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Wie sich die Golfstaaten auf das Ende des Öls vorbereiten

Alistair Walsh
21. November 2023

Die Golfstaaten bereiten sich mit erneuerbaren Energien und riesigen Solaranlagen auf das Ende des Ölzeitalters vor. Doch exportieren wollen sie ihr Öl und Gas auch weiterhin.

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Ein Beamter der saudischen Ölgesellschaft Aramco schaut auf den Förderturm der Bohrinsel auf dem al-Howta-Ölfeld in der Nähe von Howta, Saudi-Arabien (Archivbild von 1997)
Gelingt der Golfregion der Abschied von Öl und Gas?Bild: John Moore/picture alliance/AP Photo

Bislang garantierten die Reserven an fossilen Brennstoffen wie Öl und Gas den Staaten am persischen Golf ihren Reichtum. Doch mit der weltweiten Umstellung auf erneuerbare Energien droht der Region in dieser Hinsicht das wirtschaftliche Aus. Darum nehmen die Golfstaaten mittlerweile selbst die Abkehr von den "Fossilen" in Angriff. In Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Katar entstehen derzeit Kraftwerke für erneuerbare Energien, die zu den größten weltweit gehören.

Katar etwa baute im Vorfeld der Fußballweltmeisterschaft 2022 eine Solaranlage, die zehn Prozent des Energiebedarfs des Landes decken soll. In Saudi-Arabien entsteht eine Wüstenstadt, die ausschließlich mit erneuerbaren Energien betrieben werden soll. Neom, so ihr Name, soll über eine eigene Solaranlage für grünen Wasserstoff verfügen. Und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), die in diesem Jahr die UN-Klimakonferenz ausrichten, bauen das angeblich größte zentrale Sonnenkraftwerk der Welt. 

Grafische Darstellung der "Mirror Line", eines 120 Kilometer langen horizontalen Wolkenkratzers, der das Wahrzeichen der neuen Stadt Neom im Norden Saudi-Arabiens werden soll
Die neue Stadt "Neom" soll eine riesige grüne Wasserstoffanlage erhalten, die von einem vier Milliarden Dollar teuren Solarkraftwerk angetrieben wirdBild: picture alliance/abaca

Projekte wie diese sollen helfen, die selbst gesteckten Klimaziele zu erreichen. Saudi-Arabien will bis 2030 50 Prozent seines Stroms mit erneuerbaren Energien erzeugen, die VAE wollen bis 2050 auf immerhin 44 Prozent "Erneuerbare" kommen. Im Moment gehören die VAE und Saudi-Arabien jedoch zusammen mit den anderen Golfstaaten - Bahrain, Oman, Kuwait und Katar - zu den 15 schlimmsten CO2-Emittenten. An der Spitze der Liste steht Katar, das 35,59 Tonnen CO2 pro Person ausstößt. Zum Vergleich: in Deutschland sind es 8,09 Tonnen pro Person.

Es bedarf es also ernsthafter Maßnahmen, um die Klimabilanz zu verbessern. Tatsächlich komme die Region ihren ehrgeizigen Zielen mit großen Schritten näher, sagt Mohammad Al-Saidi, Forschungsprofessor am Zentrum für nachhaltige Entwicklung der Universität Katar, im Gespräch mit der DW.

Erneuerbare zu Hause, Öl für den Export mit mehr Gewinn

Die Umstellung auf erneuerbare Energien erfolgt jedoch nicht allein aus Sorge um die Umwelt. Laut Al-Saidi liegt eine der Hauptmotivationen für die Umstellung darin, die Reserven an fossilen Brennstoffen für den Export freizusetzen und so die Gewinne zu maximieren. 

Im Jahr 2020 war Saudi-Arabien der viertgrößte Ölverbraucher der Welt und der sechstgrößte Verbraucher von Erdgas, damit blieb weniger für den lukrativen Verkauf fossiler Brennstoffe ins Ausland übrig. 

Einfach erklärt: Die Macht des Erdöls

Und die Nachfrage nach Öl wird voraussichtlich bis etwa 2040 weiter steigen - trotz aller Folgen der Klimakrise mit ihren steigenden Temperaturen und extremen Wetterereignissen, deren Häufigkeit und Stärke zunehmen. Wenn aber dann die Nachfrage schließlich sinkt, werde jeder im Boden verbliebene Tropfen Öl für die Produzentenländer zu einem "gestrandeten Vermögenswert", also einer verpassten Gewinnchance.

