Internet für alle
25. Juni 2012"Dem Frieden und der Einigung" seines Landes widmet Boukary Konaté seine Auszeichnung. Die Nachricht aus Berlin, er sei einer der BOBs-Gewinner, erreichte den Blogger Anfang Mai. Zu der Zeit machte er sich viel Sorgen um sein Land. Ein paar Wochen zuvor nämlich war das beliebte Touristenziel Mali plötzlich durch einen Staatsstreich ins Chaos gestürzt worden. Kurz danach eroberten Rebellengruppen den Norden des Landes.
Drei Monate nach diesen Ereignissen hofft der 36-Jährige immer noch auf eine Lösung des Konflikts im Norden, wo Islamisten die Scharia – das islamische Gesetz – durchzusetzen versuchen. In der Hauptstadt Bamako ist der Alltag auch weiterhin beeinträchtigt, obwohl inzwischen eine zivile Übergangsregierung gebildet wurde. Jeder Bürger, so Boukary Konaté, sollte Opfer bringen, um das Land wieder auf die Schienen zu bringen. "Ich selbst versuche ein Beispiel zu geben, indem ich meine Entwicklungs- und Bildungsinitiativen weiterführe", erzählt er.
Überwindung der digitalen Kluft
Auf seinem Blog Fasokan ("Sprache des Landes") berichtet Konaté viel über seine Bildungsprojekte. Und zwar zweisprachig: in Französisch und Bambara, einer der Nationalsprachen Malis. Eine seiner großen Ambitionen ist es, "einen Beitrag zur Förderung und zum Erhalt der Kulturen und Sprachen Malis" zu leisten.
Zudem will er die digitale Kluft in seinem Land überwinden. So reist er seit vier Jahren quer durch das Land und "bringt" das Internet in die Dörfer. Ein Laptop mit Solarzelle, Akku und Transformator reichen aus, um Dorfbewohnern die Grundlagen für die Informationssuche im Netz und die mobile Kommunikation zu vermitteln. Jeder sollte am Fortschritt teilhaben, so der gelernte Lehrer. "Heutzutage sind neue Technologien in den meisten Bereichen des Lebens präsent. Die ländlichen Regionen dürfen davon nicht ausgeschlossen bleiben, denn es ist wichtig für die Entwicklung." Glänzende Kinder- und Erwachsenenaugen habe er während seiner Touren schon oft gesehen.
Vom Bauernjunge zum Webmaster
Auch Konaté ist auf dem Land aufgewachsen, in Bamoussobougou, einem Dorf mit 85 Einwohnern 275 Kilometer nordöstlich von Bamako. Als Junge muss er auf dem elterlichen Bauernhof mithelfen. Täglich bringt er die Tiere auf die Weide, geht nicht zur Schule. Bis er eines Tages eine schicksalhafte Begegnung hat – in Gestalt eines uniformierten Mannes. Der Unteroffizier hat mit seinem Motorrad in der Nähe des Dorfes eine Panne. Konaté hilft ihm. "Er fragte mich, ob ich eine Schule besuche", erinnert sich Konaté. "Als ich nein antwortete, ging er zu meinem Vater und machte bei ihm wochenlang Druck, bis dieser mich schließlich anmeldete." Mehrere Jahre muss der junge Boukary sechs Kilometer zu Fuß zur Schule gehen. Später besucht er ein Gymnasium in Bamako. Dort lernt er schließlich Computer kennen und bringt sich selbst die Grundlagen dieses Mediums bei. Die Begegnung mit dem World Wide Web ist der Anfang einer großen Liebe. "Das Internet konnte meinen Wissensdurst stillen", betont Konaté. Heute ist er Lehrer für Französisch, Englisch und Bambara. Außerdem arbeitet er als Webmaster für das Bildungsministerium.
Aus dem Dorf in die Welt und zurück
Boukary Konaté ist ein Brückenbauer. Sein Engagement für Sprache und Bildung beginnt im Jahr 2008, als er zufällig das internationale Blogger- und Bürgerjournalistennetzwerk "Global Voices" entdeckt. Er meldet sich als ehrenamtlicher Übersetzer an. Kurz darauf fängt er an, selber zu bloggen und Projekte zu entwickeln. "Toujours pas sages" (Immer noch nicht weise) heißt die erste Initiative, deren Ziel ist es, "mobile Workshops" anzubieten. "Es war mein Traum, meiner Familie und den Bauern im Dorf das Internet zu vermitteln", erzählt der Blogger. Mit der Unterstützung von Global Voices folgen weitere Projekte, die alle das selbe Ziel verfolgen: Brücken zwischen den Dörfern und der Welt zu schlagen. "Nicht nur, damit ländliche Regionen ihre Traditionen und Kulturen mit dem Rest der Welt teilen, sondern auch, damit sie von den Erfahrungen anderer profitieren", erklärt er.
So brachte Konaté mit einer "Internetkarawane" entlang des Flusses Niger Dorfleuten bei, lokale Nachrichten per SMS ins Internet zu stellen und selbstgedrehte Videos im Netz zu veröffentlichen. "Es ist immer eine große Freude für die Leute zu sehen, dass auch sie im Internet etwas in ihrer Muttersprache veröffentlichen können", erzählt Konaté stolz. Der Erhalt der Traditionen Afrikas liege ihm besonders am Herzen. "In Afrika sagt man: 'Stirbt ein alter Mensch, ist es so, als ob eine Bibliothek brennt'. Ich denke, wir sollten die kulturellen Reichtümer unserer Länder unbedingt schriftlich festlegen und im Internet veröffentlichen, für zukünftige Generationen und für Menschen anderer Kontinente“.
Klein anfangen, optimistisch bleiben
Seine Arbeit hat schon in seinem engsten Umkreis Erfolg gezeigt. So hat Boukary Konaté seinem Vater schon längst die Google-Suche beigebracht. Der Bauer und Jäger hat dabei viel über die Jagd in Amerika gelernt. Und auch wie man ein Mobiltelefon mit einem Fahrraddynamo aufladen kann.
Gerade jetzt, wo sein Land sich in einer großen Krise befindet, fühlt sich Boukary Konaté verpflichtet, weiterzumachen. Trotz Elektrizitätsmangel, trotz Geldnöten. "Wenn man von einer Sache überzeugt ist, sollte man vor Schwierigkeiten nicht zurückschrecken. Man muss mit den wenigen Mitteln, die man hat, die ersten Schritte machen. Vielleicht klopft das Glück dann doch an die Tür."