Wettlauf um das autonome Fahren
11. Juli 2017Sich ins Auto setzen, bequem zurücklehnen, Zeitung lesen, Mails checken oder einfach etwas dösen - bisher war das nur möglich, wenn man sich einen eigenen Fahrer leisten konnte, der einen durch den Verkehr lotste. In Zukunft könnte dieses Vergnügen auch der breiten Masse zuteil werden. Bequeme Mobilität, mehr Sicherheit, weniger Umweltbelastung - das sind die Verheißungen des fahrerlosen Fahrens. Autonomes Fahren ist der große Trend und das nicht nur in der Automobilindustrie.
Die konventionellen Autobauer suchen sich inzwischen Hilfe aus der IT-Branche wie beispielsweise bei Microsoft oder der Deutschen Telekom. Zudem drängen neue Wettbewerber in den Markt. Fahrdienstleister wie Uber arbeiten an Konzepten für selbstfahrende Autos. Auch IT-Riesen wie Google, Apple oder der chinesische Internetriese Baidu wittern neue Geschäftsmodelle.
Wie autonom ist autonom?
Alle Akteure testen bereits eifrig verschiedene Fahrzeuge, die mehr oder weniger autonom fahren. In Kalifornien, in Deutschland, Israel oder China. Haben es also einige Menschen schon besser als der Rest und können hinterm Steuer schlafen? Bislang kann das Auto dem Fahrer einige oder mehrere Aufgaben abnehmen. So können einige Wagen schon tote Winkel überwachen und helfen, die Spur zu halten oder die Parklücke zu treffen. Diese Teilautomatisierung ist zumindest in den oberen Fahrzeugklassen bereits Alltag.
Auch die nächste Stufe, die Vollautomatisierung befindet sich auf einem guten Weg. Dabei fährt das Auto zwar alleine, der Fahrer muss die Hände aber bereithalten, um jederzeit eingreifen zu können. Schlafen? Fehlanzeige.
Bei der vierten Automatisierungstufe, dem "situationsbedingten automatisierten Fahren", wird dem Fahrer in bestimmten Situationen, etwa im Stau, die Arbeit abgenommen. Dann könnte der Fahrer zumindest zeitweise etwas anderes machen. Allerdings erwarten die Hersteller solche Autos nicht vor 2020.
Noch später kommen dann die nächsten Automatisierungs-Stufen wie vollautomatisiertes Fahren in bestimmtem Umfeld, etwa im Stadtverkehr. Wirklich autonomes Fahren, also mit Autos, die keinen Fahrer brauchen, ist erst der letzte Schritt. Solche Fahrzeuge, die ihren Besitzer zur Arbeit bringen und dann alleine zurück in die Garage fahren, sind aber noch Zukunftsmusik.
Wer mit wem
Da die digitale Herausforderungen beim autonomen Fahren immens sind, wird die Bedeutung der Kfz-Zulieferer zunehmen, heißt es in einer Studie von Deutsche Bank Research. Von ihnen werden viele Innovationen erwartet. Und es werden neue Zulieferer hinzukommen. Außerdem suchen die Marktteilnehmer Kooperationen und das in mehreren Branchen.
Beispielsweise ist BMW eine Partnerschaft eingegangen mit dem Chipproduzenten Intel, dem US-Zulieferer Delphi, dem Kameratechnik-Spezialist Mobileye und dem Zulieferer Continental. Der deutsche Autobauer und seine Partner haben auf der diesjährigen Unterhaltungselektronik-Messe CES in Las Vegas angekündigt, bis Ende 2017 eine Prototypenflotte mit 40 hoch- und vollautomatisierten fahrenden 7er BMWs aufzubauen und sie auf Autobahnen und im Stadtverkehr in den USA, Israel und Deutschland zu testen. Der Autozulieferer Continental arbeitet außerdem mit dem chinesischen Internetriesen Baidu zusammen, um Lösungen für autonomes Fahren zu entwickeln.
Auch der Conti-Konkurrent und weltweit größte Automobilzulieferer Bosch ist Partner von Baidu. Zusammen wollen beide künftig auf einer chinesischen Autobahn ein teilautomatisiertes Fahrzeug testen. An ähnlichen Testfahrten ist Bosch bereits in Deutschland, den USA und Japan beteiligt. Bosch kündigte im März diesen Jahres an, das "Gehirn" für selbstfahrende Autos liefern zu wollen und will ab 2018 die ersten kleineren Flotten von Roboter-Taxis auf deutsche Straßen bringen. Allerdings soll erst ab 2022 kein Fahrer mehr an Bord sein.
Außerdem hat sich Bosch mit Daimler zusammengetan. Zusammen haben beide im April verkündet, dass sie bis 2020 vollkommen autonom fahrende Autos für den Stadtverkehr in Serie auf den Markt bringen wollen.
