"Wie in einer Bananenrepublik"
30. Januar 2017DW: Präsident Donald Trump hat per Dekret die Einreise von Staatsangehörigen aus sieben mehrheitlich muslimisch geprägten Ländern für einen Zeitraum von 120 Tagen verboten. Betroffen sind Menschen mit Pässen aus dem Irak, Syrien, dem Iran, Libyen, Somalia, dem Sudan und dem Jemen. Syrern wurde die Einreise auf unbestimmte Zeit verboten. Wie ist dieses Dekret rechtlich zu bewerten?
Jonathan Hafetz: Rechtlich gesehen ist es problematisch, aber auch in der Umsetzung, was man daran sehen kann, welches Chaos und welches Leid dieses Dekret angerichtet hat. Rechtlich gesehen ist es wegen des Grundsatzes der Gleichheit ein Problem, weil es Menschen aufgrund ihrer Nationalität diskriminiert, aber auch, weil es zulässt, dass Menschen ohne Gerichtsverfahren festgehalten werden, und zusätzlich noch aus Verfassungsgründen, weil es die Verfassung verbietet, dass die Regierung eine bestimmte Religion über eine andere stellt. Ich meine, dass sich sowohl der Text des Dekrets, der sich speziell auf islamistischen Terrorismus und nicht auf Terrorismus allgemein richtet, als auch der Kontext klar gegen Muslime richtet. Darin liegen die rechtlichen Probleme.
Was halten Sie von der Umsetzung des Dekrets?
Ich glaube, die Umsetzung zeigt, dass Präsident Trump schlicht inkompetent und unfähig ist, Präsident der Vereinigten Staaten zu sein. Dieses Dekret wurde im Eiltempo durchgeboxt. Es wurde nicht von Rechtsexperten und anderen Fachleuten innerhalb der Regierung geprüft, die sich mit dem Einwanderungsrecht auskennen. Es wurde ganz einfach ohne Rücksicht auf die Konsequenzen durchgepaukt, das sieht man schon am Ergebnis. Die USA sehen dadurch aus, wie eine Bananenrepublik.
Durch das Dekret können Reisende aus den betroffenen Ländern nicht mehr in die USA einreisen, auch wenn sie ein gültiges Visum haben, manche Reisende, die auf amerikanischen Flughäfen angekommen sind, wurden auch festgenommen. Organisationen wie die Amerikanische Bürgerrechtsunion (ACLU) sind deswegen vor Gericht gegangen und haben einen ersten Sieg errungen. Aber was genau bedeutet das, denn der Rechtsstreit ist ja offenbar noch nicht geklärt?
Da, wo die ACLU vor Gericht bestätigt wurde, in Brooklyn, in Virginia, in Seattle und anderswo, wurde im Grunde der Status quo erhalten. Die Urteile hindern die Regierung daran, Menschen auszuweisen oder festzusetzen, die in die USA eingereist waren, nachdem das Dekret erlassen worden ist. Ich glaube nicht, dass die Urteile irgendjemanden direkt betreffen, der noch nicht in die USA eingereist ist. Aber sie verhindern, dass Menschen, die bereits eingereist sind und im Flughafenbereich festsitzen, ausgewiesen werden, bis ihr Fall geklärt ist.
Was bedeutet das für Personen, die momentan an amerikanischen Flughäfen festgehalten werden und die sich nun offenbar in einer Art rechtlichem Schwebezustand befinden?
Die grundlegende Rechtsfrage wird damit natürlich nicht gelöst, und eine Reihe von Personen sind weiterhin rechtlich im Unklaren. Einige Personen mit legalem und dauerhaftem Wohnsitz in den USA dürfen angeblich einreisen, und Reince Priebus, der Stabschef des Weißen Hauses, hat gesagt, die Regierung werde jetzt Inhaber einer Greencard nach Prüfung ihrer Identität ins Land einreisen lassen. Ich weiß aber nicht, wie das praktisch umgesetzt wird. Das heißt, einige Personen durften einreisen, der Status von anderen ist dagegen weiter ungeklärt. Zum Beispiel bei Menschen, die als Flüchtlinge anerkannt wurden, oder bei Personen mit Studenten- oder Arbeitsvisum. Ich glaube, viele von ihnen werden immer noch festgehalten. Das Dekret hatte also schwerwiegende Konsequenzen für die Betroffenen und lässt auch eine Reihe rechtlicher Fragen unbeantwortet.
Wie wird es weitergehen, denn diese Menschen können ja nicht am Flughafen bleiben, bis das alles geklärt ist?
Die rechtlichen Fragen des Dekrets werden jetzt geprüft, dann nimmt das Ganze seinen Weg durch die Gerichte. Personen, die dauerhaft festgehalten werden, dürften versuchen, ihre Einreise durchzusetzen, zumindest eine vorübergehende Einreise, bis ihr Fall gerichtlich geklärt ist. Denn keine dieser Personen stellen auch nur die geringste staatliche Bedrohung dar. Ich meine, es würde grundlegenden Rechtsprinzipien widersprechen, diese Menschen festzuhalten, während ihr Fall gerichtlich verhandelt wird. Es ist so grundlegend unamerikanisch. Es widerspricht auch völkerrechtlichen Grundsätzen, Menschen ihre Freiheit zu rauben, während die Gültigkeit des Dekrets auf zweierlei Weise angefochten wird. Denn es wird einmal einen Rechtsstreit über die Gültigkeit von Teilen des Dekrets geben, und zweitens gibt es Personen, die zumindest vorübergehend ihre Freiheit erstreiten wollen, so dass sie nicht in Haft sitzen, während ihr Fall vor Gericht verhandelt wird.
Jonathan Hafetz ist Professor für Rechtswissenschaften an der Seton-Hall-Universität in New Jersey, der sich auf Menschenrechte, Verfassungsrecht und Fragen der nationalen Sicherheit spezialisiert hat. Hafetz war an mehreren Prozessen vor dem Obersten Gericht der USA beteiligt, beispielsweise im Zusammenhang mit dem Gefangenenlager Guantánamo Bay auf Kuba.
Das Gespräch führte Michael Knigge.