Subsahara-Afrika im Stresstest
27. Januar 2014Vor zwei Jahren brachte die Commerzbank zum ersten Mal ihre Studie "Renaissance in Subsahara-Afrika" heraus. Die Autoren skizzierten darin den wirtschaftlichen Erfolg ausgewählter Länder. Nun hat die Commerzbank ihre Studie neu aufgelegt und drei Krisenszenarien durchgespielt, um zu zeigen: Der Erfolg dieser Länder ist mehr als nur ein Strohfeuer.
Das erste Krisenszenario sieht so aus: In den kommenden Jahren gibt es eine erneute Finanzkrise und internationale Geldgeber ziehen ihr Kapital aus Subsahara-Afrika ab. Das Szenario ist schnell durchgespielt, denn "was nicht hereinfließt, kann nicht herausfließen", sagt Rainer Schäfer, Leiter der Länderrisikoanalyse der Commerzbank und Autor der Studie.
Sprich, es gibt in den betreffenden Ländern so gut wie kein privates Auslandskapital, das abfließen könnte - einmal von Südafrika abgesehen. Vorhandenes Auslandskapital komme hauptsächlich von offiziellen Geldgebern wie beispielsweise dem Internationalen Währungsfonds oder der Weltbank. In Krisenzeiten würden die ihr Engagement aber eher ausweiten, denn einschränken. Erster Teil des Stresstests bestanden.
Achillesferse: Rohstoffpreise
Krisenszenario zwei: Die Rohstoffpreise brechen dauerhaft ein, wie dies schon einmal in den 1980er- und 90er-Jahren der Fall war. Dies würde alle erfolgreichen Volkswirtschaften Subsahara-Afrikas massiv treffen, sagt Schäfer, denn keines der Länder Subsahara-Afrikas ohne nennenswerte Rohstoffe wie Öl, Gold, Kakao oder Kaffee sei erfolgreich.
Schäfer geht jedoch davon aus, dass die Rohstoffpreise nicht noch einmal über einen langen Zeitraum einbrechen werden. Denn Entwicklungs- und Schwellenländer würden aufgrund ihrer stärkeren Rolle in der Weltwirtschaft mehr Rohstoffe nachfragen oder - wie im Falle Chinas - das hohe Niveau zumindest beibehalten.
Chinas Nachfrage nach Rohstoffen sei "letztlich auch eine Investitionsfrage". Das Land verfüge über gewaltige Überschüsse aus der Leistungsbilanz, die es nicht nur in US-Staatsanleihen anlegen wolle. China suche Anlagemöglichkeiten, von denen die Volkswirtschaft direkt profitiere. Rohstoffe seien da genau das Richtige. Schäfer ist sich deshalb sicher, dass China trotz schlechterer Wachstumsprognosen Rohstoffe nachfragen wird.
Rohstoffangebot reguliert sich von selbst
Außerdem werde es weltweit schwieriger, neue Rohstoffquellen zu erschließen, was die Kosten steigen ließe. Sänken nun die Preise, würden die hohen Kosten nicht gedeckt, der Abbau würde sich nicht mehr lohnen und das Angebot mittelfristig abnehmen. Zweiten Teil des Stresstests bestanden? Schäfer sagt ja, aber die Antwort ist vielleicht komplizierter.
Selbst wenn die Rohstoffpreise stabil bleiben und das Wirtschaftswachstum in Subsahara-Afrika in diesem Jahr wie vorgesehen um sechs Prozent wächst und solange sich die Länder hauptsächlich darauf konzentrieren, unverarbeitete Rohstoffe abzubauen und zu exportieren, bleibt ein Hauptproblem bestehen: Es entstehen zu wenige Arbeitsplätze in der Region.
Mehr Arbeit schaffen ist deshalb die größte Herausforderung in Subsahara-Afrika, findet Florian Witt, Abteilungsleiter Afrika bei der Commerzbank und ebenfalls Autor der Studie. "Das erfordert Investitionen in arbeitsintensive Industrien." Klassischerweise in die Landwirtschaft oder in die Weiterverarbeitung von Rohstoffen, erläutert Witt im Gespräch mit der Deutschen Welle.
Immer wieder Nigeria
Nigeria sei da auf einem ganz guten Weg. Dort spielt die Landwirtschaft mit 34 Prozent am Bruttoinlandsprodukt eine zunehmend bedeutendere Rolle. 60 Prozent der Bevölkerung arbeiten mittlerweile wieder in der Landwirtschaft, die nach einem staatlichen Plan weiter ausgebaut werden soll, nachdem sie seit den 70er-Jahren aufgrund des Erdölbooms völlig vernachlässigt wurde. Neben Nigeria sieht Witt auch Ghana, Angola oder Mosambik besonders gut dafür gerüstet, eine solche verarbeitende Industrie aufzubauen, weil diese Länder eine große Bevölkerung haben und viele Rohstoffe besitzen.
"Die Rohstofflager, insbesondere Rohöllager, sind aber Fluch und Segen zugleich", sagt Witt. Es sei eine Frage des "intelligenten Managements", mit dem Rohstoffreichtum richtig umzugehen.
Nigeria, Angola, aber auch Gabun hätten verstanden, wie sie das Geld aus Erdöleinnahmen investieren könnten, um beispielsweise unabhängiger vom Rohölexport zu werden. Flankiert würden diese Anstrengungen in Nigeria, aber auch Angola von einer verbesserten Zentralbankpolitik. Ohne ein solch intelligentes Management könnte gerade der Rohstoffreichtum verhindern, dass eine erstzunehmende verarbeitende Industrie entstünde.
Keine neue Werkbank der Welt
Deutsche Investoren, die dabei helfen könnten, eine verarbeitende Industrie aufzubauen, indem sie selbst ihre Produktion oder Teile der Produktion in diese Länder auslagern, sieht Witt indes nicht. Dafür müsse Subsahara-Afrika erst noch ein paar Hausaufgaben erledigen.
Straßen- und Hafennetze, aber auch die Gas- und Stromversorgung seien noch derart unterentwickelt, dass dies zu steigenden Kosten in der Produktion und beim Transport führe. Eine Verlagerung der Produktion oder Teile der Produktion nach Subsahara-Afrika dürfte "bei deutschen Unternehmen nicht zu signifikanten Kostenvorteilen führen", sagt Witt.
Auch billigere Lohnkosten in den Ländern könnten daran nichts ändern. Vor allem lokale Unternehmer müssten sich um den Aufbau einer verarbeitenden Industrie kümmern. Deutsche Unternehmer könnten allenfalls Komponenten dafür liefern.
Drittes und letztes Krisenszenario: Die Weltwirtschaft lahmt über einen längeren Zeitraum. Auch darin sieht Rainer Schäfer keine besondere Gefahr für Subsahara-Afrika, schließlich habe Subsahara Afrika diese Krisenszenario schon einmal "ohne Schrammen" überstanden: 2009, als im Zuge der internationalen Finanzkrise weltweit auch vieles in der realen Wirtschaft zusammengebrochen sei.
In diesem Fall zahle es sich dann wieder aus, dass Subsahara Afrika hauptsächlich von Rohstoffen abhänge, die beispielsweise von China auch nachgefragt würden, wenn das Wachstum weniger berauschend ausfalle. Stresstest bestanden, sagt Schäfer.