaudern
Das internationale Zögern und Zaudern ist nicht nur beschämend, es ist auch gefährlich: Können wir wirklich wochenlang Gaddafis Rücktritt fordern - dann aber das libysche Volk in höchster Not seinem Schicksal überlassen? Wenn es dem Diktator gelingt, den Aufstand in seinem Land blutig niederzuschlagen, dann droht nicht nur eine gewaltige humanitäre Katastrophe. Es droht auch ein brutaler Rückschlag für die gesamte arabische Demokratiebewegung. Schon jetzt fühlen sich die Herrscher in Bahrain, Jemen und Syrien ermutigt, mit Gewalt gegen die Bürgerproteste in ihren Ländern vorzugehen. Sie rechnen damit, dass die Welt dies auch in ihrem Falle hinnehmen wird.
Die Demokratisierungwelle in der arabischen Welt hatte in Tunesien und Ägypten mit großen Hoffnungen begonnen. In Libyen droht sie nun zu Grabe getragen werden.
Autor: Rainer Sollich
Redaktion: Stephanie Gebert