Ein weiterer wichtiger Grund für die Umstellung der Wirtschaft auf erneuerbare Energien sei auch, internationale Investitionen ins Land zu ziehen und ein gutes Image in der internationalen Gemeinschaft zu behalten, erklärt Al-Saidi: "Denn Image bedeutet Geld".

Eine großflächige Solaranlage steht vor Hochhäusern in der Stadt Masdar City im Emirat Abu Dhabi
Diese Solaranlage steht in der Nähe des nachhaltigen Städtebauprojekts Masdar City im Emirat Abu Dhabi - die Stadt beherbergt den Hauptsitz der Internationalen Organisation für Erneuerbare Energien (IRENA)Bild: Bernd von Jutrczenka/picture alliance/dpa

Der Übergang zu einer Wirtschaft, die auf erneuerbaren Energien basiert, würde die Attraktivität der Golfstaaten für ausländisches Geld tatsächlich deutlich erhöhen, bestätigt Jon Truby. Der Gastprofessor für Rechtswissenschaften forscht an der britischen Universität Newcastle über Zusammenhänge zwischen Nachhaltigkeit und Technologie.

Die Klimakrise trifft die Golfregion stark

Die Fortsetzung des Ölexports füllt zwar die Kassen der Golfstaaten, könnte aber auch ihre Existenz bedrohen. Da die meisten Länder weiterhin die geförderten fossilen Energieträger verbrennen, werden auch die globalen Temperaturen weiter steigen. Und die Golfregion wird davon unverhältnismäßig stark betroffen sein. 

Ein globaler Anstieg um 1,5 Grad Celsius bis 2050 würde für die Staaten am Golf voraussichtlich einen Anstieg um vier Grad bedeuten. Hitzewellen von über 50 Grad Celsius haben die Region bereits heimgesucht, und die Durchschnittstemperaturen liegen weit über denen der restlichen Welt. 

Rekordhitze und Extremwetter: Können wir uns noch anpassen?

So sagen einige Szenarien zum Klimawandel vorher, dass die durchschnittlichen Höchsttemperaturen im Sommer im Großteil der Golfregion wahrscheinlich die Werte überschreiten dürften, in denen menschliches Überleben möglich ist. Die Erderwärmung wird auch die Staubstürme in der Region verschlimmern, niedrig gelegene Gebiete könnten vom Anstieg des Meeresspiegels betroffen sein. 

"Eine paradoxe Situation: Einerseits ist man von den Öleinnahmen abhängig, aber gleichzeitig sind die eigenen Ländern durch den Klimawandel stark gefährdet", resümiert Truby.

Golfstaaten setzen auf CO2-Abscheidung und CO2-Speicherung 

In dem Bemühen, weiterhin fossile Brennstoffe zu exportieren und gleichzeitig das Risiko von Klimaschäden zu begrenzen, setzt die Region auf die Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid (CO2), das sogenannte CCS. Mit diesem Verfahren werden CO2-Emissionen abgefangen und in den Untergrund verlagert oder für andere Produkte genutzt. Es galt lange als der heilige Gral der Ölproduzenten, da damit theoretisch die Verbrennung fossiler Brennstoffe ermöglicht werden könnte, ohne den Klimawandel zu verstärken.

Doch auch jahrzehntelange Forschung hat bisher noch keine Lösungen hervorgebracht, die schnell in ausreichendem Umfang eingesetzt werden können. Und Klimaaktivisten sehen im CCS eine gefährliche Ablenkung von echten Klimaschutzmaßnahmen. Bislang werden weniger als 0,1 Prozent (43 Millionen Tonnen) der weltweiten CO2-Emissionen durch diese Technik aufgefangen. Nach Schätzungen des Wirtschaftsdienstes Bloomberg wird bis 2030 lediglich ein halbes Prozent dazukommen.

Funktioniert CO2-Abscheidung?

