Wie Klein gegen Judenfeindlichkeit vorgehen will
28. April 2018Noch hat Felix Klein sein neues Amt als Antisemitismus-Beauftragter der Bundesregierung offiziell gar nicht angetreten - doch seit seiner Ernennung vor zwei Wochen absolviert Klein bereits Termin um Termin. Und schlägt Pflöcke ein: Bei einem Treffen mit internationalen Journalisten kündigt er an, selbst Informationen über antisemitische Vorfälle in Deutschland sammeln und auswerten zu wollen. Die Polizeistatistiken allein würden kein realistisches Bild zeichnen.
"Aus der Kriminalstatistik geht hervor, dass über 90 Prozent der antisemitischen Straftaten aus dem rechtsextremem Milieu kommen", erklärt Klein. Gleichzeitig aber würden die Juden, die hier in Deutschland leben, ihm etwas völlig anderes berichten. "Sie empfinden den muslimischen Antisemitismus als viel gefährlicher. Diesem Widerspruch möchte ich auf den Grund gehen."
Antisemitismus in den Schlagzeilen
Kleins Ernennung und seine Forderung kommt zu einem Zeitpunkt, da in Deutschland wieder verstärkt über antisemitische Vorfälle debattiert wird. Am Mittwoch hatten sich auf Solidaritätsaktionen im ganzen Land tausende Menschen unterschiedlichsten Glaubens die Kippa, die traditionelle jüdische Kopfbedeckung, aufgezogen. Alleine in Berlin waren es fast 3.000 Menschen, die so ein Zeichen gegen gegen die jüngsten antisemitischen Übergriffe setzen wollten: Da war einmal der Angriff eines syrischen Flüchtlings auf zwei Kippa tragende Männer - und die Auszeichnung des Rap-Duos Farid Bang und Kollegah beim wichtigsten deutschen Musikpreis "Echo", obwohl sie antisemitische Klischees in ihren Texten benutzen. Der Preis wurde nach Protesten kurz darauf abgeschafft, was Felix Klein durchaus als ermutigendes Zeichen sieht: "Da zeigte sich, dass der öffentliche Druck wirklich etwas bewirken kann in diesem Land", findet Klein. Die Welle der Empörung sei sehr groß gewesen. "Das gibt mir Hoffnung, dass wir wirklich etwas gegen den Antisemitismus tun können."
Dennoch fehle es derzeit einfach an verlässlichen Daten. Deswegen will er ein Meldesystem etablieren - bei dem die jüdischen Gemeinden vor Ort Vorfälle sammeln sollen, um sie dann über die Polizeien der 16 Bundesländer bis zu ihm weiterzugeben. Dafür braucht es eine Struktur, die es bisher noch nicht gibt. "Ich hoffe, dass es in diesem Jahr schon gelingt, das System zum Laufen zu kriegen", kündigt Klein an. "Nächstes Jahr können Sie mich daran messen, ob es geklappt hat."
Importierter Antisemitismus
Wenn die Daten dann vorliegen und ausgewertet sind, will Klein "maßgeschneiderte und passgenaue Lösungen" finden. Zum Beispiel wie man mit der zunehmend offen zur Schau gestellten Judenfeindlichkeit in muslimischen Einwanderergruppen umgeht. Dabei gehe es, so Klein, vor allem um Bildung und Erziehung.
Trotzdem seien auch die Sicherheitsbehörden gefordert, alle Möglichkeiten des Strafrechts auszunutzen - und genauer hinzuschauen, auch bei Flüchtlingen aus muslimischen Ländern. Klein sieht da auch die Nachrichtendienste in der Pflicht: "Insbesondere Salafisten und muslimische Extremisten versuchen, auf Flüchtlinge in Deutschland zu zugehen, um sie antisemitisch aufzuladen und zum Hass zu verführen. Das ist ganz klar die Aufgabe der Geheimdienste dagegen vorzugehen."
Oft fällt in diesem Zusammenhang der Begriff des importierten Antisemitimus. Kritiker sehen darin einen Kampfbegriff, der sich gegen Muslime richtet. Felix Klein aber hat keine Scheu, vom importierten Antisemitismus zu sprechen. Unter bestimmten Einwanderergruppen gebe es eben diese "Sonderform" und irgendwie müsse das Problem nun mal benannt werden: "Wenn der Begriff bei der Einordnung hilft, darüber klar zu werden, worüber wir sprechen, ist das nicht schlecht."
Und schon ist Klein mittendrin im Minenfeld der Befindlichkeiten, das sein neues Amt umgibt. Das Thema Antisemitismus ist in Deutschland allein durch die deutsche Geschichte bereits sehr sensibel - wenn das Konflikt-Thema Flüchtlinge dazu kommt, ist sogar noch mehr Fingerspitzengefühl gefragt. Als ausgebildeter Diplomat mit Stationen in Südamerika und mehreren europäischen Ländern bringt der in Italien aufgewachsene Klein also durchaus die richtigen Voraussetzungen für seinen neuen Posten mit. Dazu kommt: er ist bereits im Thema. Seit 2014 war er im Auswärtigen Amt für die Kontakte Deutschlands zu den jüdischen Organisationen zuständig. Die jüdische Gemeinde in Deutschland hält viel von ihm - Klein gilt als der Wunschkandidat des Zentralrats der Juden.
Klein, der selbst keiner politischen Partei angehört, will sein Amt aus den parteipolitischen Konflikten heraushalten, sieht Unabhängigkeit als sein größtes Plus. Das gelte auch für seinen Umgang mit der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland, AfD. Die Partei sei wie alle anderen herzlich willkommen, um mit ihm darüber zu debattieren, wie Antisemitismus bekämpft werden könne.
Die AfD thematisiert immer wieder den Antisemitismus unter muslimischen Einwanderern, benutzt das Thema auch um die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel zu kritisieren. So eine "Instrumentalisierung", wie Klein es nennt, lehnt der neue Antisemitismusbeauftragte allerdings ab.
Das neue Amt kostet - die Frage ist: wie viel?
Offiziell tritt Klein sein Amt in der kommenden Woche an. Wenn er nach dem 1. Mai sein Büro im Innenministerium betritt, erwartet ihn dort nicht viel mehr als eine Sekretärin. Noch immer ist unklar, wie das Amt im Ministerium eingeordnet wird, wie viel Geld Klein zur Verfügung hat, auf wie viele Mitarbeiter er zugreifen kann. Das Innenministerium selbst spricht nur vage davon, dass der neue Antisemitismusbeauftragte die Ressourcen des Hauses nutzen könne. Die Bundestagsfraktion der Linken hat ausgerechnet, dass die Aufgaben des neuen Amtes Arbeit für 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wären - und ein Etat von 3,8 Millionen Euro benötigt würde. Doch das sind eher utopische Zahlen, vor allem vor dem Hintergrund, dass in den laufenden Haushaltsverhandlungen über das Amt des Antisemitimusbeauftragten noch gar nicht gesprochen wurde. Erst zum Herbst wird Felix Klein also mehr wissen über die Ausstattung seines neuen Amtes und ob er das, was er sich vorgenommen hat, überhaupt leisten kann.