Auch andere große Autobauer sind bereits mit Testlizenzen unterwegs. So dürfen Ford und Volkswagen erste Fahrzeuge auf amerikanischen Straßen testen. Volkswagen forscht am Roboter-Taxi "Sedric" und plant bis 2025 autonom fahrende Elektro-Fahrzeuge anzubieten. Ford will ebenfalls spätestens ab 2021 autonome Fahrzeuge ohne Lenkrad und Pedale auf die Straße bringen.
Apple und Google mischen auch mit
Nicht nur die konventionellen Autobauer und Zulieferer testen seit einiger Zeit vollautomatisierte Prototypen, auch ganz neue Wettbewerber tummeln sich in diesem Forschungsbereich. Google und Apple gelten im Hinblick auf ihre Innovationskraft und Finanzstärke als große Konkurrenten der konventionellen Autobauer. Apple - der Konzern stand ursprünglich für Computer und Smartphones - hatte nach Medienberichten seit 2014 an einem eigenen Elektroautos gearbeitet, will sich nun aber auf die Entwicklung von Technologie für selbstfahrende Autos konzentrieren. Seit April darf Apple in Kalifornien Fahrzeuge testen, wenig später wurde ein von Apple umgebauter Lexus-SUV auf der Straße gesehen.
Google darf schon länger testen. 2009 startete der Internetriese Tests mit Roboter-Wagen auf der Straße und setzte mit dem Projekt auch etablierte Autokonzerne unter Zugzwang. Grundsätzlich würden sich Google und Apple inzwischen aber eher um Kooperationen mit Autoherstellern bemühen, heißt es von der DB Research. So stellt die Google-Tochterfirma Waymo seit kurzem selbstfahrende Minivans für den Alltag zur Verfügung. In der Umgebung von Phoenix im US-Bundesstaat Arizona können sich Einwohner für Fahrten mit den umgebauten Chrysler-Vans bewerben. Allerdings werden sie noch von einem ausgebildeten Testfahrer zur Sicherheit begleitet. Die Testflotte der Roboterautos wird zur Zeit auf 700 Fahrzeuge ausgebaut. Außerdem plant Waymo die Technik in Fahrzeugen weiterer Hersteller unterzubringen. Bis 2015 war Ford dafür im Gespräch - inzwischen entwickelt Ford aber eigene Roboterwagen.
Seit März 2017 testet auch der Fahrdienst Uber Roboterwagen in Kalifornien. Der chinesische Fahrdienst Didi Chuxing, an dem sich Apple mit einer Milliarde Dollar beteiligt hat, ist ebenfalls in Kalifornien aktiv. Insgesamt haben mehr als 30 Unternehmen die Erlaubnis ihre selbstfahrenden Autos auf kalifornischen Straßen zu testen.
Ohne Fahrer - erlaubt ab 2019?!
Noch ist die Technologie nicht soweit, dass Autos wirklich ohne Fahrer fahren können. Außerdem sind noch viele Fragen ungelöst. So werden beim autonomen Fahren Unmengen von Daten gesammelt. Wie aber werden diese Daten geschützt und wer hat Einblick in die Daten? Und wie wird verhindert, dass autonome Fahrzeuge gehackt und manipuliert werden?
Auch ethische Fragen sind noch ungeklärt. Wie soll sich ein Fahrzeug verhalten, wenn es die Wahl hat einen alten Menschen oder einen jungen anzufahren? Eine Frau oder einen Mann? Aufgrund solcher Fragen ist in Deutschland bislang nur das teilautomatisierte Fahren erlaubt. Die Automatisierungssysteme müssen "jederzeit durch den Fahrzeugführer übersteuerbar oder deaktivierbar" sein, schreibt der Gesetzgeber. Die letzte Verantwortung trägt somit immer noch der Mensch.
In den USA soll ab 2019 vollautomatisiertes Fahren erlaubt sein, heißt es in der Süddeutschen Zeitung. Das bedeutet, dass der Fahrer nicht mehr als Rückfalllösung gebraucht würde. Auch China presche vor und erlaube, sechs führerlosen Fahrzeugen 2019 in Shanghai zu fahren. Sie dürfen Personen und Güter auf öffentlichen Straßen mit bis zu 50 Kilometern pro Stunde transportieren. Aber auch hier kontrolliere eine Leitstelle über Bordkameras die Fahrten und kann, wenn nötig, per Fernsteuerung eingreifen, so die Süddeutsche Zeitung.
Ab 2021 sollen dann Autos auf den chinesischen Markt kommen, die teilweise oder komplett ohne Eingriff von Menschen fahren können. In China geht man davon aus, dass zwischen 2026 und 2030 das automatisierte Fahren weit verbreitet ist, so zumindest sieht es ein Konzept der für die Autoindustrie zuständigen Behörde vor.