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Wie die Bundesländer Lobbyarbeit in Brüssel betreiben

Bernd Riegert 3. April 2006

Den 20.000 EU-Beamten in Brüssel stehen etwa doppelt so viele Lobbyisten gegenüber. Regionale Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten mischen ebenso mit wie Verbände und Unternehmen.

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Sitz der EU-Kommission in BrüsselBild: AP

Das Motto der Bayern: Nicht kleckern, sondern klotzen. Die komplette bayerische Staatsregierung - fast 40 gestandene Frauen und Männer - fielen in die EU-Kommission ein, um Präsident José Manuel Barroso und seinen 24 Kommissaren zu erklären, wo den Bayern der Schuh drückt. Ministerpräsident Edmund Stoiber war hochzufrieden, dass Barroso erstmals eine komplette Landesregierung zum Mittagessen lud. "Europa ist unsere Zukunft. Und unser Besuch soll ja auch deutlich machen: ohne Europa geht es nicht", erklärte Stoiber. "Wir brauchen diese europäische Stimme im Konzert der großen Kontinente, um unsere bayerischen und deutschen Probleme praktisch damit lösen zu lassen."

Die EU-Kommission als Werkzeug Bayerns

EU Wahlen Reaktionen Deutschland CSU Edmund Stoiber
Der bayerische Ministerpräsident Edmund StoiberBild: AP

In der globalen Welt ist die EU-Kommission also Werkzeug in den Händen Bayerns, meinte der Ministerpräsident wohl. José Manuel Barroso, der Kommissionspräsident, lobte soviel bayerischen Europageist und bedankte sich artig für all die bayerischen Sonderprobleme, die ihm mitgeteilt wurden: "Ich kann Ihnen sagen, dass ich jetzt wirklich alle Probleme kenne, die man lösen könnte."

Das allein reichte Bayerns Ministerpräsident Stoiber aber nicht. Er drohte mit weiteren Gesprächen. "Nun ist es so, dass diese Entscheidungen, die wir heute getroffen haben, in einer Serie von Gesprächen meiner Kabinettsmitglieder mit entsprechenden Kommissionsmitgliedern erörtert und vertieft werden...", sagte Stoiber.

Das bedeutet, dass die gesamte Führungsspitze der EU-Kommission für einen halben Tag belegt ist, rechnete ein Kommissionsmitarbeiter vor. Wenn das alle Regionalregierungen in den 25 Mitgliedsstaaten machen würden, wäre die Kommission für Monate lahm gelegt. Barroso sagte aber, im Prinzip stehe allen Regionalvertretern der bayerische Weg, also der große Aufmarsch, offen. Zwar verwies er auf seinen komplizierten Terminkalender und die immerhin 25 Mitgliedsstaaten, aber er habe Mitarbeiter, die in der Lage seien, informelle Kontakte zu pflegen. Manchmal könne man so in einer recht frühen Phase Lösungen finden.

Botschaften der Provinzen

Alle 16 deutschen Bundesländer und zahlreiche regionale Regierungen aus ganz Europa unterhalten in Brüssel eigene Botschaften. Sie versuchen mit Lobbyisten alle Ebenen der Gesetzgebung zu durchdringen und Beamte und Parlamentarier zu beeinflussen. Der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Jürgen Rüttgers, hält das für zwingend notwendig, denn Entscheidungen aus Brüssel schlagen in der Landwirtschaft oder bei der Strukturförderung unmittelbar auf das Land durch. "Wir wollen wissen, was in Brüssel passiert", erklärt Rüttgers. "Wir wollen sehen, was es an neuen Vorschriften gibt, welche Probleme unsere Unternehmen hier haben."

Dabei gibt es durchaus Konkurrenz der Bundesländer untereinander. Die schönste und größte Botschaft unterhält Bayern. Größenwahn, spötteln die anderen Bundesländer. Mit Neid habe das nichts zu tun, behauptet Jürgen Rüttgers aus Nordrhein-Westfalen: "Bayern sind nie besser, aber wir sind bescheidener." Die Vertretung deutscher Interessen durch die Botschaft der Bundesregierung bei der EU alleine sei nicht ausreichend, so Jürgen Rüttgers. Auch die Länder müssten vor Ort sein. "Wir sind näher an den Leuten dran. Das sind häufig ganz konkrete Probleme, die auf den Nägeln brennen", meint er.

Firmen und Verbände

Neben den Landesgierungen gibt es ja noch hunderte von deutschen Wirtschafts- und Verbandslobbyisten, die sich in Brüssel niedergelassen haben. Dass die EU-Beamten angesichts dieser Fülle den Überblick über deutsche Interessen verlieren könnten, befürchtet der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen nicht. Es habe sich in Brüssel "herauskristallisiert und herumgesprochen", dass der Föderalismus in Europa auf dem Vormarsch sei.

Föderale Strukturen gebe es auch etwa in Belgien, in Italien und selbst im zentralistischen Frankreich habe ein Prozess hin zum Föderalismus eingesetzt. "In Spanien gibt es gerade eine heiße Debatte über die Ausdehnung der föderalen Strukturen", sagt Rüttgers. "Das ist die Zukunft Europas. Gerade in den Zeiten der europäischen Einigung ist es wichtig, dass es Strukturen gibt, die die Leute auch überblicken können."

Die Leute, also die Wähler daheim, will Edmund Stoiber, der Regierungschef aus Bayern, mit seiner Anwesenheit in Brüssel für Europa begeistern. "Wir wollen ja auch ein Zeichen setzen in der allgemeinen Europa-Skepsis", sagt er.

"Nicht nachdenken, machen"

Die Arbeit der Botschaften ist durchaus anstrengend. Denn die Entscheidungsträger in Kommission und Parlament werden täglich mit Dutzenden von Einladungen zu Empfängen, Vorträgen und intimen Gesprächskreisen bombardiert. Jährlicher Höhepunkt ist übrigens das Oktoberfest der Bayern. EU-Kommissionspräsident Barroso findet das System in Ordnung, solange die Länder nicht versuchen, Sand ins europäische Getriebe zu streuen, sondern ganz im Sinne der Kommission an Binnenmarkt und Integration mitwirken. "Ich erwarte von den Ländern, die hierher kommen, Unterstützung für unsere Arbeit", sagt Barroso. "Gleichzeitig verspreche ich, dass wir ein dezentrales Europa unterstützen."

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers sieht das pragmatisch, schließlich hat sein Land weit mehr Einwohner und Wirtschaftkraft als so mancher EU-Mitgliedsstaat. Man sollte nicht über Föderalismus und seinen Einfluss in Brüssel nachdenken, sondern einfach machen: "Denjenigen, die meinen, sie müssten immer alles grundsätzlich diskutieren, empfehle ich: Macht es mal eine Nummer kleiner. Löst es praktisch."