Wie Haustiere aus den Fluten gerettet wurden
29. Juli 2021Sandra Bischoff wollte schon schlafen gehen, als sie von der Flutkatastrophe erfuhr, die im Erfttal auch Pferdeställe unter Wasser setzte. Die Kölnerin hat selbst drei Pferde in einem Stall in Leverkusen stehen und steht über soziale Netzwerke ständig in Kontakt mit anderen Pferdezüchtern.
Sandra organisierte sofort eine Gruppe freiwilliger Retter und drei Autos mit Pferdeanhängern. Weil jedoch nur zwei Fahrer über eine entsprechende Fahrerlaubnis verfügten, sprang noch schnell Sandras 70-jährige Mutter ein, die auch Autos mit Pferdeanhängern steuern darf. So machten sich Sandra, ihre Tochter Margo, deren Freundin Lisa und Sandras Mutter in jener Nacht auf den Weg in das betroffene Gebiet.
"Wir haben ziemlich lange bis ins Erfttal gebraucht, es regnete in Strömen. Als wir uns endlich den Stallungen näherten, sahen wir einen riesigen See. Das Wasser stand über unseren Knien, Blaulicht von Rettungskräften und Polizei leuchtete im Dunkeln. Die Pferde hatten große Angst, sie verstanden nicht, was passierte", erzählt Sandra.
Schnell hätten die Frauen begonnen, die Pferde in die Anhänger zu bringen. "Das war nicht einfach, weil wir ihnen fremd waren, aber die Erfahrung mit den Tieren hat uns geholfen, sie für uns zu gewinnen. Ich weiß nicht, wie lange wir für sechs Pferde gebraucht haben. Aber Polizei und Feuerwehr drängten uns, das überflutete Gebiet zu verlassen, um uns nicht noch größerer Gefahr auszusetzen. Sie retteten dort Menschen aus dem Wasser."
Es sei natürlich beängstigend gewesen, aber der Wille, die Pferde zu retten, sei stärker gewesen, betont auch die 30-jährige Lisa Herbst. "Wir haben uns erst beruhigt, als wir die Pferde in den trockenen und sicheren Stall nach Leverkusen gebracht haben."
Die evakuierten Pferde wurden von ihren Haltern innerhalb weniger Tage abgeholt, doch Sandra hört nicht auf, verletzten Tieren und ihren Besitzern zu helfen. In sozialen Netzwerken organisiert sie Pferdefutter und notwendige Medikamente für das Katastrophengebiet. Aufgrund der hohen Feuchtigkeit gibt es dort viele Insekten, die über Pferde herfallen, daher sind spezielle Masken, Sprays und Salben nötig, um sie fernzuhalten. Gebraucht werden auch Beruhigungsmittel.
Das Wasser ist weg, doch die Hilfe geht weiter
Sandra spricht von einer großen Hilfsbereitschaft der Menschen. "Mein Handy klingelt ständig und die sozialen Netzwerke sind voller Hilfsangebote. Jetzt geht es darum, diese Hilfe zu koordinieren und die Lieferung von Futter und notwendigen Medikamenten zu organisieren."
Sie und ihre Familienmitglieder wollen aber auf keinen Fall zu Helden erklärt werden. "Ich liebe Tiere sehr und bin immer bereit, ihnen zu helfen. Ich bin mir sicher, dass meine Kollegen dasselbe getan hätten, wenn ich mit meinen Tiere in Not wäre. Die betroffenen Gebiete werden noch lange unsere Hilfe brauchen", meint Sandra Bischoff.
Tierretter rund um die Uhr im Einsatz
Bei der Tierrettung Essen e.V. kann man zu jeder Tageszeit anrufen. Der Verein hat schon 2013 in den von Hochwasser betroffenen Gebieten in Sachsen-Anhalt geholfen. Um Tieren schnell helfen zu können, braucht man Profis mit spezieller Ausrüstung. Bis heute haben die Essener rund 1600 Tiere gerettet.
"Wir verfügen über ein neues, modernes und sehr professionelles Wasserrettungs-Equipment zur Eigensicherung unserer Tierretter, und Material wie ein Boot, Trockenanzüge, Bergeboards, Schwimmträger für Hunde und zur Rettung von Haustieren im Wasser. Wir haben geländegängige Spezialfahrzeuge, die es uns ermöglichen, an entlegene Orte zu kommen", betont der Erste Vorsitzende der Tierrettung Essen, Stephan Witte. Dass sie Profis sind, haben die Essener auch bei der jetzigen Katastrophe bewiesen.
Eines Nachts ging bei den Essener Rettern der Anruf eines besorgten Halters von neun Ponys ein. Er und seine Tiere würden sich mitten in den Fluten befinden, klagte der Mann. Der Rettungsdienst schickte sofort drei Teams in den 115 Kilometer entfernten Ort Linnich im Kreis Düren. Die Retter begutachteten die Lage, zogen sich spezielle wasserdichte Overalls über und machten sich in der Dunkelheit auf die Suche nach den Tieren.
Gegen 3 Uhr morgens wurden zwei Ponys gesichtet und sicher an Land gebracht. "Die starke Strömung machte es den Tierrettern danach nicht mehr möglich, weitere Ponys von der überfluteten Koppel zu retten", berichtet Stephan. "Glücklicherweise retteten sich die übrigen sieben Ponys auf eine Anhöhe, wo sie zu dem Zeitpunkt sicher waren. Der Einsatz musste abgebrochen werden, da akute Lebensgefahr nun auch für die Tierretter bestand. Überglücklich nahmen die Halter ihre beiden geretteten Ponys entgegen. Der Wasserpegel betrug während der Rettungsaktion zwischen einem und zwei Metern."
Sondereinsatz für eine kranke Katze
Vor einigen Tagen rief in Essen ein älteres Ehepaar aus Ahrweiler an, deren Haus überschwemmt war. Den Rentnern sei es zwar gelungen, ihre kranke 14-jährige Katze aus dem Wasser zu retten, nicht aber die Medikamente und das Spezialfutter.
Die erschöpften Retter hätten kurzerhand entschieden, sofort alle benötigten Utensilien zu organisieren und noch am gleichen Tag nach Ahrweiler zu bringen, sagt Stephan. Das Ehepaar habe für keinerlei Kosten aufkommen müssen. "Wir werden die emotionale Übergabe, nachdem uns die Dame ihre völlig zerstörte Tür öffnete, nicht vergessen." Die Katzenbesitzerin habe erlaubt diese Bilder zu veröffentlichen, damit man sehen könne, wie dramatisch die Lage sei.
Halter und Haustiere suchen einander
Dementsprechend wird die Hilfe der Retter noch lange benötigt. Viele Haustiere wurden vom Wasser weit weg getragen oder haben auf der Flucht vor der Flut ihre Halter verloren. Überlebende Tiere finden nicht mehr nach Hause zurück, während ihre Besitzer nach ihnen suchen.
Verlorene Tiere werden auch aufgesammelt und in Tierheimen abgegeben. In den überfüllten Einrichtungen sind jetzt obdachlose Vögel, Schildkröten, Kaninchen, Katzen und Hunde zu finden. Die Suche nach ihren Besitzern kann Wochen oder Monate dauern. Die Tierschützer und Retter haben noch viel Arbeit vor sich und die Telefone der Rettungsdienste stehen nicht still.
Adaption aus dem Russischen: Markian Ostaptschuk