Nichtsdestotrotz wird die Technologie auf dem diesjährigen Weltklimagipfel, der COP28 in den Vereinigten Arabischen Emiraten, breit diskutiert werden. So forderte der designierte Präsident der COP28, Sultan Ahmed al-Dschaber, bereits in einer Rede eine stärkere Konzentration auf die Kohlenstoffabscheidung und -speicherung: "In einer pragmatischen, gerechten und gut geführten Energiewende müssen wir uns auf den schrittweisen Ausstieg aus den Emissionen fossiler Brennstoffe konzentrieren und gleichzeitig praktikable, erschwingliche kohlenstofffreie Alternativen einführen und ausbauen."

Auch der UN-Klimarat (IPCC) mahnte, ohne die CCS-Technik könne die Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad nicht gelingen. Die Europäische Union und andere Länder sprachen sich allerdings bisher gegen diesen Ansatz aus. Sie sind der Meinung, dass der Schwerpunkt von Klimaschutzmaßnahmen auf dem Ausstieg aus fossilen Brennstoffen und nicht auf Technologien zur Emissionsminderung liegen sollte.

Die Golfregion strebt nach Diversifizierung ihrer Wirtschaft

Letztendlich wird der Geldhahn für die fossilen Brennstoffe jedoch zugedreht werden. Der Internationale Währungsfonds etwa warnte, der Rückgang der Ölnachfrage könnte den Wohlstand der Region in nur 15 Jahren aufzehren - darum suchen die Staaten alternative Einnahmequellen. 

Saudi-Arabien setzt auf die Produktion von grünem Wasserstoff und baut zusammen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten eine Produktion von Rohstoffen wie etwa Aluminium auf, die mit erneuerbaren Energien betrieben werden soll. Saudi-Arabien beginnt, seine Kohlenwasserstoffe - ebenfalls schädliche Treibhausgase - für die Plastikproduktion und in der Petrochemie zu nutzen. 

Blick auf Sanddünen in der Wüste von Riad bei Sonnenuntergang
Jeder Quadratmeter Land in der Golfregion hat das Potenzial, ein Solaräquivalent von 1,1 Barrel Öl pro Jahr zu erzeugenBild: HASSAN AMMAR/AFP via Getty Images

Auch der Export von Solarenergie wird als große wirtschaftliche Chance gesehen. In den Golfstaaten könnte jeder Quadratmeter Land, der mit Solarenergie ausgestattet ist, pro Jahr die gleiche Energiemenge liefern wie 1,1 Barrel Öl.

Andere Staaten versuchen, das Modell von Dubai zu kopieren, wo fossile Brennstoffe nur noch etwa fünf Prozent der Einnahmen ausmachen. Der überwiegende Teil komme inzwischen aus dem Tourismus sowie von wohlhabenden Einwanderern und Investoren, so Al-Saidi.

Oman kommt offenbar mit der Loslösung seiner Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen schneller voran als andere Golfstaaten. Der Anteil des Erdöls am Bruttoinlandsprodukt (BIP) lag dort 2017 noch bei 39 Prozent, soll aber bis 2040 auf 8,4 Prozent gesenkt werden. Der Wirtschaftsschwerpunkt des Landes soll künftig auf Tourismus, Logistik und Produktion liegen.

Auf einem Förderturm auf einem Ölfeld in Saudi-Arabien brennt eine Gasflamme
Öl fördern, um Geld für den Ausstieg aus fossilen Energieträgern zu erwirtschaften? Ein mehr als paradoxes Vorhaben, sagen Klimaorganisationen Bild: ALI HAIDER/EPA/picture alliance / dpa

Doch alle Klima-Ambitionen in der Region beruhen momentan auf dem Modell, die fossilen Brennstoffreserven weiter ausbeuten, um den Übergang zu einer CO2-freien Zukunft zu finanzieren. Für Umweltschützer und Menschenrechtsaktivisten ist das pure Ironie. Agnes Callamard, Generalsekretärin von Amnesty International, hat daher Länder wie Saudi-Arabien dazu aufgerufen, ihre Ölreserven im Boden zu lassen.

"Es ist an der Zeit, dass Saudi-Arabien im Interesse der Menschheit handelt und den Ausstieg aus der Fossilindustrie einleitet, der für die Vermeidung weiterer Klimaschäden unerlässlich ist", kritisierte Callamard bereits Anfang des Jahres.

Redaktion: Tamsin Walker

Adaption aus dem Englischen: Jeannette Cwienk