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Wie Künstliche Intelligenz der Umwelt schadet

Natalie Muller | Neil King
7. August 2023

Künstliche Intelligenz ist eine vieldiskutierte Technologie. Selten aber wird über ihren großen CO2-Fußabdruck gesprochen und wie sie auch jenseits dessen den Klimawandel verschärft. Wie wird KI klimafreundlich?

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Blick in ein Rechenzentrum
Die Nachfrage nach Datenkapazität wird weiter wachsenBild: Benis Arapovic/Zoonar/picture alliance

Die Technologien rund um Künstliche Intelligenz boomen, nicht zuletzt wegen des Hypes um neue Tools wie ChatGPT. Der Chatbot wurde vom US-Unternehmen OpenAI entwickelt, das vom Microsoft-Konzern unterstützt und von US-Milliardär Elon Musk mitgegründet wurde. ChatGPT besitzt die Fähigkeit, sich zu unterhalten, Texte zu schreiben und Gedichte und Aufsätze auf überraschend menschliche Weise zu verfassen. Und er löste einen Wettlauf zwischen den Tech-Giganten aus, ähnliche und möglicherweise noch ausgefeiltere Produkte auf den Markt bringen. 

Die Investitionen in Künstliche Intelligenz wachsen rasant. Der weltweite KI-Markt wird derzeit auf 142,3 Milliarden Dollar (129,6 Milliarden Euro) geschätzt und soll bis 2030 auf fast zwei Billionen Dollar anwachsen. KI-Systeme sind bereits jetzt schon vielfach in unserem Alltag präsent. Sie helfen Menschen, Regierungen oder Unternehmen, effizienter zu arbeiten und datengestützte Entscheidungen zu treffen. Doch die Technologie hat auch ihre Schattenseiten. 

KI hat einen großen ökologischen Fußabdruck

Damit KI-Modelle die ihnen zugedachten Aufgaben erfüllen können, müssen sie Berge von Daten verarbeiten, oder besser gesagt:  darauf "trainiert" werden. Um zu lernen, ein Bild von einem Auto zu erkennen, muss ein Algorithmus Millionen von Bildern von Autos durchforsten. Im Fall von ChatGPT wird er mit riesigen Textdatenbanken aus dem Internet gefüttert, damit er lernt, mit menschlicher Sprache umzugehen. 

Diese Datenverarbeitung findet in Datenzentren statt. Sie erfordert eine Menge Rechenleistung und ist sehr energieintensiv. "Die gesamte Infrastruktur der Rechenzentren und die Netzwerke zur Datenübermittlung sind weltweit für zwei bis vier Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich", sagt Anne Mollen, Forscherin bei der in Berlin ansässigen Nichtregierungsorganisation Algorithmwatch. Das ist in etwa so viel wie die Emissionen der Luftfahrtindustrie. "Dabei geht es nicht allein um KI, aber KI ist ein großer Teil davon", so Mollen.

In einer Studie aus dem Jahr 2019 fanden Forscher der University of Massachusetts, Amherst, heraus, dass das Training eines gewöhnlichen großen KI-Modells bis zu 284.000 Kilogramm CO2-Äquivalent ausstoßen kann - fast das Fünffache der Emissionen eines Autos über seine gesamte Lebensdauer, einschließlich der Herstellung. "Als ich diese Daten zum ersten Mal las, war ich wirklich schockiert", erzählt Benedetta Brevini, außerordentliche Professorin für politische Ökonomie der Kommunikation an der Universität von Sydney, Australien, und Autorin des Buches "Is AI good for the planet?" (Ist KI gut für die Erde?).

Ein Flugzeug im Himmel
Der weltweite Datenverkehr emittiert so viele Treibhausgase wie der weltweite FlugverkehrBild: Carolyn Kaster/AP/picture alliance

"Wenn Sie in ein Flugzeug von London nach New York steigen, belaufen sich Ihre Kohlenstoffemissionen auf 986 Kilogramm. Aber um einen Algorithmus zu trainieren, emittieren wir 284.000 Kilogramm", sagt Brevini. "Warum reden wir nicht darüber, wie wir diesen CO2-Fußabdruck verringern können?" 

Allerdings: Die Schätzung der Massachusetts-Studie bezog sich auf ein besonders energieintensives KI-Modell. Kleinere Modelle können auf einem Laptop laufen und verbrauchen weniger Energie. Aber Modelle, die mit sogenanntem Deep Learning arbeiten, wie beispielsweise Algorithmen, die Inhalte sozialer Medien kuratieren, oder eben ChatGPT, benötigen eine erhebliche Menge an Rechenleistung. 

Wie KI Kreative überflüssig macht

Über die "Trainingsphase" hinaus entstehen weitere Emissionen, wenn das Modell in der realen Welt angewendet wird, was Milliarden Mal am Tag geschehen kann - beispielsweise jedes Mal, wenn ein Online-Übersetzer ein Wort übersetzt oder ein Chatbot eine Frage beantwortet. Laut Mollen von Algorithmwatch kann diese Anwendungsphase potenziell bis zu 90 Prozent der Emissionen im Lebenszyklus einer KI ausmachen.

Wie lässt sich der CO2-Fußabdruck von KI verringern? 

"Wir müssen die gesamte Produktionskette und alle damit verbundenen Umweltprobleme berücksichtigen, vor allem den Energieverbrauch und die Emissionen, aber auch die Materialtoxizität und den Elektroschrott", fordert deswegen Brevini. Alle Umweltbelange müssten von Anfang an berücksichtigt werden - auch in der Entwurfs- und Trainingsphase des Algorithmus. 

