WHO-Alarm: "Zeit für Fakten, nicht für Angst"
31. Januar 2020Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) reagiert auf die rasante Ausbreitung des Coronavirus mit der Ausrufung eines internationalen Gesundheitsnotstands. Damit kann die Abwehr der neuen Lungenkrankheit besser unter den mehr als 190 Mitgliedsländern koordiniert werden. Die Entscheidung sei jedoch kein "Misstrauensvotum" gegen China, sagte WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus nach einer Krisensitzung in Genf. Es gebe auch "keinen Grund" für Reise- und Handelsbeschränkungen mit China: "Die WHO empfiehlt keinerlei Einschränkungen, sondern lehnt sie sogar ab."
Noch sei die Zahl der Infektionen außerhalb Chinas relativ gering, sagte der WHO-Direktor weiter. Aber man wisse nicht, welchen Schaden das Virus in einem Land mit einem schwachen Gesundheitssystem anrichten würde. "Wir sitzen alle im selben Boot." Das Virus könne nur gemeinsam aufgehalten werden. "Das ist die Zeit für Fakten, nicht für Angst."
"Nationale Maßnahmen sind das Rezept für ein Desaster"
Die WHO möchte nun unter anderem erreichen, dass Länder mit weniger entwickelten Gesundheitssystemen unterstützt werden. Zudem soll die Arbeit an Medikamenten und Impfstoffen beschleunigt, Wissen und Daten geteilt sowie gegen Gerüchte vorgegangen werden. Wenn jedes Land seine eigenen Maßnahmen verhänge, könne das zu einem Desaster führen, auch wirtschaftlich, hatte WHO-Nothilfekoordinator Michael Ryan erklärt. Die WHO kann aber kein Land zwingen, Handels- oder Reisebeschränkungen zu verhängen oder zu unterlassen.
China und andere Länder reagierten bereits mit drastischen Maßnahmen auf die Ausbreitung des Virus. Ganze Städte in der Volksrepublik sind abgeriegelt, viele Flughäfen und Bahnhöfe geschlossen und die Ferien zum chinesischen Neujahr verlängert. Deutschland plant noch immer, die rund 90 Bundesbürger in der besonders schwer betroffenen Metropole Wuhan zurück zu holen. Fest steht das aber noch nicht. Der Autohersteller BMW hat seine drei Werke in der Millionenstadt Shenyang geschlossen. Der Volkswagen-Konzern setzt seine Produktion in China vorerst weiter aus.
Nur wenige Infizierte außerhalb Chinas
Der Gesundheitsnotstand heißt offiziell "gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite". Das neue Virus nennt die WHO jetzt "2019-nCoV - akute Atemwegserkrankung" - kein Name, der sich durchsetzen dürfte. 212 Menschen sind bis jetzt an dem Virus gestorben, weltweit sind bereits mehr als 8100 Menschen nachweislich infiziert - und deren Zahl wächst rapide. Inzwischen liegt sie höher als bei der SARS-Epidemie vor 17 Jahren. Damals wurde das Schwere Akute Atemwegssyndrom nach WHO-Statistiken bei 8096 Menschen nachgewiesen. So tragen außerhalb Chinas inzwischen mehr als 100 Menschen in rund 20 Ländern das Virus nachweislich in sich.
Darunter sind neben Deutschland auch Frankreich, Thailand, Japan, Malaysia, die USA, Finnland, Australien, Südkorea, Indien und die Philippinen. Vielfach sind die Infizierten Reisende aus China, aber es kommt auch zu neuen Ansteckungen außerhalb des Landes. Das bayerische Gesundheitsministerium meldete den fünften in Deutschland bestätigten Fall. Wie bei den anderen vier Infizierten handelt es sich demnach um einen Mitarbeiter eines in Starnberg angesiedelten Automobilzulieferers.
Für das italienische Kreuzfahrtschiff "Costa Smeralda" mit rund 6000 Menschen an Bord gab das Gesundheitsministerium in Rom am Abend Entwarnung. Der Infektionsverdacht bei einem Ehepaar aus China habe sich nicht bestätigt. Mehr als 1100 Passagiere, die im Hafen der italienischen Stadt Civitavecchia eigentlich schon am Morgen von Bord gehen wollten, haben das Schiff inzwischen verlassen.
rb/haz (afp, ap, dpa, rtr)