Anstatt immer größere KI-Modelle zu entwickeln, wie es derzeit im Trend liegt, schlägt Algorithmwatch-Forscherin Mollen vor, dass Unternehmen kleinere Modelle mit verkleinerten Datensätze verwenden und sicherstellen, dass die KI auf der effizientesten verfügbaren Hardware trainiert wird.

Die Nutzung von Rechenzentren in Regionen, die auf erneuerbare Energien zurückgreifen und nicht viel Wasser zur Kühlung benötigen, könnte ebenfalls den CO2-Fußabdruck von KI reduzieren. So produzieren riesige Anlagen den USA oder in Australien, wo fossile Brennstoffe einen großen Teil des Energiemix ausmachen, mehr Emissionen als solche in Island, wo viel geothermische Energie genutzt wird und die niedrigeren Außentemperaturen die Kühlung der Server erleichtern. 

Mollen weist darauf hin, dass die Tech-Giganten bei der Nutzung erneuerbarer Energien für ihren Betrieb eine recht gute Bilanz aufweisen. So gibt Google an, dank Investitionen in Kompensationsmaßnahmen einen CO2-Fußabdruck gleich Null zu haben. Das Unternehmen will bis 2030 ausschließlich mit CO2-freier Energie arbeiten. Microsoft hat sich verpflichtet, durch den Einsatz von Technologien wie CO2-Abscheidung und -speicherung bis 2030 CO2-negativ zu sein. Und der Meta-Konzern plant, bis 2030 in der gesamten Wertschöpfungskette eine Netto-Null-Bilanz zu erreichen. 

Google-Rechenzentrum in The Dalles, Oregon, USA
Anwohner machen den Wasserverbrauch dieses Rechenzentrums von Google in Oregon für die Verschlimmerung der Dürre in der Region verantwortlichBild: Andrew Selsky/AP Photo/picture alliance

Aber Energie ist nicht der einzige Aspekt, wenn es um die Umweltauswirkungen von KI geht. Die enormen Wassermengen, die Rechenzentren brauchen, um eine Überhitzung zu verhindern, bereiten in wasserarmen Regionen wie etwa in Santiago in Chile, große Probleme.

Das dortige Rechenzentrum von Google "verschlimmert die Dürre in der Region, und die örtlichen Gemeinden protestieren gegen das Zentrum und den Bau neuer Rechenzentren auf", sagt Mollen.

Klima- und Umweltschäden bei der Anwendung von KI

Aber selbst wenn große Technologieunternehmen den Energieverbrauch ihrer KI senken, gibt es noch ein anderes Problem. Und das sei potenziell sogar noch umweltschädlicher, gibt David Rolnick zu bedenken. Er ist Assistenzprofessor an der Fakultät für Informatik der McGill University in Kanada und Mitbegründer der gemeinnützigen Organisation Climate Change AI. Als Beispiel nennt er den Einsatz von Algorithmen in der Werbung. "Diese sind absichtlich so konzipiert, dass sie den Konsum steigern, was mit Sicherheit erhebliche Kosten für das Klima mit sich bringt", sagt er. 

Rolnick beruft sich auch auf einen Bericht der Technologieberatungsfirma Accenture und des Weltwirtschaftsforums. Dieser sagt vorher, dass KI sowie fortschrittliche Analysen der Öl- und Gasindustrie bis 2025 zu zusätzlichen Gewinnen in Höhe von 425 Milliarden Dollar verhelfen werden.

Greenpeace hat die KI-Verträge zwischen fossilen Brennstoffunternehmen und Amazon, Microsoft und Google scharf kritisiert. In einem Bericht erklärte die Umweltorganisation, Shell, BP und ExxonMobil würden KI-Tools einsetzen, um ihre Öl- und Gasaktivitäten zu erweitern, Kosten zu senken und in einigen Fällen die Produktion zu steigern. Solche Verträge würden die von den Tech-Giganten "eingegangenen Klimaverpflichtungen erheblich unterminieren". 

Google hat inzwischen erklärt, dass es keine maßgeschneiderten KI-Tools mehr entwickeln wird, um Unternehmen bei der Förderung fossiler Brennstoffe zu unterstützen.

Mit der schnellen Entwicklung von KI mithalten

Die Rolle der künstlichen Intelligenz wird in Zukunft wahrscheinlich noch bedeutender werden. Auch deshalb ist Rolnick der Meinung, dass es mehr Regulierung braucht, die sicherstellt, dass die Entwicklung von künstlicher Intelligenz nachhaltig ist und KI die Erreichung der Emissionsziele nicht erschwert. "Es ist eine Frage der Prioritätensetzung, des frühzeitigen Eingreifens und der Gestaltung von Entscheidungen, die getroffen werden", sagt er.

KI: Alle Macht den Maschinen?

In der EU arbeiten die Gesetzgeber seit zwei Jahren an einem KI-Gesetz, das ein Meilenstein in der Gesetzgebung sein soll. KI soll geregelt und die jeweiligen Risiken der verschiedenen KI-Anwendungen sollen klassifiziert werden. Bisher ist allerdings noch unklar, ob auch Umweltbelange in dem Gesetzentwurf berücksichtigt werden.

In der Zwischenzeit arbeiten auch andere Regierungen daran, den Umgang mit KI zu regeln - um Innovationen in diesem Bereich zu fördern und die Vorteile der Technologie zu nutzen, aber auch, um potenzielle Gefahren zu vermeiden und ihre Bürger zu schützen.

Mehr über die möglichen Auswirkungen von Künstlicher Intelligenz auf die Umwelt in dieser Folge unseres DW-Podcast: "On the Green Fence".

Redaktion: Tamsin Walker

Adaption aus dem Englischen: Jeannette Cwienk